Mit dem Aufstieg der Seebäder im Wilhelminischen Kaiserreich trat auch der "Bäder-Antisemitismus" auf den Plan. "Judenrein!" lautete die Parole an der Ostsee, lange bevor der NS-Staat Wirklichkeit geworden war. Schon um 1900 bringen jüdische Zeitungen "Bäderlisten" heraus, anhand derer sie vor Badeorten warnen, in denen jüdisches Publikum "unerwünscht"ist. Als "Judenbäder" gelten umgekehrt Orte wie Heringsdorf, wo zunächst noch eine liberale Atmosphäreherrscht.Aus einer Fülle unveröffentlichter Archivalien und weithin in Vergessenheit geratener historischer Quellen, Tagebuchnotizen, Briefe, Reiseberichte jüdischer Badeprominenz zeichnet Kristine von Soden ein vielschichtiges Bild des Strandalltags jener Zeit bis 1937, als nahezu alle Orte und Strände für jüdische Badegäste verboten waren.Aktualisiert und durch zahlreiche Dokumente speziell zu Warnemünde und Kühlungsborn erweitert sowie mit eindrucksvollen zusätzlichen neuen Abbildungen versehen, schuf die Autorin ein Standardwerk- in literarischem Stil und zugleich wissenschaftlich fundiert.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Nicht primär als wissenschaftliche Arbeit hat Kristine von Soden ihr Buch über jüdische Badegäste an der Ostsee und ihre schrittweise Vertreibung angelegt, erklärt Rezensent Till Schmidt. Vielmehr forme die Autorin aus einer Vielzahl historischer Berichte ein collagenartiges, literarisch ambitioniertes Zeitbild, zu der sich außerdem eine Fotostrecke über den Verfall vieler Ostsee-Feriendomizile geselle. Das Buch zeichne nach, dass antisemitische Agitation bereits vor 1933 Juden von vielen Stränden vertrieben hatte. Von Soden gebe aber auch der historischen jüdischen Gegenöffentlichkeit Raum, Zeitschriften und Vereinen, die darum kämpften, die letzten Freiräume für jüdische Bürger auch an der Ostsee zu schützen. Besonders rührt Schmidt eine Episode, die eine direkte Verbindung zieht von der Vertreibung dreier junger Jüdinnen von einem Strand bei Prerow im Jahr 1938 und ihrer Ermordung in Auschwitz.
© Perlentaucher Medien GmbH
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