Dies ist die Geschichte einer Stadt in Polen, Tarnów, in den Jahren 1918-1945, in der die Hälfte der Bevölkerung vor dem Zweiten Weltkrieg jüdisch war. Die große Mehrheit der Juden in Polen lebte in Städten und ihre Geschichte eröffnet eine alternative Sichtweise auf die Geschichte Polens. Das Buch erzählt über den Alltag des multiethnischen Tarnów, überschreitet aber zeitliche Zäsuren und beschreibt, wie das soziale Gewebe zerriss, als die Deutschen 1939 einmarschierten. Diese Studie zeigt auf, wie sich das Verhältnis der nichtjüdischen Polen zu ihren jüdischen Nachbarn während des Holocaust wandelte und wie letztere um ihr Überleben kämpften. Durch das Prisma einer Stadt werden die wichtigsten Fragen polnisch-jüdischer Beziehungsgeschichte gestellt, u.a. zur Rolle der nichtjüdischen Polen während des Holocaust und zum Antisemitismus im Polen der Nachkriegszeit.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Tarnów liegt 25 Kilometer nördlich von Kattowitz und wurde bis zum Holocaust vor allem von Juden bewohnt, setzt uns Rezensent Ludger Heid ins Bild. Die Historikerin Agnieszka Wierzcholska zeichne in ihrer sozialgeschichtlichen Fallstudie nun nach, was die damalige Mehrheitsgesellschaft der Stadt durch antisemitische Politik und Diskriminierung erleiden musste. "Schonungslos" schildere Wierzcholska die 12 Jahre bis zum Ende der Nazi-Herrschaft, schreibt Heid, und dass ihm die Details blutiger Gewalt auch durch nicht-jüdische Polen einiges abverlangt hätten. Ohne die nationalsozialistischen Morde zu relativieren, habe die Historikerin nachvollziehbar gemacht, worauf der verbreitete Antisemitismus in Polen bis heute fußt, konstatiert der Rezensent, der auch deshalb so fassungslos ist, weil Tarnów in der grausamen Geschichte des 20. Jahrhunderts ein pars pro toto ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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