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In ihrer schonungslos ehrlichen Autobiografie erzählt Nuala O`Faolain von Armut und Alkohol, Sexualität und Unterdrückung, Schmerz und Schuld. Im katholischen Irland besteht das weibliche Lebensmuster traditionell aus Heirat und Mutterschaft. Die Autorin beschreibt, wie sie sich gegen diese Vorstellung wehrt. Nach vielen Affären und gescheiterten Liebesbeziehungen lernt sie Nell kennen, mit der sie gemeinsam die Welt entdeckt.
Nuala O'Faolain rebelliert gegen ein Leben, wie es im erzkatholischen Irland für Frauen vorgesehen ist: Heirat, Kinder und männliche Gewalt. Sie sucht immer wieder
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Produktbeschreibung
In ihrer schonungslos ehrlichen Autobiografie erzählt Nuala O`Faolain von Armut und Alkohol, Sexualität und Unterdrückung, Schmerz und Schuld. Im katholischen Irland besteht das weibliche Lebensmuster traditionell aus Heirat und Mutterschaft. Die Autorin beschreibt, wie sie sich gegen diese Vorstellung wehrt. Nach vielen Affären und gescheiterten Liebesbeziehungen lernt sie Nell kennen, mit der sie gemeinsam die Welt entdeckt.
Nuala O'Faolain rebelliert gegen ein Leben, wie es im erzkatholischen Irland für Frauen vorgesehen ist: Heirat, Kinder und männliche Gewalt. Sie sucht immer wieder Zuflucht in Affären und im Alkohol. Doch dann trifft sie Nell und entdeckt mit ihr zusammen eine andere Welt.
Autorenporträt
O'Faolain, NualaNuala O'Faolain wurde in Dublin als Tochter eines Journalisten geboren. Aufgewachsen in einer Großfamilie mit neun Kindern, verbrachte sie ihre Pubertät teilweise in einem katholisches Mädcheninternat. Später schlug sie sich zunächst als Kellnerin, Verkäuferin und Dienstmädchen durch. Schließlich wurde sie dann Dozentin an der Universität, Fernsehproduzentin und Journalistin. Ihre Erinnerungen wurden in Irland zum Bestseller. Nach zeitweiligem Aufenthalt in London, lebt sie heute wieder in ihrer Geburtsstadt.

Renée Zucker, geboren 1954, arbeitet als freie Autorin, Übersetzerin und Journalistin für Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen. Sie gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Kolumnistinnen, ihre Bücher genießen Kultstatus. Renée Zucker ist Mutter eines erwachsenen Sohnes.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.05.2008

Wenn der Puls rückwärts schlägt
Abschied nehmen von der Welt: Nuala O’Faolains letzte Reise nach Berlin / Von Hugo Hamilton
Wie soll man angesichts des Todes sichtbar bleiben? Dabei zu sein, als Nuala O’Faolain sich ihren letzten Wunsch erfüllte, Berlin zu sehen, bedeutete Zeuge einer traurigen und ergreifenden Reise zu werden, die doch voll Freude und Zuversicht war. Für die Schriftstellerin, deren Autobiographie auf Deutsch den Titel „Nur nicht unsichtbar werden” trägt, war diese Reise eine bemerkenswerte Art, am Leben zu bleiben.
Nuala und ich hatten oft über ihren Wunsch gesprochen, ein Jahr in Berlin zu verbringen, um zu schreiben. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus New York im April, als man Krebs bei ihr festgestellt hatte und sie schon an Krücken ging, nahmen wir beide beim „Ennis Book Festival” an einer Diskussionsrunde über Erinnerungsliteratur teil. „Ich würde so gern das Pergamonmuseum sehen”, sagte sie danach. „Und ich mag, wie die Deutschen Kartoffeln machen.” Drei Wochen später saßen wir – Nuala, ihre Freunde Brian Sheehan und Luke Dodd, Mary Rose und ich – im alten Terminal des Dubliner Flughafens und warteten auf den Privatjet, den ein irischer Geschäftsmann uns geliehen hatte.
Damals war ihr bevorstehender Tod in Irland schon ein öffentliches Ereignis. „Meine Trauer ist meine, ihre Hoffnung ihre”, hatte sie im Radio gesagt und geweint, als sie beschrieb, wie sie ihr Schreibzimmer in New York verlassen und sich von „diesen wunderbaren gelben Seidenvorhängen, die ich für tausend Dollar habe machen lassen”, verabschiedet hatte. Wie eine Figur von Beckett hatte sie sich von ihrem Hab und Gut losgesagt. Die dingliche Welt war plötzlich belanglos. Sogar die innere Welt der Bücher und des Wissens, der Geschichten und all dessen, was sie erlebt hatte, war dabei, mit ihr zu verschwinden, sagte sie. Und doch schien die Aufregung eines Schulmädchens diese Verzweiflung aufzuwiegen.
Noch einmal Geld ausgeben
„Daraus ist jetzt etwas anderes geworden”, sagte sie, „aus dieser Reise”. Während ihr Freund Luke einen Knopf an ihren Mantel nähte, redete sie über Hochzeiten in naher Zukunft, über Ereignisse, die sie nicht mehr erleben würde, über die politische Welt von morgen. Hin und wieder hatte sie Tränen in den Augen. Sie habe angefangen, die Dinge zu ordnen, sagte sie, Sachen verschenkt, Bäume gepflanzt und den Großteil ihres Geldes für ein AIDS-Projekt in Afrika gespendet, das ihre Freundin Marian Finnucane ins Leben gerufen hatte. „Ich muss mir in Berlin ein paar Bettbezüge kaufen”, sagte sie. „Kissen, auf die ich meinen Kopf legen kann, wenn ich gehe.”
Bei der Ankunft in Tempelhof saß sie im Auto einen Augenblick lang unter dem berühmten Sagebiel-Dach und fühlte sich wie ein Spion, als der Zollbeamte ihren Pass kontrollierte. Sie hatte beschlossen, unbekümmert ihr Geld auszugeben und im Adlon am Brandenburger Tor ein Zimmer zu nehmen. Doch als sie sich dann in einen Lastenaufzug verirrte, fand sie nicht mehr zum Foyer zurück, und man hörte ihre Hilferufe, bevor sie gerettet werden konnte.
Es war ihr wichtig, alles in diesen kurzen, letzten Besuch in Berlin zu stecken. In ihrem Rollstuhl saß sie vor dem Pergamonaltar, betrachtete die reich geschmückten Fragmente der alten Zivilisation und fragte in ihrer schelmischen Art, ob „das der Ursprung der irischen Hochzeitskuchentradition ist”. Sie wollte die Reste der Berliner Mauer an der Bernauer Straße sehen, das Denkmal für die ermordeten Juden und den Platz der Bücherverbrennung vor der Humboldt-Universität. Sie reservierte Karten für „Don Carlos” in der Staatsoper und aß in der Paris Bar zu Abend. Mehr als alles andere wollte sie einen Nachmittag im Botanischen Garten in Steglitz verbringen, wo der Frühling sie plötzlich einholte und sie das lebendige Wachstum betrachten konnte, das sich in eine für sie jenseitige Zukunft stürzte.
Es gibt eine stillschweigende Übereinkunft darüber, dass Irland von starken Frauen vor sich selbst gerettet wurde. In einem Land, das so lange von der patriarchalischen katholischen Kirche beherrscht wurde, wo Emigration oft die einzige Form des Einspruchs war, spielte Nuala eine wichtige Rolle im Kampf für soziale Gerechtigkeit und persönliche Freiheit, die für den Wandel der irischen Gesellschaft stehen.
Die Schuhe der Eltern
Sie besaß die Fähigkeit, Dinge ans Licht zu bringen und stellte alles in Frage. Vielleicht war es ihre Art, immer persönlich zu sprechen, die sie zu einer archetypischen Zeugin des irischen Gesinnungswandels machte. Ihre eigene Geschichte handelte von prägender Einsamkeit unter neun Kindern einer von Alkoholismus zerrütteten irischen Familie. Nuala schrieb und sprach über diesen Mangel an Liebe in der Familie. Beim Ennis Book Festival stritten wir darüber, wie man mit der Vergangenheit umgehen soll. Streitlustig, wie sie war, sagte sie, dass meine Vorstellung, in die Schuhe unserer Eltern zu schlüpfen, ihnen das Recht zu geben, uns zu antworten, um sie zu verstehen, allzu „romantisch” sei.
Ich hatte mich in meiner eigenen Autobiographie mit dieser Frage gequält, mit der Erfahrung, als Kind für die unsinnigen Experimente meiner Eltern benutzt worden zu sein. Aber inwieweit kann ich ihnen Schuld geben? Wie könnte ich meinem Vater je den Despotismus verzeihen, mit dem er uns während seines kompromisslosen Kreuzzugs für die irische Sprache behandelt hat? Und wie könnte ich mir oder meiner deutschen Mutter jemals verzeihen, aus einem Land zu stammen, das Auschwitz hervorgebracht hat?
Vielleicht flüstert mir meine Mutter immer noch zu, „wenn du deinen eigenen Vater hasst, hasst du dich selbst”. Ich spürte das Bedürfnis, über diesen Schmerz hinwegzukommen, nicht Opfer zu bleiben, sondern es mir zu erlauben, meine eigene schmerzhafte Familiengeschichte aufzuschreiben, um übers bloße Klagen hinauszukommen.
Für Nuala bedeutete das Fertigwerden mit ihrer Erfahrung etwas Geräuschvolleres. Sie wollte die Dinge ändern, nicht bloß für sich, sondern für alle kämpfen, die Schäden aufdecken, die in unserer Gesellschaft angerichtet worden waren. Wie für den Schriftsteller John McGahern gab es gute Gründe für sie, keine Kompromisse zu machen. So wie er es unmöglich fand, die launenhaft zuschlagende Grausamkeit seines Vaters zu verstehen, sprach Nuala mit unverhohlenem Zorn über die Verbitterung, die ihre Mutter in die Familie gebracht hatte. Vielleicht erinnern beide mich an Joyce und seine Weigerung, am Totenbett seiner Mutter niederzuknien, weil es zu sehr nach Fügung, nach Kollaboration mit jener Gesellschaftsordnung ausgesehen hätte, die noch so viel Macht besaß.
Trägt jeder Autor einen Groll im Herzen, eine hochgemute Fähigkeit, an so lebenswichtigen Gefühlen wie Zorn und Abscheu festzuhalten, die Weigerung, etwas gut sein zu lassen? Anders als die meisten Menschen, die mit solchen Gefühlen leben, machen Schriftsteller kehrt und lesen den Schmerz auf, untersuchen und erinnern sich an entscheidende Details, die sie ihr ganzes Leben lang wie Münzen in der Hosentasche hin- und herwenden, um die Dinge zu erklären und richtigzustellen.
Es gibt keine Ausreden mehr
Es gibt Menschen, die sagen, Vergebung habe nichts mit Altruismus zu tun und sei keine echte Tugend, sondern die kalkulierende Fähigkeit, um des eigenen Wohlbefindens und der eigenen Gemütsruhe willen in einen Handschlag zu investieren. Vielleicht ist es nur unser Wunsch gewesen, zu unschuldigen Konsumenten zu werden, der Irland so verändert hat und uns Schluss damit hat machen lassen, Schuld und Verantwortung den Eltern in die Schuhe zu schieben. Wir geben nicht mehr unseren Feinden die Schuld, machen nicht mehr die Briten für unsere Fehler verantwortlich, weil wir uns die Dinge nun selbst antun und verantwortlich sind für unser Glück oder sein Gegenteil. Ist meine Geschichte anders, weil ich unter dem Extremismus meines Vaters eine Spur echte Liebe entdeckt habe? Oder ist es die Tatsache, dass ich selber Kinder hatte, die mich zwangen, die schwierige Bauchrednerkunst des Elternseins zu verstehen?
In ihrem Interview mit Marian Finnucane sagte Nuala, sie sei froh, keine Kinder zu haben, weil sie eine „furchtbare Mutter” abgegeben hätte. Vielleicht sind wir auf der Fahrt nach Berlin alle zu ihren Kindern geworden, wenn sie Dinge sagte wie: „Schaut, ihr zwei könnt euch ein Schnitzel teilen.” Über all das wollte ich in Berlin mit ihr reden, aber es ergab sich keine rechte Gelegenheit. Es kam mir vor, wie am Tag des Jüngsten Gerichts Anklage zu erheben.
Während wir an einem Gebäude von Albert Speer vorbeifuhren und schweigend aus dem Fenster schauten, schien es mir passender, ihr von der Ruinenwert-Theorie zu erzählen, die Speer und Hitler entwickelt hatten. Todessehnsucht hatte sie in der Lüneburger Heide Modelle von Gebäuden aus Stein und Zement errichten lassen, die sie dann bombardieren ließen, um zu vergleichen, welches nach dem Krieg beeindruckender aussähe. Auf einer Fahrt zum Haus am Wannsee, wo die Endlösung beschlossen worden war, saß sie einen Moment lang sprachlos mit der Hand vor dem Mund da. „Das also ist das Haus am See.”
Der Abend war für Don Carlos in der Oper reserviert. Wir schoben sie im Rollstuhl die Linden hinunter. Sie trug ein schwarzes Kleid, hellrote Converse-Turnschuhe und einen glänzenden Regenmantel. Als ich ihre Hand hielt, hatte ich das Gefühl, dass ihr Puls begonnen hatte, rückwärts zu schlagen, dass wir uns mit jedem Schritt, den sie sich auf den Tod zubewegte, heftiger am Leben waren. Genauso wie diese Stadt mit ihren Erinnerungen und ihrer Geschichte. Durch Nualas Augen betrachtet, hatte sie eine neue Bedeutung angenommen.
Nuala hatte „Don Carlos” erst kürzlich in der New Yorker Met gesehen. Hier in Berlin war die Inszenierung kühner. In einer entscheidenden Tischszene waren lebendige, nackte Körper von Folteropfern kopfüber an Seilen aufgehängt. „Mein Gott, diese armen Menschen”, sagte sie nachher und fragte sich, ob es eine Art versteckte Botschaft gab, vielleicht eine Anspielung auf Abu Ghraib.
Den gesamten letzten Morgen brachten wir damit zu, jedes einzelne Laken zu inspizierten, das im KaDeWe zu kaufen war. Sie prüfte den Stoff, bewies sich, dass ihr Tastsinn noch funktionierte. Etwas Weiches. Farbe, sagte sie, sei etwas, mit dem das Leben anfange. „Weiß ist die Farbe, mit der man sterben sollte.” Doch es gab etwas, das sie noch sehen musste. Die Stalingrad-Madonna in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Ruine stehen geblieben war. „Die schmelzende Kirche” nannte sie sie und betrachtete in ihrem Inneren die aus dem Kessel von Stalingrad geborgene Kohlezeichnung und übersetzte sich flüsternd die Worte „Licht, Leben, Liebe”.
Dann zündeten wir Kerzen an, eine weitere Erinnerung daran, wie das Leben für sie in Kirchen zu Hause in Irland begonnen hatte. Eine Kerze für die Mutter ihres Freundes Brian, die schwer krank war. Eine Kerze für die Menschen in Palästina. Ob sie eine Kerze für ihren Vater und ihre Mutter anzünden wolle, fragte Mary Rose. „Ach, nein”, antwortete Nuala und fiel einen Augenblick in Schweigen. „Zünden wir lieber eine für diese armen, kopfüber hängenden Abu Ghraib-Leute in ,Don Carlos’ an.”
Deutsch von Kai Wiegandt
Einer der letzten Wünsche der irischen Autorin Nuala O’ Faolain: „Ich möchte so gerne das Pergamonmuseum in Berlin sehen.” Foto: Regina Schmeken
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2000

Der wahre Wein des Lebens
Quell der Trunkenheit: Die Autobiographie von Nuala O'Faolain

Irische Schriftsteller haben Konjunktur. Gegenüber vielen ausgeklügelten, dünnblütigen literarischen Produkten der letzten Zeit bieten sie pralles Leben voller Herz und Schmerz, Leidenschaft und Verzweiflung. Und meistens sind ihre Werke auch noch "wahr". Fast ausnahmslos liefert die eigene Biographie ausreichend Stoff.

Frank McCourt führt mit seinem Roman "Die Asche meiner Mutter" die irische Erfolgsserie an. Den Bericht seiner Landsmännin Nuala O'Faolain preist er als "wahren Wein des Lebens". Obwohl bei ihr die Armut nicht ganz so elementar und existenzbedrohend ist wie bei ihm selbst, finden sich viele Parallelen: der katholische Hintergrund, Kinderreichtum, Alkoholexzesse und die beispiellos rückständige Gesellschaft am Rande Europas.

Nuala O'Faolain entschließt sich als Fünfzigjährige, über sich selbst zu schreiben. Sie zieht selbstkritisch und aufrichtig Bilanz: Sie ist eine bekannte Journalistin, die für BBC und angesehene Zeitungen gearbeitet hat, nach einem abgeschlossenen Studium in Dublin, Hull und Oxford an Colleges lehrt und viel in der Welt herumgekommen ist. Doch das, was in Irland noch immer als einzige Erfüllung und Bestimmung einer Frau gilt, kann sie nicht vorweisen: Sie hat weder Ehemann noch Geliebten und keine Kinder. Sie fühlt sich alt und ausgebrannt. In ihrer depressiven Stimmung kommt es ihr so vor, als ob alles, worauf sie zurückblicken kann, "ein einziges Scheitern war".

Das ist es natürlich keineswegs, aber ihr Leben ist in ständigen Turbulenzen verlaufen, glückliche Zeiten wechselten sich ab mit tieftraurigen. Viel versprechende Beziehungen zu Männern und selbst die innige Freundschaft zu einer Frau, mit der sie fünfzehn Jahre zusammenwohnte, hatten keinen Bestand. Alkohol, der Albtraum ihrer Kindheit, wurde auch für sie eine zerstörerische Gefahr, obwohl das Vorbild ihrer Mutter und ihres ebenfalls an Alkohol früh gestorbenen Bruders sie eigentlich hätte abschrecken müssen. Trinken, um betrunken zu werden - die irische Krankheit, auch sie leidet zeitweise daran.

Als Zweitälteste von neun Kindern mit Eltern, die außerstande waren, sich um die Familie zu kümmern, standen ihre Chancen schlecht. Vater und Mutter tranken, wurden gewalttätig und ließen ihre Kinderschar verwahrlosen. Obwohl der Vater als Journalist ein gesichertes Einkommen besaß, war der Gerichtsvollzieher Dauergast. Doch Nuala ist begabt, sie erhält Stipendien für die Schule und die Universität und nimmt jeden Job an, um das Ziel, das sie sich gesetzt hat, zu erreichen. Sie "glaubt ans Lernen".

Lebendig schildert Nuala O'Faolain ihre Jahre in der Klosterschule oder das armselige Leben am Rande des Dubliner Slums. Sie hat Verständnis für ihre Mutter, die ihre Stunden im Pub unter Trinkern wie sie verbringt, wenn sie nicht in Büchern Zuflucht vor der Wirklichkeit sucht. Die irische Gesellschaft sieht sie mit kritischen Augen. Frauen waren bis in die siebziger Jahre von Gleichberechtigung so weit entfernt wie von einem fremden Stern, Sexualität war tabu, Armut erstickte alle Versuche, aus der Misere herauszukommen.

Die Studentin schließt ihr Studium in Oxford ab. Sie findet Kontakt zur Londoner Bohème und bald zu Rundfunk- und Zeitungsredaktionen. Sie macht Interviews mit Schriftstellern und hat Erfolg mit sozialen Reportagen, aber sie ist unfähig, Einsamkeit zu ertragen. "Heirate mich!", fleht sie ihren langjährigen Freund vergeblich an. Von jeder neuen Beziehung erhofft sie sich nichts weiter als geliebt zu werden, eine ideale Gemeinschaft eben. Wenn sie wieder einmal verlassen worden ist, bricht für sie eine Welt zusammen.

Über den privaten Katastrophen oder glückseligen Höhepunkten tritt die politische Entwicklung Irlands in den Hintergrund. De Valeras Vision von einem besseren Land, der Marsch der Arbeitslosen, die ersten Frauendemonstrationen der siebziger Jahre, die bürgerkriegsähnlichen Zustände in Nordirland - Nuala O'Faolain erwähnt sie nur kurz. Spät und eigentlich erst herausgefordert von der immer noch bestehenden Klassengesellschaft Englands, an der sie sich reibt, fühlt sie sich als Irin. Sie kehrt zurück nach Dublin, arbeitet dort für den Fernsehsender und die führende Zeitung Irlands. Sie wird so etwas wie die Stimme ihres Landes. Man kennt sie.

Nuala O'Faolains Lebensbericht ist offenherzig und spontan, gleichzeitig aber auch nachdenklich und kritisch. In ihrem Heimatland stand sie wochenlang an der Spitze der Bestseller-Listen. Viele ihrer Landsleute fühlen mit dieser Frau, leiden mit ihr, lieben sie.

MARIA FRISÉ

Nuala O'Faolain: "Nur nicht unsichtbar werden". Ein irisches Leben. Aus dem Englischen übersetzt von Renée Zucker. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2000. 253 S., geb., 36,- DM.

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"Man möchte, dass das Buch nie aufhört ..." (Frank McCourt)

"Warum habe ich mich nie getraut, etwas Ähnliches zu schreiben?" (Elke Heidenreich)

Man möchte, dass das Buch nie aufhört. Und man ahnt, dass hier der wahre Wein des Lebens gereicht wird. Frank McCourt