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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2019

Die Schuld geringeren Reichtums
Glänzt durch seine Schauspieler: Ein Hörspiel nach Jane Austens frühem Roman „Northanger Abbey“
Dass die siebzehnjährige Pfarrerstochter Catherine Morland nach Lektüre zahlreicher Schauerromane dazu neigt, die Wirklichkeit mit diesen zu verwechseln, und aus dem nächtlichen Seufzen des Windes auf ein schreckliches Familiengeheimnis schließt, gefährdet ihr Lebensglück gewiss weniger als der naive Glaube, unterschiedliche Vermögensverhältnisse würden in Herzensdingen nicht viel bedeuten. Verglichen mit der Hartherzigkeit einiger Bessergestellter ist der Spuk hinter Tapetentüren meist harmlos.
Neben der Vorliebe für Gothic Novels und romantische Bindungen hat Jane Austen der Heldin ihres frühen Romans „Northanger Abbey“ auch ein frisches Selbstbewusstsein mitgegeben, eine gewisse Unbekümmertheit, die sittenstrengen Beobachtern unschicklich erscheinen muss. An der Seite gut gestellter Freunde der Familie reist Catherine Morland für einige Wochen nach Bath. Sie muss unter die Leute, die „Gesellschaft“ kennenlernen, was vor allem heißt: einen Mann kennenzulernen, der sie heiratet. Und siehe da, kaum hat sie den jungen Henry Tilney getroffen, will sie ihn wieder und wieder sehen. Mühsam nur gelingt es, die Spannung zwischen der Forschheit des Herzens und den Erwartungen ihres Umfelds auszubalancieren. Den Konventionen muss gehorcht werden.
Der Roman ist erst 1818, nach Jane Austens Tod, erschienen, geschrieben hat sie ihn wie andere frühe Werke zur Unterhaltung der Familie. Für den Hessischen Rundfunk hat Silke Hildebrandt den Roman gekürzt und bearbeitet. Ihr Hörspiel besticht vor allem durch die Schauspieler. Anna Drexler trifft den spannungsreichen Gefühlsmix der Catherine Morland genau, das Schwanken zwischen Überschwang und Schüchternheit, zwischen der Freude, Welt und Menschen kennenzulernen, und der nicht ausbleibenden Enttäuschung darüber, wie diese sind. Max Bretschneider spricht Henry Tilney so, dass man dem jungen Mann die Überheblichkeit nicht übel nimmt, mit der er seine neue Bekannte auf Fehler im Wortgebrauch hinweist. Er scheint es nicht böse zu meinen, und schließlich hat auch er eine Schwäche für Anne Radcliffe und „Die Geheimnisse Udolphos“. Auf dem Familiensitz der Tilneys führt die von Romanen in die Irre geleitete Einbildungskraft Catherine Morland in peinliche Situationen. Aber nicht deswegen muss sie Northanger Abbey verlassen.
Es ist ein Gute-Laune-Hörspiel geworden, inszeniert mit hörbarer Freude am gehobenen Milieu, an Konversation, kleinen Spitzen und Bösartigkeiten. Die satirischen Momente des Romans, der manche literarische Konvention parodiert, kommen dabei etwas zu kurz. Getragen vom Schwung der Musik Jakob Diehls reiht sich Szene an Szene.
Vor allem Ulrich Noethen sorgt als Erzähler für dramatische Akzente. So jung, fast verspielt noch, die Protagonisten auch scheinen, es geht ums Ganze, um Lebensglück, den Ruf der Familie. Da ist ein glückliches Ende wenig wahrscheinlich. In der Tat will General Tilney die Heirat seines Sohnes mit Catherine Morland nicht gestatten. Ihre Schuld? Der General wirft ihr vor, dass er Opfer einer Täuschung geworden sei, die er ihr nicht vergeben könne: „Ihre Schuld bestand einzig darin, dass sie weniger reich war, als er angenommen hatte.“
Da hilft auch Aufklärung nicht, wie es zur Täuschung kam. Henry Tilney entzweit sich deswegen mit seinem Vater. Erst als seine Schwester einen wohlhabenden Mann heiratet, führt der „Zugewinn an Ansehen“ beim General zu einem „Ausbruch an Gutmütigkeit“. Er gestattet die Hochzeit der Liebenden. Der Heiratsmarkt scheint doch schauriger als alle Romane Anne Radcliffes.
JENS BISKY
Jane Austen: Northanger Abbey. Aus dem Englischen von Andrea Ott. Hörspielbearbeitung und Regie: Silke Hildebrandt. Mit Ulrich Noethen, Anna Drexler, Anne Müller u. v .m. Der Hörverlag, München 2019. 2 CDs, 150 Minuten, 20 Euro.
Weil die Schwester eine gute
Partie macht, darf endlich auch
Henry seine Catherine ehelichen
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