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Der in Frankreich lebende schweizerische Autor Philippe Jaccottet ist einer der großen europäischen Dichter. Dieser Prosaband vereint Texte, die sich den Tragödien unserer Gegenwart stellen, aber auch von persönlichen Niederlagen handeln. "Israel, blaues Heft" ist ein Reisebericht über die Krisenregion in Nahost; "Das Wort Russland" beschreibt, ausgehend von Jaccottets Erfahrungen als Übersetzer von Ossip Mandelstam, die Bedeutung der russischen Literatur für die Darstellung des menschlichen Leidens, von Dostojewski bis zu den Gulag-Erzählungen von Schalamow; und "Notizen aus der Tiefe" ist eine persönliche Annäherung an Krankheit und Tod.…mehr

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Produktbeschreibung
Der in Frankreich lebende schweizerische Autor Philippe Jaccottet ist einer der großen europäischen Dichter. Dieser Prosaband vereint Texte, die sich den Tragödien unserer Gegenwart stellen, aber auch von persönlichen Niederlagen handeln. "Israel, blaues Heft" ist ein Reisebericht über die Krisenregion in Nahost; "Das Wort Russland" beschreibt, ausgehend von Jaccottets Erfahrungen als Übersetzer von Ossip Mandelstam, die Bedeutung der russischen Literatur für die Darstellung des menschlichen Leidens, von Dostojewski bis zu den Gulag-Erzählungen von Schalamow; und "Notizen aus der Tiefe" ist eine persönliche Annäherung an Krankheit und Tod.
Autorenporträt
Jaccottet, Philippe
Philippe Jaccottet, 1925 in Moudon/Waadtland geboren, lebt seit 1953 im südfranzösischen Grignan/Drôme. Für sein umfangreiches Werk wurde er u.a. mit dem Petrarca-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis ausgezeichnet. 2014 wurde sein Gesamtwerk in die Bibliothèque de la Pléiade aufgenommen. Auf Deutsch erschienen zuletzt Der Unwissende (Gedichte und Prosa, 2003), Truinas, 21. April 2001 (2005), die Anthologie Die Lyrik der Romandie (2008), Notizen aus der Tiefe (2009), Sonnenflecken, Schattenflecken (2015) und Gedanken unter den Wolken (2018).

Edl, Elisabeth
Elisabeth Edl, 1956 geboren, lehrte als Germanistin und Romanistin an der Universität Poitiers und arbeitet heute als Literaturwissenschaftlerin und Übersetzerin in München. Sie wurde u. a. mit dem Celan-Preis, Petrarca-Preis, Voß-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, dem Romain Rolland-Preis und dem Prix lémanique de la traduction ausgezeichnet. Sie ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und Chevalier de l'Ordre des Arts et des Lettres der Republik Frankreich.

Kemp, Friedhelm
Friedhelm Kemp, 1914 in Köln geboren, wuchs in Aachen und Frankfurt auf. Er studierte Romanistik und Germanistik in Frankfurt und München. Seit 1945 lebte er als freier Schriftsteller und Verlagslektor in München. Zuletzt war er Leiter der Literarischen Abteilung des Bayerischen Rundfunks. Er starb 2011 in München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2009

Lernen, was Staub ist
Drei Prosa-Aufzeichnungen von Philippe Jaccottet
Dem Dichter fügt sich die Welt nicht in den Gegenständen zusammen, sondern im eigenen Blick. Welchen Zusammenhang gibt es denn zwischen den Aufzeichnungen nach einer Israelreise, der Landschaftsbetrachtung im Spiegel eines Sterbenden, den literarischen Klangbildern hinter dem Wort „Russland”? Nur jenen, dass da einer dreimal „Ich” sagt. Die in diesem Band zusammengefassten Texte sind drei musikalische Ausflüge eines Dichters ins Reich der Prosa: Allegro, Adagio, Quasi una fantasia. Sie registrieren die Verwunderung des Achtzigjährigen darüber, was ihn berührt und was schon nicht mehr.
   Obschon christlich erzogen, ist Philippe Jaccottet an den heiligen Stätten Jerusalems nicht mehr empfänglich für das „Frömmigkeit und Andacht fördernde Dunkel”, das noch Chateaubriand in der Grabeskirche wahrnahm. Die Orte sind wie abgeschlissen von den tausendfach darüber streifenden Besucherblicken und brauchen die Erinnerung an die Passionen von Bach, die Gedichte von Rimbaud oder Hölderlin, um überhaupt noch bedeutsam zu sein.
Über den Brunnenrand schauen
In der herausgeputzten Grünanlage des Ölbergs überkommt den Besucher ein Verlangen: nichts wie weg! An der Klagemauer umfängt ihn eine seltsame Beklemmung angesichts der wild stampfenden Gläubigen vor den alten Steinen mit dem Rücken zur Welt. Auf dem Tempelberg wird ihm das Raffinement des Islam bewusst, hinge darüber nur nicht der Fluch der Extremisten. Hier spricht nicht einer jener Aufgeklärten, die das religiöse Gefühl nur noch ästhetisch sublimiert und gewaltfrei durchgehen lassen. Dafür ist Jaccottet zu sehr Dichter.
Autoritäre Wahrheiten können sich in den sie begleitenden Verbrechen erschöpfen, wie bei den Diktaturen des letzten Jahrhunderts, schreibt der Autor. Sie können aber auch über die unbestreitbaren Verbrechen hinaus die Menschen zum Höchsten bewegen. Vor den Höhlen von Qumran geht dem Reisenden dann in der Kargheit der nackten Steine, der Hitze und der vom Salz eingedickten Wasserlachen das Wesen des Wüstengottes auf: „Hier lernen wir wieder, was Staub ist, dass der Wind blind machen, der Stein sich spalten kann.” Es ist der Ruf des Archaischen, das Aischylos über Euripides und Vézelay über die gotischen Kathedralen hinausragen lässt und das mit unseren netten Menschenrechtsgottheiten nichts zu tun hat.
  Jaccottet fällt davor jedoch nicht in die Knie. „Man müsste sich über den Rand der Gräber von Heiligen beugen können wie über einen Brunnenrand”, schreibt er.  Hinabschauen, weitergehen. Der Nahostkonflikt ist allgegenwärtig in diesen Aufzeichnungen und die Betroffenheit des Schreibenden ist es ebenso. Seine Empfindung für das gedemütigte Volk der Palästinenser ist spürbar, sie wird jedoch gelähmt durch die Hassparolen, die auf allzu vielen Banderolen der Protestmärsche zu lesen sind. Mit Schreien kann man vielleicht auch heute noch Könige stürzen, wie einst die Propheten es taten, doch was dann? – so fragt der Durchreisende.
Auf Wolken schreiben
Die reinsten Worte enden als Slogans auf T-Shirts oder als Stickerei auf Seidenschals. Mit dieser Sorge über die Korrumpierbarkeit aller Dinge sitzt der Dichter aber schon wieder zu Hause in seinem südfranzösischen Grignan. Der Blick über den Brunnenrand reicht dort in andere Tiefen, die an Dantes Inferno erinnern. Dessen Schatten liegt über den beiden folgenden Texten dieses Buchs, mit der Frage: Führt ein Weg aus ihm heraus, zurück zu den Lebenden?
In den Begleitnotizen zu Krankheit und Sterben eines Vertrauten hilft der Blick in die Landschaft. Im Text über Jaccottets erste Begegnungen mit Russland sind es Tschechow, Dostojewski, Mandelstam, Warlam Schalamow, in den Resonanzraum von Bachs Matthäus-Passion gestellt. Die Tiefe, aus der hier notiert wird, wirkt dunkel. „Trotzdem, einer schreibt da noch auf Wolken”, schließt eine Aufzeichnung. Es ist die Prosasprache eines Dichters, der oben zu Hause ist. Entsprechend klingt auch die sorgfältige Übersetzung.      JOSEPH HANIMANN
PHILIPPE JACCOTTET: Notizen aus der Tiefe. Aus dem Französischen übersetzt von Friedhelm Kemp, Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Carl Hanser Verlag, München, 2009. 170 Seiten, 17,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2009

Auf Dantes Spuren

Es gibt kleine Bücher zu großen Themen und umgekehrt. Das vorliegende gehört zur ersten Gattung. So zumindest fürchtet der Autor. Es fasst drei ursprünglich getrennt veröffentlichte Texte zusammen: Reiseaufzeichnungen aus Israel, Anmerkungen zur russischen Literatur, eine Meditation über Krankheit und Sterben. Der achtzigjährige Dichter Philippe Jaccottet zeigt sich in diesen Prosatexten von einer ganz persönlichen Seite. Seine Bange, dass er mit seiner Distanziertheit den heiligen Orten Jerusalems nicht gewachsen, ja ihnen gegenüber nicht einmal gespalten sei, sondern nur unschlüssig zwischen verschiedenen Impulsen: ein Lauer ("man wird wahrscheinlich als Lauer geboren") - diese Bange löst sich für uns Leser schnell in Nichts auf. Schon nach wenigen Seiten weiß man, was man vor sich hat: eine subtile Betrachtung über die Macht autoritärer Wahrheiten zwischen geistiger Größe und politischem Verbrechen. Im Krisengebiet Israels und Palästinas notiert der Autor seine Eindrücke gegenüber christlichem Frömmigkeitsrummel, jüdisch-orthodoxer Weltfremdheit in der Position des Stärkeren vor der Klagemauer, palästinensischer Gewaltbereitschaft unter demütigenden Lebensumständen. Die Notizen bleiben jedoch nicht in der Tiefe stecken, sondern enthalten Lichtblicke eines Autors, der an keine Illusionen, wohl aber an Dantes Beispiel einer Rückkehr aus dem Inferno in die Gegenwart glaubt. (Philippe Jaccottet: "Notizen aus der Tiefe". Aus dem Französischen von Friedhelm Kemp, Elisabeth Edl und Wolfgang Matz. Carl Hanser Verlag, München 2009. 170 S., br., 17,90 [Euro].) han.

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Fast geisterhafte Größe" bescheinigt Rezensent Milo Rau diesen Notizen des in Frankreich lebenden Schweizer Dichters Philippe Jaccottet. Diese deutsche Edition vereint Raus Informationen zufolge drei französische Vorlagen. Wer den Band lese, werde erneut "Zeuge einer dichterischen Selbstverständigung", die Jaccottet seit seinen Anfängen auszeichne, in seiner völlig privaten, in seinen thematischen Vorlieben und doch völlig objektiven, "mittelalterlichen Suche nach dem Absoluten" . Was diese Notizen von vorangegangenen Büchern für den Rezensenten unterscheidet, ist die Tatsache, dass es sich diesmal fast um ein Reisebuch handelt: Jaccottet reist mit der Bibel in der Hand nach Israel und besucht das Russland Stalins, Ossip Mandelstams und Dostojewskis, lesen wir. Zwischen diesen beiden Reisebeschreibungen erzählt Jaccottet vom Tod eines Freundes. Wie hier literarisches und reales genau zusammenhängen, bleibt in der Rezension leicht nebulös, aber eins wird doch klar: Milos Rau ist von diesem Prosawerk nicht weniger beeindruckt als von den Gedichten Jaccottets.

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