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Wer Deschners blitzschnelle Florettstiche und seine wuchtigen Keulenschläge gegen alle angeblich göttlichen, in Wahrheit jedoch angebbar weltlich-allzuweltlichen Dogmen und Hierarchien schätzt, für den sind diese Texte ein gefundenes Fressen: immer radikal antiklerikal, religiös skeptisch-tolerant, aufklärerisch bis rebellisch. Hier kämpft ein unruhiger Geist mit spitzer Feder und imponierendem Faktenwissen.

Produktbeschreibung
Wer Deschners blitzschnelle Florettstiche und seine wuchtigen Keulenschläge gegen alle angeblich göttlichen, in Wahrheit jedoch angebbar weltlich-allzuweltlichen Dogmen und Hierarchien schätzt, für den sind diese Texte ein gefundenes Fressen: immer radikal antiklerikal, religiös skeptisch-tolerant, aufklärerisch bis rebellisch. Hier kämpft ein unruhiger Geist mit spitzer Feder und imponierendem Faktenwissen.
Autorenporträt
Karlheinz Deschner, geb. 1924 in Bamberg, war im Krieg Soldat. Er studierte Jura, Theologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte. Seit 1958 veröffentlichte Deschner seine entlarvenden und provozierenden Geschichtswerke zur Religions- und Kirchenkritik. Der forschende Schriftsteller lebte in Haßfurt am Main. 1988 wurde er mit dem Arno-Schmidt-Preis ausgezeichnet. Karlheinz Deschner verstarb im Jahr 2014.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.09.1997

Mit Menschen- und mit Teufelszungen
Und die Hölle?! Ah, ja, jaaah! Der Kirchenkritiker Karlheinz Deschner läßt sich nicht zum Schweigen bringen

Zu Karlheinz Deschners Strategie gehört es, sich Feinde zu machen. Seit er vor fünfunddreißig Jahren als Kirchenkritiker hervortrat, pflegt er das scharfe Wort. In seiner Lage ist das begreiflich. Er hat mehr belastendes Material zusammengetragen als irgend jemand sonst und fürchtete von Anfang an, man werde ihn ignorieren - totschweigen, wie das in seiner Sprache heißt.

Es gibt noch einen anderen Grund. Deschner beschreibt die großen Kirchen als Machtapparate, die sich mühelos der herrschenden Ordnung anzupassen verstünden. In einer liberalen Gesellschaft wäre das die geheuchelte Toleranz gegenüber Andersdenkenden, die man beizeiten auch gern wieder totschlüge. Und mit jedem versöhnlichen Wort machte sich der Kritiker zu einem Mitspieler der Farce.

Mehr als zwanzig kirchenkritische Bücher hat der dreiundsiebzigjährige Literaturwissenschaftler bislang verfaßt, darunter die erste Hälfte seines Lebenswerks, die auf zehn Bände angelegte "Kriminalgeschichte des Christentums". Ob er ein Monomane sei, wollte ein Journalist von ihm wissen. Nicht monomanischer, war die Antwort, als jemand, der ein Leben lang Brötchen backe. Auch in seinem neuen Buch mit dem launigen Titel "Oben ohne" bleibt der Verfasser seinem Thema treu. Seine Gewährsleute sind die Klassiker des abendländischen Denkens, die er kennt wie kaum ein zweiter. Freilich prahlt er nur zu gern mit seiner Belesenheit. Das Register seines Buchs umfaßt an die achthundert Namen. Goethe, Heine und Nietzsche beschwört er so inbrünstig wie mancher Katholik seine Heiligen.

Deschners Tragik liegt allenfalls darin, daß er unermüdlich Gründe für eine Entscheidung sammelt, die so kaum jemand fällt. Der Gläubige begreift seinen Glauben als ein Vermögen und folglich den Ungläubigen als jemanden, dem dieses Vermögen fehlt. Der Dissens beginnt also nicht erst im Ergebnis, sondern schon in der Methode. Das gilt besonders für Karlheinz Deschner; denn anders als die meisten Kirchenkritiker, läßt er die metaphysischen Fragen beiseite und argumentiert rein historisch. Die Kirche eines gütigen Gottes, meint er, sollte auch bessere Menschen hervorbringen. Und er weist an unzähligen Beispielen nach, daß sie das bisher nicht getan hat, daß sie vielmehr an einigen der ärgsten Barbareien der Geschichte beteiligt war. Dabei leugnet er natürlich nicht die christliche Caritas: "Die guten Christen sind die gefährlichsten - man verwechselt sie mit dem Christentum." Christentum - das ist für Deschner die verschwindende Minderheit seiner Führer und Theologen.

Schüttet der Kritiker hier nicht das Kind mit dem Bade aus? Auch eine Kirche besteht nur aus fehlbaren Menschen. Sie bleibt nicht von jenen Gruppengesetzen verschont, die oft den Rücksichtslosen begünstigen. Das Problem ist nur, daß die Kirche ihre Autorität auf den Willen eines Gottes gründet, den nur sie kennt. Solange aber Lehre und religiöse Praxis solchermaßen in eins fallen, muß ein Papst oder Bischof stetes Vorbild sein, will er nicht seinen Glauben diskreditieren: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Und wenn man Deschner glaubt, waren unter den Päpsten vielleicht zehn oder zwölf, die man auch nur als anständige Menschen bezeichnen könnte.

Interessant ist dieses Buch vor allem dort, wo der Autor im Detail arbeitet. Im Aufsatz "Reliquien" rechnet er vor, wie wundersam sich die Gebeine der Heiligen bis auf den heutigen Tag vermehren. Allein der heilige Georg ruht an dreißig verschiedenen Stätten. Am Fall des Münchner Kardinals Faulhaber zeigt er auf, wie die Kirche nach dem Krieg aus glühenden Nazis Widerstandskämpfer machte. In einem Brief an König David erinnert er daran, daß der Held aller Kindergottesdienste laut Bibelworten Hunderttausende massakriert oder in Öfen verbrannt hat ("Wie Dreck auf der Gasse will ich sie zerstäuben und zertreten").

Dennoch ist gegen den Band einiges einzuwenden. "Starke Stücke" verspricht zwar der Untertitel; doch die sind eher in der ersten Sammlung "Opus Diaboli" zu finden, die vor zehn Jahren erschien. "Oben ohne" vereinigt überwiegend schwächere Texte und jene Gelegenheitsarbeiten, die zusammenzusuchen man am besten der Nachwelt überläßt: Briefe, Antworten auf Umfragen, ein Gutachten, selbst Interviews. Alles davon ist schon einmal erschienen, teils in Deschners eigenen Büchern, auch solchen, die noch erhältlich sind. Das wäre vertretbar, wenn es einen Aspekt seiner Arbeit in ein neues Licht setzte. Tatsächlich aber schlachtet der Autor gern seine alten Arbeiten für die neuen aus, was seine treuen Leser zwingt, dieselben Sätze doppelt und dreifach zu lesen. Zudem hat sich in manchen der jüngeren Arbeiten ein schriller Ton ausgebreitet, der mitunter tatsächlich daran zweifeln läßt, ob Deschner noch bei Verstand ist: "Und die Hölle?! Ah, ja, jaaah! Erst jetzt leuchtet ihr wie der aufgehende Vollmond, jetzt erst kommt der volle Glanz in euer Jenseitsauge, wird euch so recht warm ums Herz. (Ja, gegen euren Haß, Herrschaften, unsre Häme; gegen eure Lügen- und Verleumder- unsere Lästerzunge!)"

So schrieb Deschner 1990 in einem Beitrag über sein Gottesbild, zu dem ihn der Herausgeber einer katholischen Anthologie eingeladen hatte. Das hindert ihn nicht, ebendort den Verdacht zu äußern, daß man ihn "so oder so zum Schweigen bringen" wolle. Das mag einmal so gewesen sein. Heute könnte man seinen Gegnern nur raten, ihn in diesem Ton weiterreden zu lassen. Die Argumente seien längst erbracht - auch das steht in diesem Aufsatz. Man kann sie also nur wiederholen, immer ausführlicher, immer lauter.

"Unsere Lästerzunge" - das sind enthüllende Worte. Denn der oft parteiisch gescholtene Deschner ist im Grunde seine eigene Partei. Zwar mag es in Deutschland mehr Konfessionslose geben als je zuvor; doch noch stärker wohl wächst die Zahl derer, die die Kirche am liebsten sich selbst überlassen wollen. Der Siegeszug des Atheismus, klagen die Kirchen. Eine Finte des Klerus, argwöhnt Karlheinz Deschner; und beiden paßt es ganz und gar nicht. Fast scheint es, als ob sich die Fronten verschöben. Vielleicht sind die Zeiten nicht mehr fern, da die Altvorderen der Gotteslehre und ihre schärfsten Feinde gemeinsam anschreiben werden gegen die religiöse Gleichgültigkeit. MICHAEL ALLMAIER

Karlheinz Deschner: "Oben ohne". Für einen götterlosen Himmel und eine priesterfreie Welt. Rowohlt Verlag, Reinbek 1997. 383 S., geb., 39,80 Mark.

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