Produktdetails
- Verlag: Diederichs
- Seitenzahl: 352
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 767g
- ISBN-13: 9783720522229
- ISBN-10: 3720522229
- Artikelnr.: 24698494
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Auweia. Claudia Schmölders lässt kein gutes Haar an dem Buch, da kann es der Autorin auch hundertmal genau darum zu tun sein -gut auszusehen nämlich. Wie einfältig die Natur tatsächlich ist, die hier auf das oberste Ziel der "attractiveness" hin getrimmt wird, meint die Rezensentin, lässt sich an "diesem einfältigen Buch" trefflich studieren. Die vielen "konstativen," d.h. wissenschaftlich gesicherten Sätze, deren sich die Autorin "unfrei nach Darwin" ausnahmslos bedient, wie Schmölders Etcoff augenzwinkernd wiedergibt, hätte sie sich ebenso gut sparen können. Die Rezensentin ist schon bedient - von einem "Plädoyer für interkulturell akzeptierte attraktive Körper," das im Vergleich mit den neuesten Visionen vom Labormenschen, wie Schmödlers einräumt, vielleicht noch ganz sympathisch klingt, "aber mehr auch nicht."
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001Wer die Götter ersetzen will
Nancy Etcoff läßt nur Schöne leben / Von Claudia Schmölders
Schönheit ist ein Dauerbrenner im Räsonnement der Political Correctness. Einerseits ungerecht verteilt von den Göttern, andererseits brutal vernachlässigt von den Menschen, die zu dick, zu ungewaschen, zu schlecht gekleidet daherkommen; einerseits artifiziell erstellt, andererseits Quelle ganz kunstloser Entzückungen. Wer ihr im akademischen Milieu eine Stimme verschaffen will, hat die Wahl zwischen zwei Fehlern. Entweder ersetzt er die Götter durch Natur oder Natur durch Kultur. Völlig götterfrei und naturlos sieht es die Feministin Judith Butler, Urheberin der amerikanischen Theorieversion vom performativen Charakter der Geschlechter: "Die Medien zeigen uns schockartig den idealisierten Ausschnitt eines Körpers, das Ideal. Aber das sind eingefrorene Bilder." Schönheit als medialer und damit performativer Akt, da will jeder nur Durchblick und Freiheit zum Selbstentwurf. Um aber Schönheit auf eine Geschlechtseigenschaft zu reduzieren, müßte man Platon und die Kunst und einen nicht unbedeutenden Teil der monotheistischen Religionsdebatten streichen. Man dürfte nur noch an Mister und Miss Universum mit ihren Körpermaßen denken.
So ähnlich hat nun Nancy Etcoff ihr Buch angelegt, im Sinne des ersten Fehlers, siehe oben. Sie arbeitet nur mit naturwissenschaftlich gesicherten, "konstativen" Sätzen. Konstatieren will sie, unfrei nach Darwin, "The Survival of the Prettiest", den Kanon der Evolution, das Vaterunser des fruchtbaren Pleistozäns. Naturwüchsige Schönheit mit den Zeichen von Jugend, Gesundheit, Stärke und Fruchtbarkeit garantiert das Überleben der Gene. Etcoff meint "attractiveness" und löst so die berüchtigte Gleichung zwischen "schön" und "gut" souverän. Der konstative Geist weiß, daß das berüchtigte "gut" nicht intransitiv, sondern transitiv zu lesen ist, daß es kein "gut" ohne ein "wozu" gibt.
Und so ist eben das schöne breite Becken der Frau gut zum Gebären, der schöne lange Penis gut für Zeugung und Imponiergehabe, sind die schön großen Brüste der Frau gut für Sex und Babys, das schön weiblich geschminkte Gesicht gut zur sexuellen Attraktion und immer so fort. Spätestens an diesem einfältigen Buch kann man harvardintellektuell gestützt erkennen, wie einfältig die Natur ist und daß sie immer nur das eine will. Ist das nun gut so? Was würde Frau Etcoff zu Herrn von Platens berühmtem Vers sagen: "Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheimgegeben"? Aber nicht doch. Bei allen hier gläubig zitierten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, und seien sie noch so verrückt, geht es diesem Buch dennoch vorwiegend um Performanz. Performative Äußerungen, lernen wir aus der Linguistik, können entweder glücken oder nicht glücken - im Gegensatz zu den konstativen, die wahr oder falsch sein können.
Mit dem Plädoyer für interkulturell akzeptierte attraktive Körper soll Frau Etcoff glücken erstens der Angriff auf die Kulturrelativisten, zweitens die Beschämung und Bekehrung der mehr als ein Drittel übergewichtigen Amerikaner und drittens die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Denn wenn schon die Ziele und Maße der Attraktivität wissenschaftlich feststehen, die unser Überleben garantieren, warum sollen dann nicht Kosmetik und kosmetische Chirurgie nachhelfen? Gemessen an den neuesten Visionen vom Labormenschen mag man dieses Plädoyer für eine natürliche Fortpflanzung vielleicht noch ganz sympathisch finden. Aber mehr auch nicht.
Nancy Etcoff: "Nur die Schönsten überleben". Die Ästhetik des Menschen. Aus dem Englischen von Heinz Tophinke. Diederichs Verlag, München 2001. 352 S., Abb., geb., 44,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nancy Etcoff läßt nur Schöne leben / Von Claudia Schmölders
Schönheit ist ein Dauerbrenner im Räsonnement der Political Correctness. Einerseits ungerecht verteilt von den Göttern, andererseits brutal vernachlässigt von den Menschen, die zu dick, zu ungewaschen, zu schlecht gekleidet daherkommen; einerseits artifiziell erstellt, andererseits Quelle ganz kunstloser Entzückungen. Wer ihr im akademischen Milieu eine Stimme verschaffen will, hat die Wahl zwischen zwei Fehlern. Entweder ersetzt er die Götter durch Natur oder Natur durch Kultur. Völlig götterfrei und naturlos sieht es die Feministin Judith Butler, Urheberin der amerikanischen Theorieversion vom performativen Charakter der Geschlechter: "Die Medien zeigen uns schockartig den idealisierten Ausschnitt eines Körpers, das Ideal. Aber das sind eingefrorene Bilder." Schönheit als medialer und damit performativer Akt, da will jeder nur Durchblick und Freiheit zum Selbstentwurf. Um aber Schönheit auf eine Geschlechtseigenschaft zu reduzieren, müßte man Platon und die Kunst und einen nicht unbedeutenden Teil der monotheistischen Religionsdebatten streichen. Man dürfte nur noch an Mister und Miss Universum mit ihren Körpermaßen denken.
So ähnlich hat nun Nancy Etcoff ihr Buch angelegt, im Sinne des ersten Fehlers, siehe oben. Sie arbeitet nur mit naturwissenschaftlich gesicherten, "konstativen" Sätzen. Konstatieren will sie, unfrei nach Darwin, "The Survival of the Prettiest", den Kanon der Evolution, das Vaterunser des fruchtbaren Pleistozäns. Naturwüchsige Schönheit mit den Zeichen von Jugend, Gesundheit, Stärke und Fruchtbarkeit garantiert das Überleben der Gene. Etcoff meint "attractiveness" und löst so die berüchtigte Gleichung zwischen "schön" und "gut" souverän. Der konstative Geist weiß, daß das berüchtigte "gut" nicht intransitiv, sondern transitiv zu lesen ist, daß es kein "gut" ohne ein "wozu" gibt.
Und so ist eben das schöne breite Becken der Frau gut zum Gebären, der schöne lange Penis gut für Zeugung und Imponiergehabe, sind die schön großen Brüste der Frau gut für Sex und Babys, das schön weiblich geschminkte Gesicht gut zur sexuellen Attraktion und immer so fort. Spätestens an diesem einfältigen Buch kann man harvardintellektuell gestützt erkennen, wie einfältig die Natur ist und daß sie immer nur das eine will. Ist das nun gut so? Was würde Frau Etcoff zu Herrn von Platens berühmtem Vers sagen: "Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheimgegeben"? Aber nicht doch. Bei allen hier gläubig zitierten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, und seien sie noch so verrückt, geht es diesem Buch dennoch vorwiegend um Performanz. Performative Äußerungen, lernen wir aus der Linguistik, können entweder glücken oder nicht glücken - im Gegensatz zu den konstativen, die wahr oder falsch sein können.
Mit dem Plädoyer für interkulturell akzeptierte attraktive Körper soll Frau Etcoff glücken erstens der Angriff auf die Kulturrelativisten, zweitens die Beschämung und Bekehrung der mehr als ein Drittel übergewichtigen Amerikaner und drittens die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Denn wenn schon die Ziele und Maße der Attraktivität wissenschaftlich feststehen, die unser Überleben garantieren, warum sollen dann nicht Kosmetik und kosmetische Chirurgie nachhelfen? Gemessen an den neuesten Visionen vom Labormenschen mag man dieses Plädoyer für eine natürliche Fortpflanzung vielleicht noch ganz sympathisch finden. Aber mehr auch nicht.
Nancy Etcoff: "Nur die Schönsten überleben". Die Ästhetik des Menschen. Aus dem Englischen von Heinz Tophinke. Diederichs Verlag, München 2001. 352 S., Abb., geb., 44,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main