Eigentlich ist die Schauspielerin Jola mit ihrem Lebensgefährten Theo auf die Insel gekommen, um sich auf ihre nächste Rolle vorzubereiten. Als sie Sven kennenlernt, entwickelt sich aus einem harmlosen Flirt eine fatale Dreiecksbeziehung, die alle bisherigen Regeln außer Kraft setzt. Wahrheit und Lüge, Täter und Opfer tauschen die Plätze. Sven hat Deutschland verlassen und sich auf der Insel eine Existenz als Tauchlehrer aufgebaut. Keine Einmischung in fremde Probleme - das ist sein Lebensmotto. Jetzt muss Sven erleben, wie er vom Zeugen zum Mitschuldigen wird. Bis er endlich begreift, dass er nur Teil eines mörderischen Spiels ist, in dem er von Anfang an keine Chance hatte.
Juli Zehs neuer Roman ist ein meisterhaft konstruierter Psychothriller in der Tradition von Patricia Highsmith, bei dem der Leser, genau wie Sven, alle Gewissheiten verliert. Zugleich gelingt Juli Zeh ein brillantes und hellsichtiges Kammerspiel über Willensfreiheit, Urteilsfindung, Schuld und Macht.
Juli Zehs neuer Roman ist ein meisterhaft konstruierter Psychothriller in der Tradition von Patricia Highsmith, bei dem der Leser, genau wie Sven, alle Gewissheiten verliert. Zugleich gelingt Juli Zeh ein brillantes und hellsichtiges Kammerspiel über Willensfreiheit, Urteilsfindung, Schuld und Macht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2012Tauchgang im Atlantik
Juli Zeh liest im Frankfurter Literaturhaus
Für "Gevatter Grass" gab es noch eine Fangemeinde mit Stallgeruch. Juli Zeh muss ohne ihn auskommen. "Es ist wahnsinnig uncool geworden, sich politisch zu engagieren", sagte die Schriftstellerin im ausverkauften Großen Saal des Frankfurter Literaturhauses, wo der Literaturkritiker Uwe Wittstock von ihr wissen wollte, warum jüngere Autoren sich nicht mehr auf Politik einließen. Sie sei selbst von Kollegen angegriffen worden, sagte die Autorin, die nach den Balkankriegen durch Bosnien gereist war. Politik sei unter Schriftstellern zu so etwas wie einer schmutzigen Sphäre heruntergekommen.
"Sich raushalten" ist auch die Devise der Hauptfigur in Zehs neuem Roman, der unter dem zunächst rätselhaften Titel "Nullzeit" bei Schöffling & Co. erschienen ist. Sven Fiedler ist aus Deutschland ausgewandert, nachdem er während seines mündlichen Jura-Examens von einem Professor zynisch vorgeführt wurde. Als Tauchlehrer auf einer spanischen Insel im Atlantik lernt er den Schriftsteller Theo Hast und die Schauspielerin Jola von der Pahlen kennen, die in einer sado-masochistischen Beziehung gefangen sind. Sven begreift, dass er sich nicht mehr raushalten kann, wenn etwa ein Zitterrochen mit 200 Volt die paranoide Jola zu einem Mordversuch verleitet.
Dies sei kein Krimi, sondern ein Roman mit den Elementen eines Thrillers, einigten sich Autorin und Kritiker. Juli Zeh wollte endlich mal ein Buch schreiben, das sie auch selbst gerne lesen würde. Ihr Roman ist aus zwei Perspektiven geschrieben: Jolas Tagebuch-Notizen konterkarieren den Ich-Erzähler Sven und entlarven die psychotische Tendenz der Schauspielerin. Zeh hat vor drei Jahren tauchen gelernt und weiß seitdem, was eine "Nullzeit" ist: die Zeit, die ein Taucher nach dem Tauchgang unter Wasser bleiben muss, damit sich sein Körper vom Stickstoff reinigen kann, bevor er wieder dem Sauerstoff ausgesetzt wird.
Der Schwebezustand und das Wort faszinierten die Schriftstellerin, doch unter Wasser zur stummen Kommunikation verurteilt zu sein sei "die Hölle" für sie gewesen. "Zum ersten Mal seit 38 Jahren die Klappe gehalten." Ihr "Wahrheitsverwicklungsspiel" erzähle von drei Menschen, die mit dem angenehmen Leben in Deutschland überfordert seien. Dieser Rückzugsreflex aus der vermeintlich besten aller Welten in die Nullzeit einer biedermeierlichen Suspense scheint derzeit symptomatisch zu sein. Juli Zeh findet, dass sich Autoren jenseits ihrer Literatur auch politisch zu Wort melden sollten.
c.s.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Juli Zeh liest im Frankfurter Literaturhaus
Für "Gevatter Grass" gab es noch eine Fangemeinde mit Stallgeruch. Juli Zeh muss ohne ihn auskommen. "Es ist wahnsinnig uncool geworden, sich politisch zu engagieren", sagte die Schriftstellerin im ausverkauften Großen Saal des Frankfurter Literaturhauses, wo der Literaturkritiker Uwe Wittstock von ihr wissen wollte, warum jüngere Autoren sich nicht mehr auf Politik einließen. Sie sei selbst von Kollegen angegriffen worden, sagte die Autorin, die nach den Balkankriegen durch Bosnien gereist war. Politik sei unter Schriftstellern zu so etwas wie einer schmutzigen Sphäre heruntergekommen.
"Sich raushalten" ist auch die Devise der Hauptfigur in Zehs neuem Roman, der unter dem zunächst rätselhaften Titel "Nullzeit" bei Schöffling & Co. erschienen ist. Sven Fiedler ist aus Deutschland ausgewandert, nachdem er während seines mündlichen Jura-Examens von einem Professor zynisch vorgeführt wurde. Als Tauchlehrer auf einer spanischen Insel im Atlantik lernt er den Schriftsteller Theo Hast und die Schauspielerin Jola von der Pahlen kennen, die in einer sado-masochistischen Beziehung gefangen sind. Sven begreift, dass er sich nicht mehr raushalten kann, wenn etwa ein Zitterrochen mit 200 Volt die paranoide Jola zu einem Mordversuch verleitet.
Dies sei kein Krimi, sondern ein Roman mit den Elementen eines Thrillers, einigten sich Autorin und Kritiker. Juli Zeh wollte endlich mal ein Buch schreiben, das sie auch selbst gerne lesen würde. Ihr Roman ist aus zwei Perspektiven geschrieben: Jolas Tagebuch-Notizen konterkarieren den Ich-Erzähler Sven und entlarven die psychotische Tendenz der Schauspielerin. Zeh hat vor drei Jahren tauchen gelernt und weiß seitdem, was eine "Nullzeit" ist: die Zeit, die ein Taucher nach dem Tauchgang unter Wasser bleiben muss, damit sich sein Körper vom Stickstoff reinigen kann, bevor er wieder dem Sauerstoff ausgesetzt wird.
Der Schwebezustand und das Wort faszinierten die Schriftstellerin, doch unter Wasser zur stummen Kommunikation verurteilt zu sein sei "die Hölle" für sie gewesen. "Zum ersten Mal seit 38 Jahren die Klappe gehalten." Ihr "Wahrheitsverwicklungsspiel" erzähle von drei Menschen, die mit dem angenehmen Leben in Deutschland überfordert seien. Dieser Rückzugsreflex aus der vermeintlich besten aller Welten in die Nullzeit einer biedermeierlichen Suspense scheint derzeit symptomatisch zu sein. Juli Zeh findet, dass sich Autoren jenseits ihrer Literatur auch politisch zu Wort melden sollten.
c.s.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Erfreut stellt Rezensent Burkhard Müller fest, dass Juli Zeh in ihrem neuen Roman "Nullzeit" auf all das verzichtet, was ihn am Vorgängerroman "Schilf" gestört hat: Die Handlung erscheint dem Kritiker hier weniger absurd, die Figuren glaubwürdiger und auch Zehs Sprache sei nicht mehr so "schnörkelig". Und so folgt er gespannt dem Aussteigerpaar Sven und Antje, die Deutschland verlassen haben, um sich auf einer Kanareninsel ganz ihrer Tauchschule zu widmen und deren Ruhe bald empfindlich durch das Auftauchen der ebenso neurotisch-labilen wie aufreizenden Schauspielerin Jola und ihrem Schriftstellerfreund Theo gestört wird. Während der Rezensent das reizvoll geschilderte Zusammentreffen der beiden äußerst unterschiedlichen Paare mit Interesse gelesen hat, muss er leider gestehen, dass der Roman im Laufe der Lektüre an Anziehungskraft verliert. Auch Zehs Entscheidung, ihre Erzählung mit Jolas Tagebucheinträgen "rhythmisch" zu unterbrechen, kann der Kritiker, der sich mehr "Schauder" gewünscht hätte, bald nicht mehr viel abgewinnen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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'Ein schauderhaft schöner Psychothriller.' Stern