Es gibt viele Arten von Gärten: Blumen- und Obstgärten, Gärten in der Landschaft, Gärten hinter Hecken, aber auch Gärten hinter Mauern. Von diesen und von den Menschen, die sie als "Oasen der Sehnsucht" angelegt haben, erzählt dieses Buch. Porträtiert werden acht Menschen, die aus verschiedensten Gründen solche Gärten kultiviert haben. Mönch oder Millionär, Kaiser, Konkubine oder Häftling - sie alle waren in ihren Gärten "gefangen", ob freiwillig oder weil sie dazu verurteilt waren. Walahfrid Strabo, der Mönch auf der Reichenau, der politische Gefangene Nelson Mandela, Albert Speer in Spandau, der Apfelpfarrer Aigner im KZ Dachau, der göttliche Kaiser Kangxi, Sultan Süleyman der Prächtige und seine Haremsdamen, die Häftlinge von Leyhill, die Goldmedaillen gewinnen, oder William Beckford, der exzentrische Millionär.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.10.2004Blickdichte Paradiese
Gärtner sind Angeber. Sie kennen kaum etwas Schöneres als Neugierige, die über dem Zaun hängen und staunen: Was für eine wundervolle Kletterrose. Diese Zuckererbsen - ein Gedicht. Und woher haben Sie bloß diese auberginefarbene Clematis? Dann räuspert sich der Gärtner, schaut auf die schwarzen Ränder unter dem Fingernagel seines grünen Daumens und gibt bescheiden Auskunft. Es ist ein schöner Moment für ihn.
Manche Gärtner freilich legen es nicht darauf an, neidische Blicke von Mitmenschen auf sich zu ziehen. Ihre Miniaturparadiese liegen im Verborgenen. Hinter Hecken, Mauern oder Wällen - eine Welt für sich. Dazu muß man wissen, daß der hortus conclusus, der geschlossene Garten, das Urbild allen Kultivierens ist. Denn was einst unter Mühen dem Wildwuchs entrissen war, mußte geschützt werden - vor Wind, Karnickeln oder anderen gefräßigen Kreaturen. Auch heute gibt es noch solche geschlossenen Gärten - etwa in Leyhill, in der Nähe von Bristol. Dort befindet sich eine Haftanstalt, in der sich bis zu 110 Strafgefangene als Gärtner und Landschaftsdesigner betätigen. Und zwar so erfolgreich, daß sie seit etlichen Jahren auf der Chelsea Flower Show, der prestigereichsten Leistungsschau Großbritanniens, den Profis zeigen, was eine Harke ist. Sie räumen da eine Medaille nach der anderen ab. Gelernt haben sie das von Jeff Goundrill, einem charismatischen Vollzugsbeamten. Der Hüne mit dem rotblonden Bürstenschnitt hat nie Landschaftsarchitektur studiert, verfügt aber über reichlich praktische Erfahrung, gepaart mit Phantasie und Optimismus. Anfangs hatten seine Knackis keinen blassen Schimmer vom Säen, Pflanzen, Pikieren oder Vereinzeln. Inzwischen hat die grüne Arbeit vielen von ihnen neuen Lebensmut eingeflößt und Perspektiven eröffnet.
Es ist nicht das einzige Beispiel dafür, daß sich Gärtnerei als therapeutischer Segen erweist. Auch Nelson Mandela, der Held Südafrikas, hat in den 27 Jahren seiner Inhaftierung seine eingemauerte Umgebung immer wieder aufblühen lassen. Wenn ihm gar nichts anderes übrigblieb, nahm er eben leere Ölfässer und pflanzte Tomaten darin.
Kej Hielscher und Renate Hücking haben die Geschichten dieser Gärten im Verborgenen aufgeschrieben; herausgekommen ist das ungewöhnlichste Gartenbuch der Saison. Acht Porträts von Menschen, die freiwillig oder durch Umstände gezwungen einen grünen Mikrokosmos schufen. Ob Walahfrid Strabo, der Mönch auf der Reichenau, der Apfelpfarrer Korbinian Aigner, der seine bahnbrechende Arbeit sogar im KZ Dachau fortsetzte, oder Sultan Süleyman der Prächtige - sie alle waren nicht nur gefangen von ihrem tollkühnen Vorhaben, sondern wuchsen innerlich mit jedem Zentimeter, den ihre Pflanzen dem Licht entgegenstrebten.
AvM
Renate Hücking, Kej Hielscher: Oasen der Sehnsucht. Von Gärten im Verborgenen. Piper Verlag, 272 Seiten, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Gärtner sind Angeber. Sie kennen kaum etwas Schöneres als Neugierige, die über dem Zaun hängen und staunen: Was für eine wundervolle Kletterrose. Diese Zuckererbsen - ein Gedicht. Und woher haben Sie bloß diese auberginefarbene Clematis? Dann räuspert sich der Gärtner, schaut auf die schwarzen Ränder unter dem Fingernagel seines grünen Daumens und gibt bescheiden Auskunft. Es ist ein schöner Moment für ihn.
Manche Gärtner freilich legen es nicht darauf an, neidische Blicke von Mitmenschen auf sich zu ziehen. Ihre Miniaturparadiese liegen im Verborgenen. Hinter Hecken, Mauern oder Wällen - eine Welt für sich. Dazu muß man wissen, daß der hortus conclusus, der geschlossene Garten, das Urbild allen Kultivierens ist. Denn was einst unter Mühen dem Wildwuchs entrissen war, mußte geschützt werden - vor Wind, Karnickeln oder anderen gefräßigen Kreaturen. Auch heute gibt es noch solche geschlossenen Gärten - etwa in Leyhill, in der Nähe von Bristol. Dort befindet sich eine Haftanstalt, in der sich bis zu 110 Strafgefangene als Gärtner und Landschaftsdesigner betätigen. Und zwar so erfolgreich, daß sie seit etlichen Jahren auf der Chelsea Flower Show, der prestigereichsten Leistungsschau Großbritanniens, den Profis zeigen, was eine Harke ist. Sie räumen da eine Medaille nach der anderen ab. Gelernt haben sie das von Jeff Goundrill, einem charismatischen Vollzugsbeamten. Der Hüne mit dem rotblonden Bürstenschnitt hat nie Landschaftsarchitektur studiert, verfügt aber über reichlich praktische Erfahrung, gepaart mit Phantasie und Optimismus. Anfangs hatten seine Knackis keinen blassen Schimmer vom Säen, Pflanzen, Pikieren oder Vereinzeln. Inzwischen hat die grüne Arbeit vielen von ihnen neuen Lebensmut eingeflößt und Perspektiven eröffnet.
Es ist nicht das einzige Beispiel dafür, daß sich Gärtnerei als therapeutischer Segen erweist. Auch Nelson Mandela, der Held Südafrikas, hat in den 27 Jahren seiner Inhaftierung seine eingemauerte Umgebung immer wieder aufblühen lassen. Wenn ihm gar nichts anderes übrigblieb, nahm er eben leere Ölfässer und pflanzte Tomaten darin.
Kej Hielscher und Renate Hücking haben die Geschichten dieser Gärten im Verborgenen aufgeschrieben; herausgekommen ist das ungewöhnlichste Gartenbuch der Saison. Acht Porträts von Menschen, die freiwillig oder durch Umstände gezwungen einen grünen Mikrokosmos schufen. Ob Walahfrid Strabo, der Mönch auf der Reichenau, der Apfelpfarrer Korbinian Aigner, der seine bahnbrechende Arbeit sogar im KZ Dachau fortsetzte, oder Sultan Süleyman der Prächtige - sie alle waren nicht nur gefangen von ihrem tollkühnen Vorhaben, sondern wuchsen innerlich mit jedem Zentimeter, den ihre Pflanzen dem Licht entgegenstrebten.
AvM
Renate Hücking, Kej Hielscher: Oasen der Sehnsucht. Von Gärten im Verborgenen. Piper Verlag, 272 Seiten, 19,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main