Norbert Abels hat in 66 Essays das Verhältnis von Musik zu Sprache, von Sprache zu Musik beleuchtet: indem er den Verbindungen von Schriftstellern und Komponisten, von Musikern und Librettisten nachspürt.
Wie immer in seinen Texten findet Norbert Abels einen Kosmos von Bezügen, von Gegenständen und Aspekten, die seinem Thema als Dreh- und Angelpunkte dienen. Das macht den Band einmal mehr zu einem ganzen Bündel von Entdeckungsreisen. Das noch größere Verdienst dieses Bandes ist es indes, wie lebendig er über Literatur und Musik zu erzählen weiß - und uns neugierig macht und den Impuls eingibt, sofort ins Opernhaus, umgehend in eine gut sortierte Bibliothek oder Buchhandlung zu laufen.
Norbert Abels' Betrachtungen lesen auf, was klingende Verschmelzungen von Sprach- und Tonkunst hervorbrachten. Auf einer Reise durch die Operngeschichte von Claudio Monteverdi und Henry Purcell bis John Cage und Hans Werner Henze begegnen uns berühmte wie zu Unrecht vergessene Werke.
Wie immer in seinen Texten findet Norbert Abels einen Kosmos von Bezügen, von Gegenständen und Aspekten, die seinem Thema als Dreh- und Angelpunkte dienen. Das macht den Band einmal mehr zu einem ganzen Bündel von Entdeckungsreisen. Das noch größere Verdienst dieses Bandes ist es indes, wie lebendig er über Literatur und Musik zu erzählen weiß - und uns neugierig macht und den Impuls eingibt, sofort ins Opernhaus, umgehend in eine gut sortierte Bibliothek oder Buchhandlung zu laufen.
Norbert Abels' Betrachtungen lesen auf, was klingende Verschmelzungen von Sprach- und Tonkunst hervorbrachten. Auf einer Reise durch die Operngeschichte von Claudio Monteverdi und Henry Purcell bis John Cage und Hans Werner Henze begegnen uns berühmte wie zu Unrecht vergessene Werke.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2017Am Anfang war die Einheit von Wort und Laut
"Notenlese": Ein Band mit Essays von Norbert Abels
Die Welt ist Klang. So hieß eine vor Jahren überaus erfolgreiche HörfunkReihe von Joachim-Ernst Berendt, in der er dem universellen Phänomen der Töne und besonders ihrer angenommenen oder tatsächlichen Fähigkeit nachging, Wirklichkeiten nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erzeugen. Mehr noch: Es war ihm um das musikalische Wesen des Seins zu tun, wie es sich etwa in der romantischen Erkenntnis "Schläft ein Lied in allen Dingen" ausdrückt. Die Produktion hatte einen leicht esoterischen Touch, religiöse und quasireligiöse Erklärungsmodelle, gerade solche aus der Hindu-Tradition, dem Zen-Buddhismus, aber auch der christlichen Mystik, spielten eine wichtige Rolle bei der Suche nach den Tönen, die nicht nur die Welt bedeuten, sondern das Gewebe selbst sein sollen, das die Realität ausmacht.
Das Projekt von Norbert Abels ist dem von Berendt durchaus verwandt, denn auch in den Schriften des Chefdramaturgen am Frankfurter Opernhaus klingt der Gedanke der Universalität durch, in dem die Musik in ein Verhältnis zum Ganzen, zum Kosmos, zum Schicksalhaft-Menschlichen, wenn nicht Göttlichen gesetzt wird. Aber er ist viel vorsichtiger als einst der Radio-Musikguru. Und er geht viel rationaler vor. Seine Bezugspunkte sind nicht religiöser, sondern philosophischer und literarischer Art. Abels spürt dem Verhältnis von Laut und Wort, Musik und Dichtung nach, indem er diese Beziehungen geistesgeschichtlich, begrifflich, auch musikästhetisch durchdringt, Theoretiker und Dichter zu Rate zieht, Vergleiche anstellt, Zusammenhänge herstellt.
Der Ursprung leuchtet wie ein Irrlicht auf, ein fernes Ideal, die mögliche Einheit von Sprache und Gesang am Anfang der menschlichen, wenn nicht der Entwicklung des Universums. Die Oper wird in dieser nur angedeuteten Perspektive ein Medium, das der Idee der Gleichursprünglichkeit von Musik, Sprache und Welt entspricht. Neben allem Zeitgebundenen und Zufälligen zielt sie stets auf eine Verbindung zwischen dem Musikalischen und dem Sprachlichen, den Tönen und dem Gesang, den Lauten und der Stimme und damit auf einen möglichen, vielleicht imaginären, womöglich aber auch realen Anfang der Menschheit, des Bewusstseins. So wäre der Mensch in der Oper ganz bei sich, bei seinen Anfängen, und fände sich in einem Zustand wieder, in dem Denken und Gefühl noch nicht auseinandergefallen sind. An derlei spekulativen Positionen rührt die wunderbare Abhandlung "Keine Stille, nirgendwo", mit der ein bemerkenswerter Band eröffnet wird.
Norbert Abels schöpft aus dem Vollen eines überreichen Bildungsschatzes, wenn er seine heitere Wissenschaft von der Oper betreibt, wie sie ihren Niederschlag in dem jüngst bei Axel Dielmann in Frankfurt erschienenen gewichtigen Buch "Notenlese. Die Sprachen der Oper" gefunden hat.
Man kann dieses Werk von Anfang an lesen, man kann aber auch in ihm lesen, denn es enthält eine Vielzahl von Essays, die sich im Wesentlichen aus der Dramaturgentätigkeit des Autors in Frankfurt, aber auch in Bayreuth ergeben haben. Mit leichter Feder führt Abels die Leser in Tiefen und zu verblüffenden Verbindungen, verknüpft Texte und Gedanken, ohne jemals in einen Jargon zu verfallen, der nur noch auf die Komplexität des Abgehandelten verwiese. Vielmehr löst er auch komplizierte Sachverhalte in elegant-eloquente Sprachlinien auf, erzählt überdies immer wieder Geschichten und biographische Details, führt beispielsweise einen Komponisten wie den jungen Richard Wagner zu Beginn eines Textes mit den beiden Substantiven "Barrikadenrevolutionär und Handgranatenbastler" so plastisch und drastisch wie möglich ein.
Einer Notiz zu Henry Purcell folgen Anmerkungen zu Händels Kreuzzugsoper "Rinaldo" und eine Marginalie zu dessen "Alcina". Es geht um Gluck, um "Don Giovanni", um Mozart und Salieri, Donizettis "L'elisir d'amore" und Glinkas "Iwan Sussanin". Immer wieder um Verdi. Und natürlich um Wagner. Ein Aufsatz etwa ist der "Komik bei Wagner und Verdi" gewidmet. E.T.A. Hoffmann und Jacques Offenbach, ebenjener Dichter der Spätromantik und Tschaikowsky, Maurice Maeterlinck und Claude Debussy, Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, Henry James und Benjamin Britten sind einige der literarisch-musikalischen Paarungen, denen sich Abels widmet. Humperdinck, Dvorák, Bernstein, Henze werden ebenso Thema wie Gustav Mahler und Hölderlin. Es ist eine Lust, Abels zu folgen. Und immer ein geistiger Gewinn.
MICHAEL HIERHOLZER
Norbert Abels, "Notenlese. Die Sprachen der Oper", erschienen im Axel Dielmann-Verlag, Frankfurt am Main, 2016
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Notenlese": Ein Band mit Essays von Norbert Abels
Die Welt ist Klang. So hieß eine vor Jahren überaus erfolgreiche HörfunkReihe von Joachim-Ernst Berendt, in der er dem universellen Phänomen der Töne und besonders ihrer angenommenen oder tatsächlichen Fähigkeit nachging, Wirklichkeiten nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erzeugen. Mehr noch: Es war ihm um das musikalische Wesen des Seins zu tun, wie es sich etwa in der romantischen Erkenntnis "Schläft ein Lied in allen Dingen" ausdrückt. Die Produktion hatte einen leicht esoterischen Touch, religiöse und quasireligiöse Erklärungsmodelle, gerade solche aus der Hindu-Tradition, dem Zen-Buddhismus, aber auch der christlichen Mystik, spielten eine wichtige Rolle bei der Suche nach den Tönen, die nicht nur die Welt bedeuten, sondern das Gewebe selbst sein sollen, das die Realität ausmacht.
Das Projekt von Norbert Abels ist dem von Berendt durchaus verwandt, denn auch in den Schriften des Chefdramaturgen am Frankfurter Opernhaus klingt der Gedanke der Universalität durch, in dem die Musik in ein Verhältnis zum Ganzen, zum Kosmos, zum Schicksalhaft-Menschlichen, wenn nicht Göttlichen gesetzt wird. Aber er ist viel vorsichtiger als einst der Radio-Musikguru. Und er geht viel rationaler vor. Seine Bezugspunkte sind nicht religiöser, sondern philosophischer und literarischer Art. Abels spürt dem Verhältnis von Laut und Wort, Musik und Dichtung nach, indem er diese Beziehungen geistesgeschichtlich, begrifflich, auch musikästhetisch durchdringt, Theoretiker und Dichter zu Rate zieht, Vergleiche anstellt, Zusammenhänge herstellt.
Der Ursprung leuchtet wie ein Irrlicht auf, ein fernes Ideal, die mögliche Einheit von Sprache und Gesang am Anfang der menschlichen, wenn nicht der Entwicklung des Universums. Die Oper wird in dieser nur angedeuteten Perspektive ein Medium, das der Idee der Gleichursprünglichkeit von Musik, Sprache und Welt entspricht. Neben allem Zeitgebundenen und Zufälligen zielt sie stets auf eine Verbindung zwischen dem Musikalischen und dem Sprachlichen, den Tönen und dem Gesang, den Lauten und der Stimme und damit auf einen möglichen, vielleicht imaginären, womöglich aber auch realen Anfang der Menschheit, des Bewusstseins. So wäre der Mensch in der Oper ganz bei sich, bei seinen Anfängen, und fände sich in einem Zustand wieder, in dem Denken und Gefühl noch nicht auseinandergefallen sind. An derlei spekulativen Positionen rührt die wunderbare Abhandlung "Keine Stille, nirgendwo", mit der ein bemerkenswerter Band eröffnet wird.
Norbert Abels schöpft aus dem Vollen eines überreichen Bildungsschatzes, wenn er seine heitere Wissenschaft von der Oper betreibt, wie sie ihren Niederschlag in dem jüngst bei Axel Dielmann in Frankfurt erschienenen gewichtigen Buch "Notenlese. Die Sprachen der Oper" gefunden hat.
Man kann dieses Werk von Anfang an lesen, man kann aber auch in ihm lesen, denn es enthält eine Vielzahl von Essays, die sich im Wesentlichen aus der Dramaturgentätigkeit des Autors in Frankfurt, aber auch in Bayreuth ergeben haben. Mit leichter Feder führt Abels die Leser in Tiefen und zu verblüffenden Verbindungen, verknüpft Texte und Gedanken, ohne jemals in einen Jargon zu verfallen, der nur noch auf die Komplexität des Abgehandelten verwiese. Vielmehr löst er auch komplizierte Sachverhalte in elegant-eloquente Sprachlinien auf, erzählt überdies immer wieder Geschichten und biographische Details, führt beispielsweise einen Komponisten wie den jungen Richard Wagner zu Beginn eines Textes mit den beiden Substantiven "Barrikadenrevolutionär und Handgranatenbastler" so plastisch und drastisch wie möglich ein.
Einer Notiz zu Henry Purcell folgen Anmerkungen zu Händels Kreuzzugsoper "Rinaldo" und eine Marginalie zu dessen "Alcina". Es geht um Gluck, um "Don Giovanni", um Mozart und Salieri, Donizettis "L'elisir d'amore" und Glinkas "Iwan Sussanin". Immer wieder um Verdi. Und natürlich um Wagner. Ein Aufsatz etwa ist der "Komik bei Wagner und Verdi" gewidmet. E.T.A. Hoffmann und Jacques Offenbach, ebenjener Dichter der Spätromantik und Tschaikowsky, Maurice Maeterlinck und Claude Debussy, Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal, Henry James und Benjamin Britten sind einige der literarisch-musikalischen Paarungen, denen sich Abels widmet. Humperdinck, Dvorák, Bernstein, Henze werden ebenso Thema wie Gustav Mahler und Hölderlin. Es ist eine Lust, Abels zu folgen. Und immer ein geistiger Gewinn.
MICHAEL HIERHOLZER
Norbert Abels, "Notenlese. Die Sprachen der Oper", erschienen im Axel Dielmann-Verlag, Frankfurt am Main, 2016
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main