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Was diese Menschen leisten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und doch lässt es die Gesellschaft zu, dass sie sich verschleißen, oft unterbezahlt und wenig geachtet werden. Dass da etwas falsch läuft, ist offensichtlich.
Die Schnittstelle von Leben und Tod ist Alltag in der Notaufnahme. Verzweiflung und Freude, Angst und Hoffnung liegen oft nur eine Zimmertür auseinander. Fred Sellin hat Rettungssanitäter, Ärzte und Krankenschwestern der Klinik Nord in Hamburg über Monate begleitet. Er war dabei, wenn sie mit Erfolg um Unfallopfer kämpften, wenn sie sich dem Tod geschlagen geben…mehr

Produktbeschreibung
Was diese Menschen leisten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Und doch lässt es die Gesellschaft zu, dass sie sich verschleißen, oft unterbezahlt und wenig geachtet werden. Dass da etwas falsch läuft, ist offensichtlich.

Die Schnittstelle von Leben und Tod ist Alltag in der Notaufnahme. Verzweiflung und Freude, Angst und Hoffnung liegen oft nur eine Zimmertür auseinander. Fred Sellin hat Rettungssanitäter, Ärzte und Krankenschwestern der Klinik Nord in Hamburg über Monate begleitet. Er war dabei, wenn sie mit Erfolg um Unfallopfer kämpften, wenn sie sich dem Tod geschlagen geben mussten. Er hat in erschöpfte Gesichter gesehen, intensive Interviews geführt und zu begreifen versucht, wie man mit den Bildern und der schier übermenschlichen Verantwortung lebt.
All das verdichtet zu sieben Tagen Emotionen und Schicksal. Sellins Momentaufnahme geht unter die Haut, auch weil jeder von uns jederzeit eine "Notaufnahme" werden kann.

Zeichnet ein ebenso einfühlsames wie authentisches Bild aus der Perspektive der Betroffenen (Pfleger, Ärzte, Patienten, Angehörige).
Autorenporträt
Fred Sellin, geb. 1964, arbeitete als Journalist für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen und lebt als freier Autor in Hamburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2007

Einer nach dem anderen

Einige Monate hat sich der Reporter Fred Sellin als "eingebetteter Journalist" in der Notaufnahme eines großen Hamburger Krankenhauses aufgehalten, hat beobachtet, recherchiert, bei zunehmender Vertrautheit mit den Abläufen auch selbst Hand angelegt. Manche Patienten hat er auch zu Hause besucht und hat ihre Schicksale verfolgt.

Dabei herausgekommen ist eine flott geschriebene Reportage, die sieben Tagesabläufe in der zentralen Notfallambulanz beschreibt (Fred Sellin: "Notaufnahme". Alltag zwischen Leben und Tod. C. Bertelsmann Verlag, München 2007. 288 S., geb., 16,95 [Euro]). Sellin berichtet authentisch und detailliert: Auf den knapp 300 Seiten werden uns 63 Patienten namentlich vorgestellt, weitere gut 60 als anonyme Fälle. Wir lernen 29 Mitarbeiter der Abteilung namentlich kennen, dazu kommen weitere Krankenhausärzte, Polizisten, Krankenwagenfahrer, Notärzte. Manchen dieser Menschen werden nur ein paar Zeilen gewidmet, manche erhalten einige Seiten. Doch wie im Alltag der Notaufnahme kann der Leser bei keinem länger verweilen. Die Ereignisse rauschen vorbei, und man wird sparsam mit emotionaler Anteilnahme, denn schon kommt der nächste Patient, noch bedauernswerter als der letzte.

Der Autor wundert sich, warum das Personal zwar immer freundlich und respektvoll mit den Patienten umgeht, sich gegen die anrührenden Schicksale aber meistens immun zeigt. Den Leser wundert's nicht mehr: Bei der Fülle der Geschichten und Eindrücke verliert der Einzelne seine Bedeutung, wird eben nur abgearbeitet. Ähnliches passiert bei den Mitarbeitern der Abteilung. Alle erscheinen entrückt, wie durch Milchglas betrachtet, weil der Autor unbedingt verhindern will, dem Objekt seiner Recherche zu nahe zu kommen. Das gelingt aber nicht durchgängig. Immer wieder wird Sellin von seinen Gefühlen übermannt, ruft sich zur Ordnung und mutiert wieder zum Berichterstatter. So bleibt das Buch ein Zwitter: einerseits eine Reportage mit ungewöhnlich viel persönlicher Anteilnahme, andererseits eine Doku-Soap ohne den Schaum einer durchgehenden Handlung.

40 000 Menschen werden allein in dieser Krankenhaus-Notaufnahmestation jährlich behandelt: eine Herausforderung, nach der man süchtig wird. Workaholics sind sie wohl alle, und der Autor wurde es auch: Als er einmal einige Tage nicht anwesend sein konnte, begann er die Notaufnahme zu vermissen. So erklärt sich auch, weshalb vor allem das Pflegepersonal mit beschämend niedrigen Gehältern zufrieden ist: Die wahre Entlohnung erfolgt in Adrenalin. Sellin lässt sich von diesem Adrenalinschub mitreißen. Schon bald ist er Teil des Teams, redet von "wir", ist getragen und getrieben vom Räderwerk der Behandlungen, von immer neuen Patienten, von schreienden, stinkenden, bejammernswerten, betrunkenen, protestierenden, arroganten, sterbenden. Da werden alle Vorurteile, die sich in einer solchen Abteilung herausbilden, Teil der eigenen Auffassung. Dazu gehört, dass die eigene Tätigkeit nicht kritisch befragt wird.

Was in einer so effizient arbeitenden Abteilung passiert, kann einfach nur gut sein. Diese Notfallaufnahme ist eine Insel der Tüchtigen. Der Autor erinnert sich an schlechte eigene Erfahrungen: wie er in einem anderen Krankenhaus mit einer schweren Schulterverletzung ohne Schmerzmittel gelassen wurde und leiden musste. Dass aber in der hier geschilderten Notaufnahme der vom Dach gestürzte Patient mit der zerschmetterten Hand stundenlang warten muss, bis die erlösende Plexusanästhesie gegeben wird, ist offenbar normal.

Die zementierte Trennung von stationärer und ambulanter Behandlung wird nicht erwähnt, obwohl sie der Grund dafür ist, dass hier in einer Notfallambulanz von über- und fehlqualifiziertem Personal banale Fälle von Erkältung, Verstopfung, Bagatellverletzungen und Durchfällen behandelt werden. Die Undurchlässigkeit des Systems, die fehlende Kenntnis von anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens, die Abschottung nicht zuletzt auch auf Grund unterschiedlicher Geldtöpfe und Honorierungswege - all das ist dem Reporter keine Zeile wert. Niedergelassene Ärzte überweisen Patienten in das Krankenhaus. Die Notaufnahme aber kann keinen Patienten in ambulante Behandlung oder in ein anderes Krankenhaus schicken - der Grund dafür bleibt offen.

Sellin konstatiert die hohe Zahl von alten Patientinnen mit Schenkelhalsfrakturen als Folge einer Osteoporose. Dass aber die Osteoporose so oft nicht diagnostiziert wird, weil die Krankenkassen die Kosten der Untersuchung zur Abklärung nicht übernehmen, dass sie unzureichend behandelt wird, weil die Ärzte mit ihrem Medikamentenbudget die teure Behandlung scheuen, das schreibt Sellin nicht.

So haben wir den leider nicht seltenen Fall eines Sachbuchs vor uns, in dem vor lauter Aufklärung verdunkelt wird, worum es eigentlich geht. Das nachhaltige Sachbuch sieht anders aus: Es erschöpft sich nicht in Abschilderungen noch so spannender Vorgänge, sondern durchdringt sie von der Wurzel her.

GANGOLF SEITZ

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Fred Sellins Reportage aus der Notaufnahme eines großen Hamburger Krankenhauses hat Rezensent Gangolf Seitz letztlich nicht wirklich überzeugt. Zwar bescheinigt er dem Autor, einen genauen Blick auf die Abläufe der Ambulanz, die Arbeit von Ärzten, Polizisten, Krankenwagenfahrer und das Schicksal der Patienten zu werfen. Auch findet er das Buch gut geschrieben und spannend zu lesen, lobt es zudem als "authentisch und detailliert". Aber das Buch erscheint ihm zum einen unentschieden zwischen Reportage mit "viel persönlicher Anteilnahme" und "Doku-Soap ohne den Schaum einer durchgehenden Handlung". Zum anderen muss er dem Autor vorhalten, zu stark die Perspektive der Notaufnahme eingenommen zu haben und deren Tätigkeit nicht mehr kritisch zu befragen. Zudem vermisst er eine Auseinandersetzung mit problematischen Fragen des Gesundheitswesen, etwa der Trennung von stationärer und ambulanter Behandlung, der Undurchlässigkeits des Systems, der Abschottung der verschiedenen Einrichtungen gegeneinander. Die eigentlichen Probleme bleiben für Seitz in diesem Buch völlig unterbelichtet.

© Perlentaucher Medien GmbH