Richard Rohr, Nur wer absteigt, kommt auch an, Claudius 2010, 116 Seiten, ISBN 978-3-532-62387-9
In seinem letzten Buch "Pure Präsenz", das von Kritikern aus Amerika wie etwa Jim Wallis als sein bisher wichtigstes bezeichnet wird, schreibt der amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr
zusammenfassend:
"Alles Reden muss durch Schweigen ausbalanciert werden. Alles Wissen muss durch…mehrRichard Rohr, Nur wer absteigt, kommt auch an, Claudius 2010, 116 Seiten, ISBN 978-3-532-62387-9
In seinem letzten Buch "Pure Präsenz", das von Kritikern aus Amerika wie etwa Jim Wallis als sein bisher wichtigstes bezeichnet wird, schreibt der amerikanische Franziskanerpater Richard Rohr zusammenfassend:
"Alles Reden muss durch Schweigen ausbalanciert werden. Alles Wissen muss durch Nichtwissen relativiert werden. Ohne diesen Ausgleich wird Religion unweigerlich arrogant, ausgrenzend und sogar gewalttätig. Alles Licht muss austariert werden durch Finsternis und jeder Erfolg durch Leiden. Der Heilige Johannes von Kreuz nannte dies die 'leuchtende Dunkelheit', der Heilige Augustinus das 'österliche Geheimnis' oder das 'notwendige Pessach' und Katholiken proklamieren es bei jeder Eucharistiefeier ausdrücklich als das Geheimnis des Glaubens: Tod und Auferstehung gehören zusammen. Aber dieses Axiom ist nur selten der reale Kern unserer Existenz".
Das liegt nach Richard Rohr auch daran, dass selbst gläubige Menschen die Welt in Dualismen sehen. Richtig oder falsch, weiß oder schwarz etc. Für ihn ist Kontemplation, zu der er seine Leser anleiten und einladen möchte eine "nichtdualistische Weise, den gegenwärtigen Augenblick zu sehen".
In dem hier vorliegenden, nun schon in zweiter Auflage erschienenen etwas früheren Buch, geht es mehr oder weniger um die gleiche spirituelle Haltung, doch er setzt hier einen anderen Schwerpunkt. Ging es in „Pure Präsenz“ um die Überwindung der unser Denken und Handeln bestimmenden Dualismen, beschäftigt er sich hier mit der radikalen Botschaft der Bibel, die im Abstieg das Heil sieht.
In einem langen Gang durch die Bibel und ihre Rezeption in der Kirchengeschichte zeigt Richard Rohr überzeugend auf, dass die Maximen unserer heutigen Welt, von allem immer mehr zu haben und zu sein, ganz und gar nicht biblisch sind. Und in diesem Streben nach mehr, in dieser permanenten komparativischen Existenz, wie ich das nennen möchte, liegt der Hauptgrund für das seelische Elend vieler Menschen. Diese Maxime treibt nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Gesellschaften und Volkswirtschaften immer öfter in den Abgrund. Dagegen sagen die Propheten des Alten Testamentes und die Botschaft Jesu: Nicht dass du immer besser wirst in deinen Leistungen, nicht dass du alles um dich herum ständig optimierst, macht dein wahres Menschsein aus, sondern dass du bereit bist „abzusteigen“ und deine Schwächen und Niederlagen liebend anzunehmen.
Wer sich auf diesen Weg begibt, und die Widersprüche seines Lebens, die Rohr im Kreuz symbolisiert sieht, aushält, wer versucht, Gott in allen Dingen zu finden, auch im Schmerz, in der Tragik und in der Sünde, wer den Tod als großen Lehrer seines Lebens annimmt, und lernt sich selbst zu vergeben, der wird erleben, dass , so paradox es klingen mag, der Weg des Abstiegs sich verwandelt in einen Weg eines spirituellen Aufstiegs hin zum gottebenbildlichen Menschsein.