James Lovelock, der einflussreichste Ökodenker unserer Zeit, hat mit 100 Jahren eine staunenswerte Theorie über das zukünftige Leben auf dem Planeten Erde vorgelegt. Er begründet darin, warum wir an der Schwelle eines ganz neuen Zeitalters stehen. Vor uns liegt das Novozän: das Zeitalter der Hyperintelligenz.
Schon sehr bald wird aus der künstlichen Intelligenz eine neue Art von Lebewesen hervorgehen: Cyborgs, die 10 000 mal schneller sein werden als wir. Unsere Lebensform wird ihnen ähnlich entwickelt erscheinen wie uns die Pflanzenwelt. Doch diese Intelligenz wird vermutlich nicht von jener grausamen Art sein, die wir aus den Science-Fiction-Spektakeln aus Hollywood kennen. Denn auch sie wird von dem Überleben unseres Planeten abhängen und sich der großen Klimakatastrophe stellen müssen, die auf uns zurollt. Cyborgs könnten in Wahrheit unsere letzte Rettung sein. Doch das ist längst nicht alles: Der große ökologische Visionär James Lovelock hat mit 100 Jahren einen Blickin unsere Zukunft geworfen und ein weises und höchst originelles Buch geschrieben, in dem es keinen einzigen langweiligen Satz gibt.
Schon sehr bald wird aus der künstlichen Intelligenz eine neue Art von Lebewesen hervorgehen: Cyborgs, die 10 000 mal schneller sein werden als wir. Unsere Lebensform wird ihnen ähnlich entwickelt erscheinen wie uns die Pflanzenwelt. Doch diese Intelligenz wird vermutlich nicht von jener grausamen Art sein, die wir aus den Science-Fiction-Spektakeln aus Hollywood kennen. Denn auch sie wird von dem Überleben unseres Planeten abhängen und sich der großen Klimakatastrophe stellen müssen, die auf uns zurollt. Cyborgs könnten in Wahrheit unsere letzte Rettung sein. Doch das ist längst nicht alles: Der große ökologische Visionär James Lovelock hat mit 100 Jahren einen Blickin unsere Zukunft geworfen und ein weises und höchst originelles Buch geschrieben, in dem es keinen einzigen langweiligen Satz gibt.
"Eine große Lektion in Demut und Furchtlosigkeit"
Jens-Christian Raabe, Süddeutsche Zeitung
"Apokalyptische Visionen sind ihm fremd ... Angst ist ein schlechter Ratgeber. Lovelock spekuliert über Hyperintelligenzen, Photonen, Energie und Telepathie und sagt dabei mit jedem Satz: Komm ins Offene."
Angelika Kehlhammer, ttt
"Dieser vermutlich letzte Universalwissenschaftler unseres Planeten ... argumentiert mit bestechender Klarheit."
Jo Schilling, Technology Review
"James Lovelock ist ein Wunder."
Frankfurter Rundschau
Jens-Christian Raabe, Süddeutsche Zeitung
"Apokalyptische Visionen sind ihm fremd ... Angst ist ein schlechter Ratgeber. Lovelock spekuliert über Hyperintelligenzen, Photonen, Energie und Telepathie und sagt dabei mit jedem Satz: Komm ins Offene."
Angelika Kehlhammer, ttt
"Dieser vermutlich letzte Universalwissenschaftler unseres Planeten ... argumentiert mit bestechender Klarheit."
Jo Schilling, Technology Review
"James Lovelock ist ein Wunder."
Frankfurter Rundschau
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2020Können Intelligenzen uns noch retten?
Der hundertjährige Gaia-Künder James Lovelock preist das Anthropozän - und das Novozän, in dem KI uns beherrscht
Das Anthropozän hat das Bild des Menschen von sich selbst nicht gerade aufgehellt. Dass seine Hervorbringungen dazu in der Lage sind, die Erdgeschichte nicht bloß zu beeinflussen, sondern womöglich auch zu beenden, wirft ein düsteres Licht zurück auf die Rolle, die dieses Wesen im Weltganzen spielt; mittlerweile scheint es sich weniger als Krone denn als Fluch des Kosmos zu sehen, und entsprechend bedrückt ist der Ton, mit dem es über sich und seine Zukunft spricht.
Jetzt aber erscheint das Buch eines hundertjährigen Forschers, das alle vertrauten Kategorien durcheinanderwirbelt und das die dräuende Menschheitsdämmerung der Verfremdung einer unfassbaren Heiterkeit und Zuversicht unterzieht. Und das dies keineswegs um den Preis einer Leugnung oder Verharmlosung der Gefahren tut, die der Mensch selber heraufbeschworen hat, sondern das die Dramatik der bevorstehenden Umbrüche eher noch zuspitzt. Der Autor des Buchs, der britische Geochemiker James Lovelock, hatte schon 1965 den Klimawandel als das vordringliche Thema vorausgesagt; in den siebziger Jahren ist er als Schöpfer eines von ihm nach der altgriechischen Gottheit "Gaia" benannten Konzepts hervorgetreten, demzufolge die Erde und deren Biosphäre einen einzigen lebenden Organismus darstellen, den vor allem seine Fähigkeit zur Selbstregulierung auszeichne. Unter Naturwissenschaftlern stieß die Hypothese auf Kritik, doch bis heute hält die Anziehungskraft an, die sie auf Klimaforscher und systemisch denkende Theoretiker wie den französischen Soziologen Bruno Latour ausübt.
Die Pointe von Lovelocks neuem Buch ist, dass es auch die technischen Erzeugnisse der Menschen in sein Konzept von sich selbst regenerierendem Leben einschließt und in ihnen daher nicht nur das Problem, sondern auch die Rettung des Planeten sieht. Was für ihn die Maschinen und die organische Natur miteinander verbindet, ist die Intelligenz, auf die beide hinausliefen. An einer Stelle des Buchs formuliert er die darin steckende Teleologie ganz ausdrücklich: "Das Ziel des Kosmos ist es, intelligentes Leben hervorzubringen und zu erhalten."
Aus einer solchen Perspektive ist es dann kein Widerspruch, ein Loblied sowohl auf die Natur und den Menschen in seiner erkennenden und fühlenden Kraft als auch auf die Künstliche Intelligenz anzustimmen, die ebendiesen Menschen gemäß Lovelocks Erwartung in der nahen Zukunft des das Anthropozän ablösenden "Novozäns" ins Abseits stellen wird. "Nur durch uns ist der Kosmos zur Selbsterkenntnis erwacht", jubelt er auf der einen Seite die Menschen hoch, um dann auf der anderen auch deren mögliches Verschwinden nicht für eine Katastrophe zu halten: "So wie wir das Verlöschen unserer Vorgängerspezies nicht beweinen, so denke ich mir, werden die Cyborgs auch nicht gramerfüllt sein, wenn die Menschen sterben." Lovelock setzt darauf, dass sich die beiden derzeit schlimmsten Befürchtungen der Gattung, der Klimawandel und die Entfesselung der Künstlichen Intelligenz, in ihren Wirkungen gegenseitig aufheben werden: Die allen gemeinsame Bedrohung der Erde durch deren Erwärmung würde den sich selbst reproduzierenden intelligenten Maschinen ein ausreichendes Motiv geben, mit ihren menschlichen Erzeugern gemeinsame Sache zu machen, statt sich gegen sie zu wenden; und ihre die Möglichkeiten des Menschen um ein Vielfaches übersteigende Intelligenz mache es wahrscheinlich, dass ihnen die Rettung des Planeten tatsächlich gelingen werde - etwa indem sie hitzereflektierende Spiegel im All installieren. Allerdings rechnet Lovelock damit, dass die Menschen auch im besten Fall vom Zentrum des Geschehens an den Rand treten werden; den intelligenten Maschinen, die die Geschichte künftig vorantreiben, würden sie in ihrer Langsamkeit "wahrscheinlich vorkommen wie Pflanzen".
All diese vermeintlichen Unvereinbarkeiten haben ihren Ursprung offenkundig im Autor selbst: einem Forscher mit Ingenieurs-Leidenschaften voller Empathie und Poesie, einem Hymniker des Lebens und der Maschinenwelt gleichermaßen. Seit den vierziger Jahren hat der 1919 im britischen Letchworth Garden City geborene Mediziner, Chemiker und Biophysiker immer wieder bedeutende Erfindungen gemacht, seien es die Instrumente zur Analyse extraterrestrischer Atmosphären, die er im Auftrag der Nasa entwickelte, oder der Elektroneneinfangdetektor, mit dem sich die Verbreitung von FCKW in der Erdatmosphäre messen lässt. Er sieht sich selbst als Erfinder, für den die Intuition mindestens genauso wichtig gewesen sei wie die lineare Rationalität - und das kann wohl etwas erklären, weshalb er zu technischen Schöpfungen eine ähnlich schwärmerische Nähe empfinden kann wie zu deren Schöpfern. Konstruieren und Erkennen fallen für ihn zuletzt in eins - diese Ingenieursmentalität erklärt seinen Glauben an eine Zielgerichtetheit des Universums, an dessen Ende erst ein Geist steht, der ihm einen Sinn gibt, indem er es erkennt. So ist für ihn auch das Anthropozän ein Ergebnis der Evolution, ein "Ausdruck der Natur" und insofern zu bejahen. Und mehr noch: "Mein letztes Wort zum Anthropozän ist ein Freudenschrei - Freude angesichts der ungeheuren Erweiterung unseres Wissens über die Welt und den Kosmos, die dieses Zeitalter hervorgebracht hat. Es ist großartig, in einer Zeit zu leben, in der es möglich war, ein Bewusstsein für Gaia zu entwickeln."
Mit großer Leichtigkeit, ja Beschwingtheit durcheilt Lovelock, unterstützt von dem Journalisten Bryan Appleyard, in kurzen Kapiteln die 13,8 Milliarden Jahre des Kosmos. Immer wieder blitzt dabei auch ein Humor auf, der vom eigenen Alter graziös die Lizenz ableitet, über die Beschwerden der in die Jahre gekommenen Erde mit einer gewissen familiären Vertrautheit zu reden. "Wie Menschen werden auch Planeten mit dem Alter gebrechlich", schreibt er an einer Stelle: "Wenn alles gutgeht, können Gaia und ich eine produktive und angenehme Zeit des Niedergangs erwarten - aber Menschen können tödliche Unfälle haben, und Planeten ebenso." Das ist auch der Grund dafür, dass er sich trotz der von ihm angenommenen Regenerationsfähigkeit des Klimas dafür einsetzt, die Erde so kühl wie möglich zu halten - sonst könnte der alt gewordene Planet bei Katastrophen wie einem Asterioidenaufprall zu verwundbar sein.
Doch wie bei vielen anderen Kündern der "Singularität", des Moments, in dem die intelligenten Maschinen sich von ihren Schöpfern unabhängig machen und sich selbständig programmieren und weiterentwickeln, gibt es eine entscheidende logische Schwachstelle in dem Buch. Lovelock macht am Beispiel von AlphaGo Zero plausibel, wie dieser Moment aussehen könnte: So wie der Go-Computer nur noch mit sich selbst spielt, könnten die Apparate durch das bloße Von-sich-selbst-Lernen mit einem enormen Tempo dem menschlichen Fassungsvermögen enteilen. Aber Lovelock erklärt nicht, wie die Maschinen in diesem Prozess das Bewusstsein von sich selbst erwerben würden, das er ihnen wie selbstverständlich zuschreibt. Er personalisiert die Apparate durchweg als "Cyborgs" - was schon ein unüblicher Sprachgebrauch ist, da damit sonst meist Mischwesen aus Mensch und künstlichen Bauteilen bezeichnet werden. Woher aber sollen der Wille und das Selbstbewusstsein bei den Maschinen kommen, die die Voraussetzung dafür wären, dass man ihnen überhaupt ein eigenes Handeln zuschreibt? Entsprechend willkürlich wirkt denn auch die Einfügung der Computerwesen in die Evolution, die sich bislang durch Selektion und nicht durch Konstruktion vollzogen hat.
Beklemmend realistisch erscheint dagegen das politische Szenario, in dem Lovelock eine Entwicklung von Computern für wahrscheinlich hält, die dem Menschen planmäßig entgleiten: im Rahmen militärischer Zwecke nämlich, als "letale autonome Waffensysteme". Da entschwindet die übliche Selbstberuhigung, im Notfall könne man ja immer noch den Stecker ziehen - wenn die eine Kriegspartei der anderen schaden will, wird sie eben dies nicht tun. Und es entschwindet leider auch die freundliche Vision einer Intelligenz, die so umfassend groß ist, dass sie gar nicht anders kann, als sich um das Überleben des Ganzen zu sorgen. Die pure Intelligenz erscheint da eher wie eine loose cannon, an deren Unberechenbarkeit Menschen ein Interesse haben können. So schnell entlässt sie die zurückbleibenden Menschen nicht aus der Verantwortung, was mit dem Planeten geschieht.
MARK SIEMONS.
James Lovelock mit Bryan Appleyard: "Novozän. Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz." Aus dem Englischen von Annabel Zettel. Verlag C.H. Beck, 160 Seiten, 18 Euro
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Der hundertjährige Gaia-Künder James Lovelock preist das Anthropozän - und das Novozän, in dem KI uns beherrscht
Das Anthropozän hat das Bild des Menschen von sich selbst nicht gerade aufgehellt. Dass seine Hervorbringungen dazu in der Lage sind, die Erdgeschichte nicht bloß zu beeinflussen, sondern womöglich auch zu beenden, wirft ein düsteres Licht zurück auf die Rolle, die dieses Wesen im Weltganzen spielt; mittlerweile scheint es sich weniger als Krone denn als Fluch des Kosmos zu sehen, und entsprechend bedrückt ist der Ton, mit dem es über sich und seine Zukunft spricht.
Jetzt aber erscheint das Buch eines hundertjährigen Forschers, das alle vertrauten Kategorien durcheinanderwirbelt und das die dräuende Menschheitsdämmerung der Verfremdung einer unfassbaren Heiterkeit und Zuversicht unterzieht. Und das dies keineswegs um den Preis einer Leugnung oder Verharmlosung der Gefahren tut, die der Mensch selber heraufbeschworen hat, sondern das die Dramatik der bevorstehenden Umbrüche eher noch zuspitzt. Der Autor des Buchs, der britische Geochemiker James Lovelock, hatte schon 1965 den Klimawandel als das vordringliche Thema vorausgesagt; in den siebziger Jahren ist er als Schöpfer eines von ihm nach der altgriechischen Gottheit "Gaia" benannten Konzepts hervorgetreten, demzufolge die Erde und deren Biosphäre einen einzigen lebenden Organismus darstellen, den vor allem seine Fähigkeit zur Selbstregulierung auszeichne. Unter Naturwissenschaftlern stieß die Hypothese auf Kritik, doch bis heute hält die Anziehungskraft an, die sie auf Klimaforscher und systemisch denkende Theoretiker wie den französischen Soziologen Bruno Latour ausübt.
Die Pointe von Lovelocks neuem Buch ist, dass es auch die technischen Erzeugnisse der Menschen in sein Konzept von sich selbst regenerierendem Leben einschließt und in ihnen daher nicht nur das Problem, sondern auch die Rettung des Planeten sieht. Was für ihn die Maschinen und die organische Natur miteinander verbindet, ist die Intelligenz, auf die beide hinausliefen. An einer Stelle des Buchs formuliert er die darin steckende Teleologie ganz ausdrücklich: "Das Ziel des Kosmos ist es, intelligentes Leben hervorzubringen und zu erhalten."
Aus einer solchen Perspektive ist es dann kein Widerspruch, ein Loblied sowohl auf die Natur und den Menschen in seiner erkennenden und fühlenden Kraft als auch auf die Künstliche Intelligenz anzustimmen, die ebendiesen Menschen gemäß Lovelocks Erwartung in der nahen Zukunft des das Anthropozän ablösenden "Novozäns" ins Abseits stellen wird. "Nur durch uns ist der Kosmos zur Selbsterkenntnis erwacht", jubelt er auf der einen Seite die Menschen hoch, um dann auf der anderen auch deren mögliches Verschwinden nicht für eine Katastrophe zu halten: "So wie wir das Verlöschen unserer Vorgängerspezies nicht beweinen, so denke ich mir, werden die Cyborgs auch nicht gramerfüllt sein, wenn die Menschen sterben." Lovelock setzt darauf, dass sich die beiden derzeit schlimmsten Befürchtungen der Gattung, der Klimawandel und die Entfesselung der Künstlichen Intelligenz, in ihren Wirkungen gegenseitig aufheben werden: Die allen gemeinsame Bedrohung der Erde durch deren Erwärmung würde den sich selbst reproduzierenden intelligenten Maschinen ein ausreichendes Motiv geben, mit ihren menschlichen Erzeugern gemeinsame Sache zu machen, statt sich gegen sie zu wenden; und ihre die Möglichkeiten des Menschen um ein Vielfaches übersteigende Intelligenz mache es wahrscheinlich, dass ihnen die Rettung des Planeten tatsächlich gelingen werde - etwa indem sie hitzereflektierende Spiegel im All installieren. Allerdings rechnet Lovelock damit, dass die Menschen auch im besten Fall vom Zentrum des Geschehens an den Rand treten werden; den intelligenten Maschinen, die die Geschichte künftig vorantreiben, würden sie in ihrer Langsamkeit "wahrscheinlich vorkommen wie Pflanzen".
All diese vermeintlichen Unvereinbarkeiten haben ihren Ursprung offenkundig im Autor selbst: einem Forscher mit Ingenieurs-Leidenschaften voller Empathie und Poesie, einem Hymniker des Lebens und der Maschinenwelt gleichermaßen. Seit den vierziger Jahren hat der 1919 im britischen Letchworth Garden City geborene Mediziner, Chemiker und Biophysiker immer wieder bedeutende Erfindungen gemacht, seien es die Instrumente zur Analyse extraterrestrischer Atmosphären, die er im Auftrag der Nasa entwickelte, oder der Elektroneneinfangdetektor, mit dem sich die Verbreitung von FCKW in der Erdatmosphäre messen lässt. Er sieht sich selbst als Erfinder, für den die Intuition mindestens genauso wichtig gewesen sei wie die lineare Rationalität - und das kann wohl etwas erklären, weshalb er zu technischen Schöpfungen eine ähnlich schwärmerische Nähe empfinden kann wie zu deren Schöpfern. Konstruieren und Erkennen fallen für ihn zuletzt in eins - diese Ingenieursmentalität erklärt seinen Glauben an eine Zielgerichtetheit des Universums, an dessen Ende erst ein Geist steht, der ihm einen Sinn gibt, indem er es erkennt. So ist für ihn auch das Anthropozän ein Ergebnis der Evolution, ein "Ausdruck der Natur" und insofern zu bejahen. Und mehr noch: "Mein letztes Wort zum Anthropozän ist ein Freudenschrei - Freude angesichts der ungeheuren Erweiterung unseres Wissens über die Welt und den Kosmos, die dieses Zeitalter hervorgebracht hat. Es ist großartig, in einer Zeit zu leben, in der es möglich war, ein Bewusstsein für Gaia zu entwickeln."
Mit großer Leichtigkeit, ja Beschwingtheit durcheilt Lovelock, unterstützt von dem Journalisten Bryan Appleyard, in kurzen Kapiteln die 13,8 Milliarden Jahre des Kosmos. Immer wieder blitzt dabei auch ein Humor auf, der vom eigenen Alter graziös die Lizenz ableitet, über die Beschwerden der in die Jahre gekommenen Erde mit einer gewissen familiären Vertrautheit zu reden. "Wie Menschen werden auch Planeten mit dem Alter gebrechlich", schreibt er an einer Stelle: "Wenn alles gutgeht, können Gaia und ich eine produktive und angenehme Zeit des Niedergangs erwarten - aber Menschen können tödliche Unfälle haben, und Planeten ebenso." Das ist auch der Grund dafür, dass er sich trotz der von ihm angenommenen Regenerationsfähigkeit des Klimas dafür einsetzt, die Erde so kühl wie möglich zu halten - sonst könnte der alt gewordene Planet bei Katastrophen wie einem Asterioidenaufprall zu verwundbar sein.
Doch wie bei vielen anderen Kündern der "Singularität", des Moments, in dem die intelligenten Maschinen sich von ihren Schöpfern unabhängig machen und sich selbständig programmieren und weiterentwickeln, gibt es eine entscheidende logische Schwachstelle in dem Buch. Lovelock macht am Beispiel von AlphaGo Zero plausibel, wie dieser Moment aussehen könnte: So wie der Go-Computer nur noch mit sich selbst spielt, könnten die Apparate durch das bloße Von-sich-selbst-Lernen mit einem enormen Tempo dem menschlichen Fassungsvermögen enteilen. Aber Lovelock erklärt nicht, wie die Maschinen in diesem Prozess das Bewusstsein von sich selbst erwerben würden, das er ihnen wie selbstverständlich zuschreibt. Er personalisiert die Apparate durchweg als "Cyborgs" - was schon ein unüblicher Sprachgebrauch ist, da damit sonst meist Mischwesen aus Mensch und künstlichen Bauteilen bezeichnet werden. Woher aber sollen der Wille und das Selbstbewusstsein bei den Maschinen kommen, die die Voraussetzung dafür wären, dass man ihnen überhaupt ein eigenes Handeln zuschreibt? Entsprechend willkürlich wirkt denn auch die Einfügung der Computerwesen in die Evolution, die sich bislang durch Selektion und nicht durch Konstruktion vollzogen hat.
Beklemmend realistisch erscheint dagegen das politische Szenario, in dem Lovelock eine Entwicklung von Computern für wahrscheinlich hält, die dem Menschen planmäßig entgleiten: im Rahmen militärischer Zwecke nämlich, als "letale autonome Waffensysteme". Da entschwindet die übliche Selbstberuhigung, im Notfall könne man ja immer noch den Stecker ziehen - wenn die eine Kriegspartei der anderen schaden will, wird sie eben dies nicht tun. Und es entschwindet leider auch die freundliche Vision einer Intelligenz, die so umfassend groß ist, dass sie gar nicht anders kann, als sich um das Überleben des Ganzen zu sorgen. Die pure Intelligenz erscheint da eher wie eine loose cannon, an deren Unberechenbarkeit Menschen ein Interesse haben können. So schnell entlässt sie die zurückbleibenden Menschen nicht aus der Verantwortung, was mit dem Planeten geschieht.
MARK SIEMONS.
James Lovelock mit Bryan Appleyard: "Novozän. Das kommende Zeitalter der Hyperintelligenz." Aus dem Englischen von Annabel Zettel. Verlag C.H. Beck, 160 Seiten, 18 Euro
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