Im Januar 2012 lassen sich Jonathan Littell und sein Fotograf von Angehörigen der Syrischen Befreiungsarmee heimlich ins Land schleusen. Seine Erlebnisse und Beobachtungen dort hat Littell in zwei Notizheften festgehalten. "Was die Veröffentlichung dieser Hefte rechtfertigt", schreibt er selbst, "ist die Tatsache, dass sie Bericht erstatten über einen Moment, der quasi ohne Zeugen von außen stattgefunden hat: die letzten Tage der Erhebung eines Teils der Stadt Homs gegen das Regime Baschar al Assads." Wie schon Littells eindrückliche Berichte aus den Krisengebieten Tschetschenien und Georgien reiht sich auch sein Text über Syrien ganz in die große Tradition der Kriegsreportage ein.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.08.2012Die Handys sind Museen des Schreckens geworden
Was kann die Literatur leisten, um Krieg verständlich zu machen? Einiges, wie Jonathan Littells "Notizen aus Homs" beweisen.
Anders als in Tunesien, Ägypten, ja selbst in Libyen findet die Arabellion in Syrien seit ihrem Ausbruch im März 2011 fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Daran hat auch die Beobachtermission der Vereinten Nationen nur wenig geändert, denn diese Beobachter waren von Beginn an in ihrem Aktionsradius eingeschränkt. Der französische Schriftsteller Jonathan Littell - mit seinem umstrittenen Monumentalroman "Die Wohlgesinnten" zu einigem Ruhm gekommen - war einer der wenigen, die sich ein knappes Jahr nach Ausbruch des Aufstandes in die Hölle Baschar al Assads gewagt haben.
Im Auftrag der Tageszeitung "Le Monde" ließ sich der Autor über den Libanon nach Homs einschleusen, zusammen mit einem Fotografen, der schon zuvor in Assads Reich gewesen war und in Littells Tagebuch unter dem Namen "Raed" erscheint. Einem zweiten Gewährsmann gibt der Autor den Tarnnamen "Der Zorn" (arabisch al Ghadab). Littell bewegte sich meistens im Schutz und Schatten der Freien Syrischen Armee (FSA); an Ort und Stelle teilte er Leben, Alltag und Entbehrungen der bewaffneten oppositionellen Aufständischen, aber auch der Zivilisten, die schon in jenen Tagen oft am meisten zu leiden hatten.
Sein Aufenthalt war relativ kurz: vom 16. Januar bis zum 2. Februar 2012. Mehr als eine historische Momentaufnahme in diesem nun schon fast anderthalb Jahre währenden Drama können deshalb Littells "Notizen aus Homs" nicht sein. Am Ende seiner Aufzeichnungen ist dem Autor bewusst, dass alles, was er in den zwei Wochen erlebt hatte - und dies war schlimm genug -, noch harmlos gewesen war im Vergleich zu dem, was dann folgte: Am 3. Februar, einen Tag nachdem er Homs in Richtung Libanon wieder verlassen hatte, begann die syrische Armee mit systematischen Bombardierungen insbesondere des Viertels Baba Amr; dort blieb kein Haus heil, von den Toten und Verwundeten gar nicht zu reden. Im Nachwort gedenkt Littell jener Begleiter, die bei der Reinschrift und Drucklegung seiner beiden "carnets" schon nicht mehr am Leben waren.
Doch warum gerade Homs? Zusammen mit der ebenfalls am Nahr al Asi, dem antiken Fluss Orontes, gelegenen Schwesterstadt Hama ist Homs seit langem ein traditionelles Zentrum des Widerstandes gegen das Assad-Regime. Schon vor dreißig Jahren hatten in jener mittelsyrischen Region, die ziemlich genau zwischen der Hauptstadt Damaskus und dem heute heftig umkämpften Aleppo liegt, die Muslimbrüder einen Aufstand gegen Baschars Vater Hafiz al Assad angezettelt, den dieser brutal niederschlagen ließ. Doch dieses Mal gerät der Chronist in einen wirklichen Volksaufstand: "Das Volk will den Sturz Assads", zitiert er einen der Protagonisten. Vom Armenviertel Baba Amr aus wird Littell zum Zeugen der verstörenden Ereignisse. Seine Begegnung mit den zivilen Kämpfern ("Aktivisten"), mit Ärzten, welche die Verwundeten und vom Regime Gefolterten und Verstümmelten in improvisierten Krankenstationen, Hospitälern und Unterständen versorgen, mit ehemaligen Armeeangehörigen, die nicht länger auf das Volk schießen wollen und zur FSA desertierten, zeichnet das Bild einer Schreckenskammer, zu der ganz Syrien geworden ist und in diesen Tagen noch viel mehr wird.
Man fühlt sich bei der Lektüre an das geteilte Beirut der siebziger und achtziger Jahre erinnert: Nur unter Lebensgefahr konnten Littell, der schon aus Kongo, aus Afghanistan, Tschetschenien und Bosnien berichtet hatte, und sein Gefährte Raed andere umkämpfte Stadtviertel wie Khaldije, Bajada oder die Altstadt ("Hier leben viele Christen") aufsuchen: Die direkt auf die alte Zitadelle führende Straße wurde von der Bevölkerung in Scharia al maut (Straße des Todes) umbenannt. Littell notiert die Verbrechen der Armee und der schabbiha, jener alawitischen ursprünglichen Gangster-Miliz, die für zahlreiche Massaker an Zivilisten verantwortlich gemacht wird, detailliert und anhand einzelner, durch ihn nun exakt dokumentierter Fälle. Vor allem die Scharfschützen des Regimes, die nicht davor zurückschrecken, selbst Kinder und Behinderte zu töten, sorgten dafür, dass die Bewohner "seines" Viertels bald zu den Eingeschlossenen von Baba Amr wurden. Auch dies erinnert an das Beirut des Bürgerkrieges; gelegentliche Ausbrüche der Oppositionellen forderten blutigen Tribut.
Die Aufständischen, mit denen der Autor sympathisiert, kommen besser weg, obwohl er auch deren Schattenseiten und gelegentliche Verbrechen nicht verschweigt. Außerhalb von Homs rächen sich etwa die Beduinen an den Alawiten - ihren noch immer virulenten Regeln der Blutrache folgend. "Die Handys sind Museen des Horrors", schreibt Littell, doch er zitiert auch einen Satz von Raed: "Ihr bekämpft Baschar, nur um ihn durch denselben Autoritarismus zu ersetzen ..." Da diskutiert sein Freund und Begleiter mit einem der militärisch Verantwortlichen unter den Rebellen.
Der islamischen Religion kommt eine disziplinierende Kraft zu ("Hier wird der kollektive Wille gefestigt"), so dass Beten und Kämpfen den Rhythmus des Alltags bestimmen. Dies hat eine lange Geschichte im Islam. Gerade während der Begräbnisse der von Snipern Getöteten oder der Folteropfer der Geheimdienste (mukhabarat) eskaliert der Ingrimm gegen das Regime in besonderer Weise, schreckten Assads Schergen doch nicht davor zurück, in die Gemeinden der Trauernden zu feuern.
Littell und sein Begleiter nehmen teil an den Diskussionen über den Fortgang und die Ziele des Aufstands. Soll der Dschihad gegen den "ungläubigen" Alawiten Assad ausgerufen werden? "Sie wollen keinen Aufruf zum Dschihad. Das würde die Krise nur vergrößern. Es würde sie internationalisieren, Saudi-Arabien, Iran etc. mit reinziehen. Lauter ausländische Gruppen würden herkommen und sich bekämpfen", schreibt Littell. Dies ist jedoch inzwischen eingetreten: Saudi-Arabien und andere Länder mischen massiv mit in Syrien, längst ist der Aufstand auch ein Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten geworden. Selbst die dschihadistische, terroristische Al Qaida versucht, durch ihr Engagement auf Seiten der Aufständischen wieder Fuß zu fassen innerhalb der Arabellion, bei deren Ausbruch sie zunächst ins Abseits geraten war. "Sie wollen eine Intervention der Nato", fasst der Autor das Nahziel der Rebellen zusammen; doch die wird wohl nicht kommen.
Viele Bemerkungen, die Littell zitiert, machen deutlich, auf welch schwachen Füßen alle Anstrengungen der Vereinten Nationen, den Konflikt zu befrieden, das heißt, den Präsidenten Baschar al Assad irgendwie in eine "politische Lösung" der politischen Reform und des gesellschaftlichen Ausgleichs einzuspannen, zu diesem Zeitpunkt schon standen. So resümierte Abu Omar, einer der Aktivisten aus dem geschundenen Baba Amr, die Meinung der Rebellen, als er Littell gewissermaßen in den Block diktierte: "Baschar al Assad hat uns keine andere Option als den bewaffneten Konflikt gelassen. Die Demonstrationen, der Dialog, die Kongresse, nichts hat funktioniert. Sie haben immer nur mit Kugeln geantwortet. Sie lassen uns keine Wahl."
Wie weit Littell seine beiden Tagebücher im Nachhinein doch literarisch "bearbeitet" hat, ist schwer zu sagen. Das meiste wirkt in seiner Nüchternheit und seinem oft schwer erträglichen Realismus völlig authentisch. Von einer "Heroisierung" der Aufständischen, die manche dem Autor vorhalten, konnte der Rezensent nichts entdecken. Nur die Notizen über seine - gelegentlich bizarren - Träume wirken ein wenig wie Fremdkörper.
Manchmal kann er der Versuchung des Schriftstellers, die Ereignisse poetisch zu überhöhen, nicht ganz widerstehen: "Die Sonne geht hinter dem Dschebel unter, die Pfützen im Schlamm glitzern wie blassgelbe Spiegel, der Himmel wird fahler, alles ist blau, braun und grün." Und am Abendhimmel funkeln "der Orion und die Plejaden". Doch eine solche Poetisierung mag als seelisches Antidot zu dem erlebten Grauen menschlich nur allzu verständlich sein.
Als Jonathan Littell mit Hilfe des "Zorns" (Raed blieb noch eine Weile) in die Sicherheit des Libanons zurückkehrte, waren die blutigen Ereignisse der vergangenen zwei Wochen schon Geschichte. Die Armee griff an und legte bis zum März dieses Jahres Baba Amr in Schutt und Asche. Doch die Eskalation des Aufstandes gegen Assads "verdorbenes, sklerotisches und letztendlich zum Sturz verurteiltes Regime", so lautet Littells Fazit, hat dies nicht verhindern können.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
Jonathan Littell: "Notizen aus Homs".
Aus dem Französischen von Dorit Gesa Engelhardt. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2012. 240 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was kann die Literatur leisten, um Krieg verständlich zu machen? Einiges, wie Jonathan Littells "Notizen aus Homs" beweisen.
Anders als in Tunesien, Ägypten, ja selbst in Libyen findet die Arabellion in Syrien seit ihrem Ausbruch im März 2011 fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Daran hat auch die Beobachtermission der Vereinten Nationen nur wenig geändert, denn diese Beobachter waren von Beginn an in ihrem Aktionsradius eingeschränkt. Der französische Schriftsteller Jonathan Littell - mit seinem umstrittenen Monumentalroman "Die Wohlgesinnten" zu einigem Ruhm gekommen - war einer der wenigen, die sich ein knappes Jahr nach Ausbruch des Aufstandes in die Hölle Baschar al Assads gewagt haben.
Im Auftrag der Tageszeitung "Le Monde" ließ sich der Autor über den Libanon nach Homs einschleusen, zusammen mit einem Fotografen, der schon zuvor in Assads Reich gewesen war und in Littells Tagebuch unter dem Namen "Raed" erscheint. Einem zweiten Gewährsmann gibt der Autor den Tarnnamen "Der Zorn" (arabisch al Ghadab). Littell bewegte sich meistens im Schutz und Schatten der Freien Syrischen Armee (FSA); an Ort und Stelle teilte er Leben, Alltag und Entbehrungen der bewaffneten oppositionellen Aufständischen, aber auch der Zivilisten, die schon in jenen Tagen oft am meisten zu leiden hatten.
Sein Aufenthalt war relativ kurz: vom 16. Januar bis zum 2. Februar 2012. Mehr als eine historische Momentaufnahme in diesem nun schon fast anderthalb Jahre währenden Drama können deshalb Littells "Notizen aus Homs" nicht sein. Am Ende seiner Aufzeichnungen ist dem Autor bewusst, dass alles, was er in den zwei Wochen erlebt hatte - und dies war schlimm genug -, noch harmlos gewesen war im Vergleich zu dem, was dann folgte: Am 3. Februar, einen Tag nachdem er Homs in Richtung Libanon wieder verlassen hatte, begann die syrische Armee mit systematischen Bombardierungen insbesondere des Viertels Baba Amr; dort blieb kein Haus heil, von den Toten und Verwundeten gar nicht zu reden. Im Nachwort gedenkt Littell jener Begleiter, die bei der Reinschrift und Drucklegung seiner beiden "carnets" schon nicht mehr am Leben waren.
Doch warum gerade Homs? Zusammen mit der ebenfalls am Nahr al Asi, dem antiken Fluss Orontes, gelegenen Schwesterstadt Hama ist Homs seit langem ein traditionelles Zentrum des Widerstandes gegen das Assad-Regime. Schon vor dreißig Jahren hatten in jener mittelsyrischen Region, die ziemlich genau zwischen der Hauptstadt Damaskus und dem heute heftig umkämpften Aleppo liegt, die Muslimbrüder einen Aufstand gegen Baschars Vater Hafiz al Assad angezettelt, den dieser brutal niederschlagen ließ. Doch dieses Mal gerät der Chronist in einen wirklichen Volksaufstand: "Das Volk will den Sturz Assads", zitiert er einen der Protagonisten. Vom Armenviertel Baba Amr aus wird Littell zum Zeugen der verstörenden Ereignisse. Seine Begegnung mit den zivilen Kämpfern ("Aktivisten"), mit Ärzten, welche die Verwundeten und vom Regime Gefolterten und Verstümmelten in improvisierten Krankenstationen, Hospitälern und Unterständen versorgen, mit ehemaligen Armeeangehörigen, die nicht länger auf das Volk schießen wollen und zur FSA desertierten, zeichnet das Bild einer Schreckenskammer, zu der ganz Syrien geworden ist und in diesen Tagen noch viel mehr wird.
Man fühlt sich bei der Lektüre an das geteilte Beirut der siebziger und achtziger Jahre erinnert: Nur unter Lebensgefahr konnten Littell, der schon aus Kongo, aus Afghanistan, Tschetschenien und Bosnien berichtet hatte, und sein Gefährte Raed andere umkämpfte Stadtviertel wie Khaldije, Bajada oder die Altstadt ("Hier leben viele Christen") aufsuchen: Die direkt auf die alte Zitadelle führende Straße wurde von der Bevölkerung in Scharia al maut (Straße des Todes) umbenannt. Littell notiert die Verbrechen der Armee und der schabbiha, jener alawitischen ursprünglichen Gangster-Miliz, die für zahlreiche Massaker an Zivilisten verantwortlich gemacht wird, detailliert und anhand einzelner, durch ihn nun exakt dokumentierter Fälle. Vor allem die Scharfschützen des Regimes, die nicht davor zurückschrecken, selbst Kinder und Behinderte zu töten, sorgten dafür, dass die Bewohner "seines" Viertels bald zu den Eingeschlossenen von Baba Amr wurden. Auch dies erinnert an das Beirut des Bürgerkrieges; gelegentliche Ausbrüche der Oppositionellen forderten blutigen Tribut.
Die Aufständischen, mit denen der Autor sympathisiert, kommen besser weg, obwohl er auch deren Schattenseiten und gelegentliche Verbrechen nicht verschweigt. Außerhalb von Homs rächen sich etwa die Beduinen an den Alawiten - ihren noch immer virulenten Regeln der Blutrache folgend. "Die Handys sind Museen des Horrors", schreibt Littell, doch er zitiert auch einen Satz von Raed: "Ihr bekämpft Baschar, nur um ihn durch denselben Autoritarismus zu ersetzen ..." Da diskutiert sein Freund und Begleiter mit einem der militärisch Verantwortlichen unter den Rebellen.
Der islamischen Religion kommt eine disziplinierende Kraft zu ("Hier wird der kollektive Wille gefestigt"), so dass Beten und Kämpfen den Rhythmus des Alltags bestimmen. Dies hat eine lange Geschichte im Islam. Gerade während der Begräbnisse der von Snipern Getöteten oder der Folteropfer der Geheimdienste (mukhabarat) eskaliert der Ingrimm gegen das Regime in besonderer Weise, schreckten Assads Schergen doch nicht davor zurück, in die Gemeinden der Trauernden zu feuern.
Littell und sein Begleiter nehmen teil an den Diskussionen über den Fortgang und die Ziele des Aufstands. Soll der Dschihad gegen den "ungläubigen" Alawiten Assad ausgerufen werden? "Sie wollen keinen Aufruf zum Dschihad. Das würde die Krise nur vergrößern. Es würde sie internationalisieren, Saudi-Arabien, Iran etc. mit reinziehen. Lauter ausländische Gruppen würden herkommen und sich bekämpfen", schreibt Littell. Dies ist jedoch inzwischen eingetreten: Saudi-Arabien und andere Länder mischen massiv mit in Syrien, längst ist der Aufstand auch ein Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten geworden. Selbst die dschihadistische, terroristische Al Qaida versucht, durch ihr Engagement auf Seiten der Aufständischen wieder Fuß zu fassen innerhalb der Arabellion, bei deren Ausbruch sie zunächst ins Abseits geraten war. "Sie wollen eine Intervention der Nato", fasst der Autor das Nahziel der Rebellen zusammen; doch die wird wohl nicht kommen.
Viele Bemerkungen, die Littell zitiert, machen deutlich, auf welch schwachen Füßen alle Anstrengungen der Vereinten Nationen, den Konflikt zu befrieden, das heißt, den Präsidenten Baschar al Assad irgendwie in eine "politische Lösung" der politischen Reform und des gesellschaftlichen Ausgleichs einzuspannen, zu diesem Zeitpunkt schon standen. So resümierte Abu Omar, einer der Aktivisten aus dem geschundenen Baba Amr, die Meinung der Rebellen, als er Littell gewissermaßen in den Block diktierte: "Baschar al Assad hat uns keine andere Option als den bewaffneten Konflikt gelassen. Die Demonstrationen, der Dialog, die Kongresse, nichts hat funktioniert. Sie haben immer nur mit Kugeln geantwortet. Sie lassen uns keine Wahl."
Wie weit Littell seine beiden Tagebücher im Nachhinein doch literarisch "bearbeitet" hat, ist schwer zu sagen. Das meiste wirkt in seiner Nüchternheit und seinem oft schwer erträglichen Realismus völlig authentisch. Von einer "Heroisierung" der Aufständischen, die manche dem Autor vorhalten, konnte der Rezensent nichts entdecken. Nur die Notizen über seine - gelegentlich bizarren - Träume wirken ein wenig wie Fremdkörper.
Manchmal kann er der Versuchung des Schriftstellers, die Ereignisse poetisch zu überhöhen, nicht ganz widerstehen: "Die Sonne geht hinter dem Dschebel unter, die Pfützen im Schlamm glitzern wie blassgelbe Spiegel, der Himmel wird fahler, alles ist blau, braun und grün." Und am Abendhimmel funkeln "der Orion und die Plejaden". Doch eine solche Poetisierung mag als seelisches Antidot zu dem erlebten Grauen menschlich nur allzu verständlich sein.
Als Jonathan Littell mit Hilfe des "Zorns" (Raed blieb noch eine Weile) in die Sicherheit des Libanons zurückkehrte, waren die blutigen Ereignisse der vergangenen zwei Wochen schon Geschichte. Die Armee griff an und legte bis zum März dieses Jahres Baba Amr in Schutt und Asche. Doch die Eskalation des Aufstandes gegen Assads "verdorbenes, sklerotisches und letztendlich zum Sturz verurteiltes Regime", so lautet Littells Fazit, hat dies nicht verhindern können.
WOLFGANG GÜNTER LERCH
Jonathan Littell: "Notizen aus Homs".
Aus dem Französischen von Dorit Gesa Engelhardt. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2012. 240 S., geb., 18,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Sonja Zekri hat keinen Zweifel am affirmativen Verhältnis des Autors zum Krieg. Und das ist doch eigentlich ein ganz schöner Hammer! Jonathan Littells ungeschönter Bericht aus Syrien im Kriegszustand allerdings bietet ihr außer ein bisschen Schlachtenlärm und Kriegsverherrlichung, Mut auch, ja, das gibt Zekri zu, nicht allzu viel. Zwei Wochen Homs im Auftrag von Le Monde sind bei Littell vor allem fotorealistisch festgehaltenes Grauen, durchsprengt von einigen lichten Beschreibungsmomenten, dabei viel Redundanz, persönliche Betroffenheit, Husten und Gestammel. Dass Zekri dem nicht immer zu folgen gewillt ist, leuchtet ein. Zekris Fazit: Zeitungsleser sind da besser dran und informierter.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.11.2012Syrien
und Ich
Wie Jonathan Littell in seinen „Notizen aus Homs“
vor der Gewalt des Krieges kapituliert
VON SONJA ZEKRI
Darf man dieses Buch schlecht finden? Bei diesen Risiken? Der Autor war zwei Wochen in Homs, ja sogar: Baba Amr – an Orten also, die einen Klang haben wie einst Beirut und Grosny. Dann die Relevanz: Bürgerkrieg, Freiheitskampf hier, ein verbrecherisches Regime dort. Dazu diese Ehrlichkeit: „Dies ist ein Dokument, kein literarisches Werk“, lautet der erste Satz von Jonathan Littell, der dem Leser damit die „treuestmögliche Transkription“ zweier Notizhefte vorlegt, einen Bericht über „einen kurzen und bereits verschwundenen Moment, der quasi ohne Zeugen von außen stattgefunden hat“. Nun, könnte man sagen, dass gilt ja für die meisten Momente.
Aber davon mal abgesehen: Kann man ein solches Werk ablehnen?
Jonathan Littell hat Syrien vom 16. Januar bis zum 2. Februar 2012 bereist, im Schlepptau des arabischsprachigen französischen Fotografen Mani, und im Auftrag der französischen Zeitung Le Monde, die seine Reportagen in fünf Teilen veröffentlichte. Kurz nach seiner Abreise bombte Präsident Assad Baba Amr in Grund und Boden. Journalisten starben, andere wurden verwundet. Da wirkte Littels Reise noch etwas sensationeller.
Jonathan Littell beschäftigt sich oft mit dem Töten und Sterben, er war in Georgien und Tschetschenien, sein NS-Roman „Die Wohlgesinnten“ war ein umstrittener, stark beachteter Ausflug ins Fiktionale. Aber nun hat ihn die Wirklichkeit wieder. Ihn interessiere nicht der pathologische Killer, hat er gesagt, sondern die organisierte, sozusagen staatliche Mordmaschine. Auf seiner Syrienreise, „embedded bei den Aufständischen der Freien Syrischen Armee“, erlebte er ein beeindruckendes Beispiel von Regime-Gewalt: „Er zeigt mir einen Film, mit Musik hinterlegt, offenbar von YouTube heruntergeladen, auf dem man zwei junge Männer sieht, die in Zahra von ,schabiha‘ gefangenen genommen wurden und bei lebendigem Leib mit einem Messer enthauptet werden. Ein ultradrastischer Film, ein Riesen-Blutgespritze. Die Killer legen die beiden Köpfe auf den Boden und pflanzen das Messer daneben. Der zweite Kopf auf dem Boden zuckt noch, sicher wegen des Blutes.“
Mit so fasziniertem Fotorealismus beschreibt Jonathan Littell nicht nur die Verbrechen der Regierungsmilizen, der „Schabiha“, er beschreibt Folter in Krankenhäusern, Kinder mit durchschnittener Kehle, offene Leiber. So ist der Krieg, so ist Syrien, das ist Splatter, aber das kann man ihm nicht vorwerfen. Und ja, manchmal gelingen ihm kluge Beschreibungen über die Parallelgesellschaften, in der der zerfallende Assad-Staat und eine neue Infrastruktur der Aufständischen mit eigenen Kontrollposten, Kommunikationsnetzen, Anhängern in Militär und Religion einen ähnlichen Ausschließlichkeitsanspruch erheben. Die Ankunft der radikalen Islamisten, auch Al-Qaida-Mitglieder – heute eines der Hauptthemen – scheint auf.
Littell verschweigt nicht die Brutalität der Aufständischen, die sich von der des Regimes inzwischen kaum noch unterscheidet, er beschreibt den Lynchmord an einem Schabiha-Milizionär, dessen Leichnam die Rebellen auf einem Pick-up durch die Straßen fahren, „triumphale Prozession blutiger Rache“. Bevor die Aufständischen den echten Baschar töten, schreibt er, müssen sie erst „den Baschar in ihren Köpfen“ töten. Das trifft das Dilemma ziemlich gut.
Aber das sind kurze Momente, das ist nicht das ganze Buch. Denn Littell, der Literat, der auf das Feld des Reporters wechselt, veröffentlicht, was Journalisten mit gutem Grund für sich behalten: die krausen, ungeordneten, oft redundanten Skizzen einer eindrücklichen Reise. Gewiss, in einer Zeit, in der jeder Blogger das tolle Leben im Bombenhagel an die Lieben daheim twittert, ist die Halbwertzeit von Kriegsgeschichten geringer als zu Zeiten Hemingways und des spanischen Bürgerkriegs, ist der Druck, einen solchen Text herauszubringen, noch etwas größer.
Aber während Littell Authentizität behauptet, klingt manches viel zu elaboriert für eine Notiz im Bombenhagel. Und umgekehrt verwechselt er seinen holpernden Stil mit Dramatik, bis der Leser durch ein Gewitter von Orten und Personennamen irrt, die sich irgendwann in einem spannungslosen Grundrauschen verlieren. „Er war raqib in Deraa, an der Spitze einer kleinen Einheit der Armee. Er hat an einem Massaker an elf Zivilisten bei Laraa, in der Nähe von Deraa, teilgenommen. Der naqib Manhall Sliman hat das Massaker befohlen, zusammen mit dem naqib Randi.“ Was bleibt von solchem Gestolper hängen?
Littell findet keinen Abstand zu sich selbst, zu seiner Rolle als kampferprobter Chronist in einsamer Mission, als wäre die türkische Grenze nicht seit Monaten ein Wanderweg für Journalisten auf dem Weg nach Syrien. Fast so viel wie über den Krieg erfährt der Leser denn auch über den Autor – seine Träume, seinen fiebrigen Husten, seine tröstenden Gespräche mit den Rebellen (über die Untätigkeit des Westens), seine eindrucksvolle Lektüre (Plutarch). Persönliche Betroffenheit kommt derzeit gut an, auch bei Journalistentexten. Zufrieden hält Littell fest: „Es ist seltsam, nach so vielen Jahren mal wieder in einer Bude voller junger Kämpfer und Kalaschnikows zu schlafen.“ Man tut ihm kein Unrecht, wenn man konstatiert: Jonathan Littell hat ein affirmatives Verhältnis zum Krieg.
Aber für den interessierten Zeitungsleser bietet sein Buch kaum Neues. Und für alle anderen dürfte so viel ausgestellte Insiderkenntnis eher anstrengend sein. Dass Littell zudem nicht nur französische und russische, sondern auch englische Zitate im Original wiedergibt, dass er großspurig mit arabischen Begriffen hantiert und am Ende eine Liste syrischer Offiziersränge anfügt, aber manches falsch dekliniert oder falsch übersetzt, wirkt albern.
Gelegentlich, nicht oft, findet er die Distanz zu einer Situation, die eigentlich Empathie erzwingt. Wenn die Kämpfer ihm die Filme ihrer Märtyrer zeigen, „nackt, nur das Geschlecht bedeckt. Großaufnahmen von den Wunden. Zurschaustellung des Märtyrerkörpers“, dann klingt an, was dieses Buch mit etwas weniger Hast hätte werde können: eine Parabel über Gewalt und Pornografie, das Diagramm einer kollektiven Verrohung, es hätte größer, tiefer, überzeitlich werden können.
Der Vietnam-Reporter Michael Herr brauchte Jahre, um seine Aufzeichnungen in Buchform zu bringen, aber sein „Dispatches“ (deutsch unter dem verbrecherisch schlechten Titel „An die Hölle verraten“) wurde aus dem Stand ein Klassiker, denn es traf den Nerv einer Generation von Vietnam- und Rock’n’Roll-Veteranen. Herr gab sich nicht eine Sekunde lang Illusionen über die heroischen Motive von Kriegsreportern hin: „Vietnam“, schrieb er lakonisch, „ist ihr Ersatz für eine glückliche Kindheit.“ Manche der unglücklichen Kinder von heute treffen sich in Syrien.
Fast so viel wie über den Krieg
erfährt der Leser über den Autor
Im Januar und Februar 2012 war Jonathan Littell in Syrien. Danach schrieb er seine „Notizen aus Homs“.
FOTO: AFP
Jonathan Littell: Notizen aus Homs. Aus dem
Französischen von Dorit Gesa Engelhardt. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2012. 240 Seiten, 18,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
und Ich
Wie Jonathan Littell in seinen „Notizen aus Homs“
vor der Gewalt des Krieges kapituliert
VON SONJA ZEKRI
Darf man dieses Buch schlecht finden? Bei diesen Risiken? Der Autor war zwei Wochen in Homs, ja sogar: Baba Amr – an Orten also, die einen Klang haben wie einst Beirut und Grosny. Dann die Relevanz: Bürgerkrieg, Freiheitskampf hier, ein verbrecherisches Regime dort. Dazu diese Ehrlichkeit: „Dies ist ein Dokument, kein literarisches Werk“, lautet der erste Satz von Jonathan Littell, der dem Leser damit die „treuestmögliche Transkription“ zweier Notizhefte vorlegt, einen Bericht über „einen kurzen und bereits verschwundenen Moment, der quasi ohne Zeugen von außen stattgefunden hat“. Nun, könnte man sagen, dass gilt ja für die meisten Momente.
Aber davon mal abgesehen: Kann man ein solches Werk ablehnen?
Jonathan Littell hat Syrien vom 16. Januar bis zum 2. Februar 2012 bereist, im Schlepptau des arabischsprachigen französischen Fotografen Mani, und im Auftrag der französischen Zeitung Le Monde, die seine Reportagen in fünf Teilen veröffentlichte. Kurz nach seiner Abreise bombte Präsident Assad Baba Amr in Grund und Boden. Journalisten starben, andere wurden verwundet. Da wirkte Littels Reise noch etwas sensationeller.
Jonathan Littell beschäftigt sich oft mit dem Töten und Sterben, er war in Georgien und Tschetschenien, sein NS-Roman „Die Wohlgesinnten“ war ein umstrittener, stark beachteter Ausflug ins Fiktionale. Aber nun hat ihn die Wirklichkeit wieder. Ihn interessiere nicht der pathologische Killer, hat er gesagt, sondern die organisierte, sozusagen staatliche Mordmaschine. Auf seiner Syrienreise, „embedded bei den Aufständischen der Freien Syrischen Armee“, erlebte er ein beeindruckendes Beispiel von Regime-Gewalt: „Er zeigt mir einen Film, mit Musik hinterlegt, offenbar von YouTube heruntergeladen, auf dem man zwei junge Männer sieht, die in Zahra von ,schabiha‘ gefangenen genommen wurden und bei lebendigem Leib mit einem Messer enthauptet werden. Ein ultradrastischer Film, ein Riesen-Blutgespritze. Die Killer legen die beiden Köpfe auf den Boden und pflanzen das Messer daneben. Der zweite Kopf auf dem Boden zuckt noch, sicher wegen des Blutes.“
Mit so fasziniertem Fotorealismus beschreibt Jonathan Littell nicht nur die Verbrechen der Regierungsmilizen, der „Schabiha“, er beschreibt Folter in Krankenhäusern, Kinder mit durchschnittener Kehle, offene Leiber. So ist der Krieg, so ist Syrien, das ist Splatter, aber das kann man ihm nicht vorwerfen. Und ja, manchmal gelingen ihm kluge Beschreibungen über die Parallelgesellschaften, in der der zerfallende Assad-Staat und eine neue Infrastruktur der Aufständischen mit eigenen Kontrollposten, Kommunikationsnetzen, Anhängern in Militär und Religion einen ähnlichen Ausschließlichkeitsanspruch erheben. Die Ankunft der radikalen Islamisten, auch Al-Qaida-Mitglieder – heute eines der Hauptthemen – scheint auf.
Littell verschweigt nicht die Brutalität der Aufständischen, die sich von der des Regimes inzwischen kaum noch unterscheidet, er beschreibt den Lynchmord an einem Schabiha-Milizionär, dessen Leichnam die Rebellen auf einem Pick-up durch die Straßen fahren, „triumphale Prozession blutiger Rache“. Bevor die Aufständischen den echten Baschar töten, schreibt er, müssen sie erst „den Baschar in ihren Köpfen“ töten. Das trifft das Dilemma ziemlich gut.
Aber das sind kurze Momente, das ist nicht das ganze Buch. Denn Littell, der Literat, der auf das Feld des Reporters wechselt, veröffentlicht, was Journalisten mit gutem Grund für sich behalten: die krausen, ungeordneten, oft redundanten Skizzen einer eindrücklichen Reise. Gewiss, in einer Zeit, in der jeder Blogger das tolle Leben im Bombenhagel an die Lieben daheim twittert, ist die Halbwertzeit von Kriegsgeschichten geringer als zu Zeiten Hemingways und des spanischen Bürgerkriegs, ist der Druck, einen solchen Text herauszubringen, noch etwas größer.
Aber während Littell Authentizität behauptet, klingt manches viel zu elaboriert für eine Notiz im Bombenhagel. Und umgekehrt verwechselt er seinen holpernden Stil mit Dramatik, bis der Leser durch ein Gewitter von Orten und Personennamen irrt, die sich irgendwann in einem spannungslosen Grundrauschen verlieren. „Er war raqib in Deraa, an der Spitze einer kleinen Einheit der Armee. Er hat an einem Massaker an elf Zivilisten bei Laraa, in der Nähe von Deraa, teilgenommen. Der naqib Manhall Sliman hat das Massaker befohlen, zusammen mit dem naqib Randi.“ Was bleibt von solchem Gestolper hängen?
Littell findet keinen Abstand zu sich selbst, zu seiner Rolle als kampferprobter Chronist in einsamer Mission, als wäre die türkische Grenze nicht seit Monaten ein Wanderweg für Journalisten auf dem Weg nach Syrien. Fast so viel wie über den Krieg erfährt der Leser denn auch über den Autor – seine Träume, seinen fiebrigen Husten, seine tröstenden Gespräche mit den Rebellen (über die Untätigkeit des Westens), seine eindrucksvolle Lektüre (Plutarch). Persönliche Betroffenheit kommt derzeit gut an, auch bei Journalistentexten. Zufrieden hält Littell fest: „Es ist seltsam, nach so vielen Jahren mal wieder in einer Bude voller junger Kämpfer und Kalaschnikows zu schlafen.“ Man tut ihm kein Unrecht, wenn man konstatiert: Jonathan Littell hat ein affirmatives Verhältnis zum Krieg.
Aber für den interessierten Zeitungsleser bietet sein Buch kaum Neues. Und für alle anderen dürfte so viel ausgestellte Insiderkenntnis eher anstrengend sein. Dass Littell zudem nicht nur französische und russische, sondern auch englische Zitate im Original wiedergibt, dass er großspurig mit arabischen Begriffen hantiert und am Ende eine Liste syrischer Offiziersränge anfügt, aber manches falsch dekliniert oder falsch übersetzt, wirkt albern.
Gelegentlich, nicht oft, findet er die Distanz zu einer Situation, die eigentlich Empathie erzwingt. Wenn die Kämpfer ihm die Filme ihrer Märtyrer zeigen, „nackt, nur das Geschlecht bedeckt. Großaufnahmen von den Wunden. Zurschaustellung des Märtyrerkörpers“, dann klingt an, was dieses Buch mit etwas weniger Hast hätte werde können: eine Parabel über Gewalt und Pornografie, das Diagramm einer kollektiven Verrohung, es hätte größer, tiefer, überzeitlich werden können.
Der Vietnam-Reporter Michael Herr brauchte Jahre, um seine Aufzeichnungen in Buchform zu bringen, aber sein „Dispatches“ (deutsch unter dem verbrecherisch schlechten Titel „An die Hölle verraten“) wurde aus dem Stand ein Klassiker, denn es traf den Nerv einer Generation von Vietnam- und Rock’n’Roll-Veteranen. Herr gab sich nicht eine Sekunde lang Illusionen über die heroischen Motive von Kriegsreportern hin: „Vietnam“, schrieb er lakonisch, „ist ihr Ersatz für eine glückliche Kindheit.“ Manche der unglücklichen Kinder von heute treffen sich in Syrien.
Fast so viel wie über den Krieg
erfährt der Leser über den Autor
Im Januar und Februar 2012 war Jonathan Littell in Syrien. Danach schrieb er seine „Notizen aus Homs“.
FOTO: AFP
Jonathan Littell: Notizen aus Homs. Aus dem
Französischen von Dorit Gesa Engelhardt. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2012. 240 Seiten, 18,90 Euro.
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