Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2001Spione im Äther
Die Horchposten des geheimnisumwobenen technischen amerikanischen Spionagedienstes NSA
James Bamford: NSA - Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt, München 2001, 688 Seiten, 68 Mark, C.Bertelsmann;.
Fünf Jahrzehnte hat der technische amerikanische Geheimdienst National Security Agency (NSA) auch im oberbayerischen Bad Aibling einen Horchposten betrieben. Im September des kommenden Jahres soll er - nach wachsenden Protesten von Politikern und Öffentlichkeit - geschlossen werden. Auf die Frage, ob die Amerikaner von Bad Aibling aus nur ihr legitimes Interesse an der funkelektronischen Aufklärung östlicher Kommunikation verfolgten oder aber - wie immer wieder behauptet - auch Wirtschaftsspionage betrieben, hat verläßlich bislang niemand eine Antwort geben können. Das ist eigentlich nicht verwunderlich, wird doch der Name NSA nicht nur von Spöttern vielfach auch mit "never say anything" übersetzt. Wöchentlich werden den Zehntausenden von Mitarbeitern der NSA die Strafen für Geheimnisverrat vorgelesen, und selbst die eigens für sie gedruckten Zeitungen enthalten den Hinweis, diese sofort nach dem Lesen zu vernichten.
Wer wie der amerikanische Geheimdienstfachmann James Bamford mit seinem neuen Buch über die NSA ein wenig Licht in die Wirrnis von Abschottung und Geheimhaltung zu bringen vermag, darf sich der Aufmerksamkeit sicher sein. Bamfords Verdienst ist es, in vielen Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern der NSA eine Fülle interessanter - und zumeist öffentlich nicht bekannter - Details zusammengetragen und diese in kurzweiliger Form für den Leser aufbereitet zu haben. In der von ihm beschriebenen Welt der großen Ohren, die die NSA mit ihrem weltweiten Abhörsystem namens Echelon kontrolliert, reicht ein verdächtiges Wort am Telefon, ein falscher Satz in Fax oder E-Mail, um sich im Spinnennetz jener zu verfangen, die Terrorismus, Proliferation, aber auch wirtschaftlich interessante Neuentwicklungen in fremden Staaten auskundschaften sollen. Bamford sieht die NSA nicht nur als Geheimdienst, sondern auch als Unternehmen:. "Betrachtet man die Krake NSA als Unternehmen, würde sie nach Angaben in Dollar, Betriebsfläche und Größe der Belegschaft unter den ersten zehn Prozent der Fortune-500-Tabelle erscheinen. 1995 gab die NSA mehr als 9,4 Millionen Dollar allein für Flugreisen ihrer Mitarbeiter aus."
Kaum bekannt dürfte bislang gewesen sein, welchen Eifer amerikanische Späher selbst dann an den Tag legten, wenn es galt, zukünftige Horchergebnisse zu sichern. So soll nach Bamfords Angaben der Sitz der Vereinten Nationen bei der Gründungskonferenz auf amerikanischen Druck in die Vereinigten Staaten gelegt worden sein, damit die von den politischen Repräsentanten ausgetauschten elektronischen Botschaften besser von der NSA mitgeschnitten und ausgewertet werden können. Bamford schreibt: "Die Vereinten Nationen waren von Anfang an ein Mikrokosmos der Ost-West-Spionage. Genau wie bei der Gründungskonferenz drangen die Vereinigten Staaten stark darauf, daß die Organisation in ihrem Land angesiedelt würde, vor allem um den Lauschern und Codeknackern der NSA und ihrer Vorgänger die Arbeit zu erleichtern."
Mit großem Detailwissen beschreibt der Autor, wie die NSA im Kalten Krieg selbst am Nordpol tätig wurde und insgeheim treibende Eisschollen für ihre Spionage einsetzte. Auf diesen arbeiteten "Wissenschaftler" als Horchposten. Vom Koreakrieg über die Invasion in der Schweinebucht, den israelisch-arabischen Sechstagekrieg und die U-Boot-Spionage hat Bamford Anekdoten und Wissenswertes zusammengetragen.
Mit dem Ende des Kalten Krieges aber mußte auch die NSA Personal einsparen, Geheimdienstler, die nach seinen Angaben heute in amerikanischen Unternehmen (etwa Lockheed Martin und TRW) tätig sind. Und an die Stelle von Menschen treten mehr und mehr Computer, die eines Tages wohl die digitale Welt mit der biologischen verschmelzen werden. Der NSA-Computer der Zukunft, mit einem künstlichen Blutplasma versehen, soll zum Teil aus mechanischen und teilweise aus organischen Komponenten - der DNA - entstehen. In der Zwischenzeit aber haben sich die Techniker der NSA darauf verlegt, die bisher vom Boden aus betriebene Spähaktivität mit Hilfe neuer Satellitentechnik ins All zu verlegen. Wohl deshalb hat der NSA-Horchposten in Bad Aibling ausgedient.
UDO ULFKOTTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Horchposten des geheimnisumwobenen technischen amerikanischen Spionagedienstes NSA
James Bamford: NSA - Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt, München 2001, 688 Seiten, 68 Mark, C.Bertelsmann;.
Fünf Jahrzehnte hat der technische amerikanische Geheimdienst National Security Agency (NSA) auch im oberbayerischen Bad Aibling einen Horchposten betrieben. Im September des kommenden Jahres soll er - nach wachsenden Protesten von Politikern und Öffentlichkeit - geschlossen werden. Auf die Frage, ob die Amerikaner von Bad Aibling aus nur ihr legitimes Interesse an der funkelektronischen Aufklärung östlicher Kommunikation verfolgten oder aber - wie immer wieder behauptet - auch Wirtschaftsspionage betrieben, hat verläßlich bislang niemand eine Antwort geben können. Das ist eigentlich nicht verwunderlich, wird doch der Name NSA nicht nur von Spöttern vielfach auch mit "never say anything" übersetzt. Wöchentlich werden den Zehntausenden von Mitarbeitern der NSA die Strafen für Geheimnisverrat vorgelesen, und selbst die eigens für sie gedruckten Zeitungen enthalten den Hinweis, diese sofort nach dem Lesen zu vernichten.
Wer wie der amerikanische Geheimdienstfachmann James Bamford mit seinem neuen Buch über die NSA ein wenig Licht in die Wirrnis von Abschottung und Geheimhaltung zu bringen vermag, darf sich der Aufmerksamkeit sicher sein. Bamfords Verdienst ist es, in vielen Gesprächen mit ehemaligen Mitarbeitern der NSA eine Fülle interessanter - und zumeist öffentlich nicht bekannter - Details zusammengetragen und diese in kurzweiliger Form für den Leser aufbereitet zu haben. In der von ihm beschriebenen Welt der großen Ohren, die die NSA mit ihrem weltweiten Abhörsystem namens Echelon kontrolliert, reicht ein verdächtiges Wort am Telefon, ein falscher Satz in Fax oder E-Mail, um sich im Spinnennetz jener zu verfangen, die Terrorismus, Proliferation, aber auch wirtschaftlich interessante Neuentwicklungen in fremden Staaten auskundschaften sollen. Bamford sieht die NSA nicht nur als Geheimdienst, sondern auch als Unternehmen:. "Betrachtet man die Krake NSA als Unternehmen, würde sie nach Angaben in Dollar, Betriebsfläche und Größe der Belegschaft unter den ersten zehn Prozent der Fortune-500-Tabelle erscheinen. 1995 gab die NSA mehr als 9,4 Millionen Dollar allein für Flugreisen ihrer Mitarbeiter aus."
Kaum bekannt dürfte bislang gewesen sein, welchen Eifer amerikanische Späher selbst dann an den Tag legten, wenn es galt, zukünftige Horchergebnisse zu sichern. So soll nach Bamfords Angaben der Sitz der Vereinten Nationen bei der Gründungskonferenz auf amerikanischen Druck in die Vereinigten Staaten gelegt worden sein, damit die von den politischen Repräsentanten ausgetauschten elektronischen Botschaften besser von der NSA mitgeschnitten und ausgewertet werden können. Bamford schreibt: "Die Vereinten Nationen waren von Anfang an ein Mikrokosmos der Ost-West-Spionage. Genau wie bei der Gründungskonferenz drangen die Vereinigten Staaten stark darauf, daß die Organisation in ihrem Land angesiedelt würde, vor allem um den Lauschern und Codeknackern der NSA und ihrer Vorgänger die Arbeit zu erleichtern."
Mit großem Detailwissen beschreibt der Autor, wie die NSA im Kalten Krieg selbst am Nordpol tätig wurde und insgeheim treibende Eisschollen für ihre Spionage einsetzte. Auf diesen arbeiteten "Wissenschaftler" als Horchposten. Vom Koreakrieg über die Invasion in der Schweinebucht, den israelisch-arabischen Sechstagekrieg und die U-Boot-Spionage hat Bamford Anekdoten und Wissenswertes zusammengetragen.
Mit dem Ende des Kalten Krieges aber mußte auch die NSA Personal einsparen, Geheimdienstler, die nach seinen Angaben heute in amerikanischen Unternehmen (etwa Lockheed Martin und TRW) tätig sind. Und an die Stelle von Menschen treten mehr und mehr Computer, die eines Tages wohl die digitale Welt mit der biologischen verschmelzen werden. Der NSA-Computer der Zukunft, mit einem künstlichen Blutplasma versehen, soll zum Teil aus mechanischen und teilweise aus organischen Komponenten - der DNA - entstehen. In der Zwischenzeit aber haben sich die Techniker der NSA darauf verlegt, die bisher vom Boden aus betriebene Spähaktivität mit Hilfe neuer Satellitentechnik ins All zu verlegen. Wohl deshalb hat der NSA-Horchposten in Bad Aibling ausgedient.
UDO ULFKOTTE
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Christian Hacke wird den Eindruck nicht los, dass der Autor hier in Wirklichkeit "Öffentlichkeitsarbeit für den amerikanischen Geheimdienst erledigt", ja sogar "gezielte Desinformationspolitik der NSA" sieht er in diesem Buch. Das Versprechen des Untertitels sieht Hacke in keiner Weise eingelöst. So behaupte der Autor beispielsweise, die Israelis hätten 1967 mit Absicht das amerikanische Spionageschiff 'Liberty' angegriffen, um zu verhindern, dass es Zeugen gibt für israelische Massenerschießungen an ägyptischen Soldaten. Dies ist aber, wie der Rezensent empört anmerkt, bis heute nicht erwiesen. Auch die Behauptung, die NSA habe "früh und umfassend vor katastrophalen Entwicklungen" in Vietnam gewarnt, wertet Hacke eher als Propagandabehauptung und nicht als seriöse Information. Über viele andere Aspekte erfahre der Leser dafür fast gar nichts, etwa über die Rolle der NSA bei militärischen Entwicklungen, über die Planungen und Entwicklungen der NSA selbst (hier werde lediglich vom Abhörsystem Echolon gesprochen, das nach Hacke aber inzwischen fast bedeutungslos ist) oder über das Advocacy-Center, das die amerikanische Wirtschaft unterstützen soll.
© Perlentaucher Medien GmbH
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