Bürger und Soldaten 1918 erzählt von den ersten Tagen nach der Ausrufung einer deutschen Republik, von einer historischen Übergangszeit also, in der noch alles möglich scheint. Im Zentrum der Handlung steht der schwer verwundete Kriegsheimkehrer und Altphilologe Friedrich Becker, der, vom Ersten Weltkrieg tief verstört, nach dem Sinn seines Lebens und der Möglichkeit dauerhaften Friedens fragt.
»Mit diesem monumentalen Exilwerk zog Döblin die Summe seines Schaffens auf dem Gebiet des historischen Romans.«
Gabriele Sander,
Kindlers Literatur Lexikon
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Und es war November
"Sie hatte es sich anders vorgestellt" - mit diesen Worten von Hölderlinschem Gewicht und neorealistischer Simplizität beginnt Alfred Döblins fulminanter Roman "Karl und Rosa", der vierte und letzte Teil seiner großen "November 1918"-Apologie. Anders vorgestellt: Statt zu einer holländischen Frauenkonferenz nämlich führt Rosa Luxemburgs Reise im Februar 1915 schnurstracks ins Berliner "Weibergefängnis Barnimstraße". Im Jahr 1916 kommt sie wieder frei, nur um kurz danach erneut gefasst zu werden. Jetzt wird ihr tragische Anerkennung zuteil: "Diesmal meint man es so ernst, wie sie es selber gemeint hatte." Es ist also im Gefängnis, wo Rosa im November 1917 die Nachricht erreicht, dass ihr Geliebter, Hannes Düsterberg (der im wahren Leben Hans Diefenbach hieß), gefallen ist. Das wäre ein mögliches Ende dieser Geschichte, ein tragisches Ende wie so viele - literarisch gäbe es gerade vier Seiten her. Doch dann wäre diese Frau eben nicht Rosa Luxemburg, wäre ein epischer Revolutionär wie Döblin, geschickter Arrangeur gebirgshoch sich auftürmender Materialmassen, kaum daran interessiert, weitere achthundert Seiten folgen zu lassen. "Aber ihr Leben ist noch nicht zu Ende. Es wird noch vieles möglich sein." Und doch könnte der erste Satz als Motto der gesamten Tetralogie gelten, des wohl bedeutendsten Werks der deutschen Exilliteratur. Nicht nur vom Scheitern der Revolution, vom Scheitern der Idee des Politischen handelt es. Larmoyant ist das keineswegs, sondern eine narrativ-monumentale Reklamation der Geschichte, Gegendiskurs im neusachlichen Konjunktiv. Sehr zu begrüßen ist, dass der Fischer-Verlag zum neunzigsten Jahrestag der Revolution eine schöne, gebundene und bezahlbare Neuausgabe herausgebracht hat. Für ein angemessenes Nachwort hätte es aber doch reichen sollen. Stattdessen wurde der knapp zweiseitige Artikel aus dem "Kindler" abgedruckt - und das gleich viermal. (Alfred Döblin: "November 1918. Eine deutsche Revolution". 4 Bde. "Bürger und Soldaten 1918" / "Verratenes Volk" / "Heimkehr der Fronttruppen" / "Karl und Rosa". S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008. 416 S. / 492 S. / 576 S. / 784 S., geb., 17,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 19,90 [Euro].) oju
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Sie hatte es sich anders vorgestellt" - mit diesen Worten von Hölderlinschem Gewicht und neorealistischer Simplizität beginnt Alfred Döblins fulminanter Roman "Karl und Rosa", der vierte und letzte Teil seiner großen "November 1918"-Apologie. Anders vorgestellt: Statt zu einer holländischen Frauenkonferenz nämlich führt Rosa Luxemburgs Reise im Februar 1915 schnurstracks ins Berliner "Weibergefängnis Barnimstraße". Im Jahr 1916 kommt sie wieder frei, nur um kurz danach erneut gefasst zu werden. Jetzt wird ihr tragische Anerkennung zuteil: "Diesmal meint man es so ernst, wie sie es selber gemeint hatte." Es ist also im Gefängnis, wo Rosa im November 1917 die Nachricht erreicht, dass ihr Geliebter, Hannes Düsterberg (der im wahren Leben Hans Diefenbach hieß), gefallen ist. Das wäre ein mögliches Ende dieser Geschichte, ein tragisches Ende wie so viele - literarisch gäbe es gerade vier Seiten her. Doch dann wäre diese Frau eben nicht Rosa Luxemburg, wäre ein epischer Revolutionär wie Döblin, geschickter Arrangeur gebirgshoch sich auftürmender Materialmassen, kaum daran interessiert, weitere achthundert Seiten folgen zu lassen. "Aber ihr Leben ist noch nicht zu Ende. Es wird noch vieles möglich sein." Und doch könnte der erste Satz als Motto der gesamten Tetralogie gelten, des wohl bedeutendsten Werks der deutschen Exilliteratur. Nicht nur vom Scheitern der Revolution, vom Scheitern der Idee des Politischen handelt es. Larmoyant ist das keineswegs, sondern eine narrativ-monumentale Reklamation der Geschichte, Gegendiskurs im neusachlichen Konjunktiv. Sehr zu begrüßen ist, dass der Fischer-Verlag zum neunzigsten Jahrestag der Revolution eine schöne, gebundene und bezahlbare Neuausgabe herausgebracht hat. Für ein angemessenes Nachwort hätte es aber doch reichen sollen. Stattdessen wurde der knapp zweiseitige Artikel aus dem "Kindler" abgedruckt - und das gleich viermal. (Alfred Döblin: "November 1918. Eine deutsche Revolution". 4 Bde. "Bürger und Soldaten 1918" / "Verratenes Volk" / "Heimkehr der Fronttruppen" / "Karl und Rosa". S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008. 416 S. / 492 S. / 576 S. / 784 S., geb., 17,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 19,90 [Euro].) oju
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.11.2008Und es war November
"Sie hatte es sich anders vorgestellt" - mit diesen Worten von Hölderlinschem Gewicht und neorealistischer Simplizität beginnt Alfred Döblins fulminanter Roman "Karl und Rosa", der vierte und letzte Teil seiner großen "November 1918"-Apologie. Anders vorgestellt: Statt zu einer holländischen Frauenkonferenz nämlich führt Rosa Luxemburgs Reise im Februar 1915 schnurstracks ins Berliner "Weibergefängnis Barnimstraße". Im Jahr 1916 kommt sie wieder frei, nur um kurz danach erneut gefasst zu werden. Jetzt wird ihr tragische Anerkennung zuteil: "Diesmal meint man es so ernst, wie sie es selber gemeint hatte." Es ist also im Gefängnis, wo Rosa im November 1917 die Nachricht erreicht, dass ihr Geliebter, Hannes Düsterberg (der im wahren Leben Hans Diefenbach hieß), gefallen ist. Das wäre ein mögliches Ende dieser Geschichte, ein tragisches Ende wie so viele - literarisch gäbe es gerade vier Seiten her. Doch dann wäre diese Frau eben nicht Rosa Luxemburg, wäre ein epischer Revolutionär wie Döblin, geschickter Arrangeur gebirgshoch sich auftürmender Materialmassen, kaum daran interessiert, weitere achthundert Seiten folgen zu lassen. "Aber ihr Leben ist noch nicht zu Ende. Es wird noch vieles möglich sein." Und doch könnte der erste Satz als Motto der gesamten Tetralogie gelten, des wohl bedeutendsten Werks der deutschen Exilliteratur. Nicht nur vom Scheitern der Revolution, vom Scheitern der Idee des Politischen handelt es. Larmoyant ist das keineswegs, sondern eine narrativ-monumentale Reklamation der Geschichte, Gegendiskurs im neusachlichen Konjunktiv. Sehr zu begrüßen ist, dass der Fischer-Verlag zum neunzigsten Jahrestag der Revolution eine schöne, gebundene und bezahlbare Neuausgabe herausgebracht hat. Für ein angemessenes Nachwort hätte es aber doch reichen sollen. Stattdessen wurde der knapp zweiseitige Artikel aus dem "Kindler" abgedruckt - und das gleich viermal. (Alfred Döblin: "November 1918. Eine deutsche Revolution". 4 Bde. "Bürger und Soldaten 1918" / "Verratenes Volk" / "Heimkehr der Fronttruppen" / "Karl und Rosa". S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008. 416 S. / 492 S. / 576 S. / 784 S., geb., 17,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 19,90 [Euro].) oju
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"Sie hatte es sich anders vorgestellt" - mit diesen Worten von Hölderlinschem Gewicht und neorealistischer Simplizität beginnt Alfred Döblins fulminanter Roman "Karl und Rosa", der vierte und letzte Teil seiner großen "November 1918"-Apologie. Anders vorgestellt: Statt zu einer holländischen Frauenkonferenz nämlich führt Rosa Luxemburgs Reise im Februar 1915 schnurstracks ins Berliner "Weibergefängnis Barnimstraße". Im Jahr 1916 kommt sie wieder frei, nur um kurz danach erneut gefasst zu werden. Jetzt wird ihr tragische Anerkennung zuteil: "Diesmal meint man es so ernst, wie sie es selber gemeint hatte." Es ist also im Gefängnis, wo Rosa im November 1917 die Nachricht erreicht, dass ihr Geliebter, Hannes Düsterberg (der im wahren Leben Hans Diefenbach hieß), gefallen ist. Das wäre ein mögliches Ende dieser Geschichte, ein tragisches Ende wie so viele - literarisch gäbe es gerade vier Seiten her. Doch dann wäre diese Frau eben nicht Rosa Luxemburg, wäre ein epischer Revolutionär wie Döblin, geschickter Arrangeur gebirgshoch sich auftürmender Materialmassen, kaum daran interessiert, weitere achthundert Seiten folgen zu lassen. "Aber ihr Leben ist noch nicht zu Ende. Es wird noch vieles möglich sein." Und doch könnte der erste Satz als Motto der gesamten Tetralogie gelten, des wohl bedeutendsten Werks der deutschen Exilliteratur. Nicht nur vom Scheitern der Revolution, vom Scheitern der Idee des Politischen handelt es. Larmoyant ist das keineswegs, sondern eine narrativ-monumentale Reklamation der Geschichte, Gegendiskurs im neusachlichen Konjunktiv. Sehr zu begrüßen ist, dass der Fischer-Verlag zum neunzigsten Jahrestag der Revolution eine schöne, gebundene und bezahlbare Neuausgabe herausgebracht hat. Für ein angemessenes Nachwort hätte es aber doch reichen sollen. Stattdessen wurde der knapp zweiseitige Artikel aus dem "Kindler" abgedruckt - und das gleich viermal. (Alfred Döblin: "November 1918. Eine deutsche Revolution". 4 Bde. "Bürger und Soldaten 1918" / "Verratenes Volk" / "Heimkehr der Fronttruppen" / "Karl und Rosa". S. Fischer Verlag, Frankfurt 2008. 416 S. / 492 S. / 576 S. / 784 S., geb., 17,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 18,90 [Euro] / 19,90 [Euro].) oju
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Als Werk, das in seiner Form Maßstäbe sprengt und im Inhalt eine Synthese der missglückten deutschen Revolution des Jahrs 1918 versucht, preist Rezensent Jan Süselbeck diese Neuausgabe des späten Texts von Alfred Döblin. Dessen eigene Lage war, wie Süselbeck hinzuzufügen für nötig hält, zur Zeit der Niederschrift in den späten dreißiger, dann den vierziger Jahren, mehr als schwierig. Auf der Flucht vor Hitler, in Frankreich erst, dann in den USA, ohne Geld. Das 2000-Seiten-Werk, das auch die Gattungsbezeichnung Roman hinter sich lässt, versucht sich an einer Analyse der deutschen Gesellschaft des Nachkriegs. In real existierende Protagonisten wie Friedrich Ebert, Rosa Luxemburg, aber auch Mitglieder der rechten Freikorps imaginiert Döblin sich, auf keine Perspektive festgelegt, hinein. Nur bewundern kann der Rezensent dieses Einfühlungs- und Eindenkungsvermögen. Die Form des Buchs, fügt er hinzu, nehme sich neben dem biederen "Neorealismus" heutiger Literaten wie Tellkamp, Schulze und so weiter erst recht so radikal aus, wie sie es damals schon war.
© Perlentaucher Medien GmbH
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S. Fischer hat es mit den Jahren geschafft, sogar eine literarische Nischenexistenz wie [...] Kafka zum Bestsellerautor zu machen. Nun ist endlich Döblin an der Reihe. Michael Bienert Stuttgarter Zeitung 20081218