Amorbach im hinteren Odenwald, vor dem Hotel zur Post, in dem Theodor W. Adorno die Sommerfrische zu verbringen pflegte: Hier findet sich der Romancier Thomas Meinecke mit seinen Romanfiguren zu Forschungszwecken ein. Amorbach, so wird schnell klar, ist auch Adornobach, des exilierten Philosophen Traumort (an den hin er sich selbst von der Küste des Pazifiks häufig träumte). Der Odenwald bleibt nicht ohne Einfluss auf die Recherchen der Romanfiguren, er ist ein Oden- und ein Märchenwald, ein dunkler deutscher Forst, in dem neben Märchenfiguren auch als Räuber umherschweifende, vom regierenden Fürsten enteignete Waldbauern auftreten. Einige von ihnen wurden schon im 19. Jahrhundert nach Texas verfrachtet, so dass der Wilde Westen auch Thomas Meineckes neuem Roman seine Motive einschreibt.
In Odenwald flechten der Schriftsteller-Darsteller Meinecke und seine Hauptfiguren die roten Fäden einer ausgedehnten Recherche zum dekonstruktivistisch-feministischen Diskurszopf: Paul Preciados Rede vor Psychoanalytiker:innen in Paris geht mit gendersprachlich aufregenden mittelalterlichen Texten eine Verbindung ein. Die viel diskutierte Rückkehr der Körper, des Materiellen, des Materialismus wird verhandelt - auch im Privatleben der handelnden Personen. Und über allem liegt die Konzertmusik des 20. Jahrhunderts - das ist dieser Roman Adorno schuldig.
In Odenwald flechten der Schriftsteller-Darsteller Meinecke und seine Hauptfiguren die roten Fäden einer ausgedehnten Recherche zum dekonstruktivistisch-feministischen Diskurszopf: Paul Preciados Rede vor Psychoanalytiker:innen in Paris geht mit gendersprachlich aufregenden mittelalterlichen Texten eine Verbindung ein. Die viel diskutierte Rückkehr der Körper, des Materiellen, des Materialismus wird verhandelt - auch im Privatleben der handelnden Personen. Und über allem liegt die Konzertmusik des 20. Jahrhunderts - das ist dieser Roman Adorno schuldig.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Ziemlich ungnädig bespricht Rezensent Kai Sina Thomas Meineckes neuen Roman. Wobei, Roman: Tatsächlich ist das hier, erfahren wir, eher eine Collage, die Dialoge von Figuren - es geht um einige Leute, die sich nach Amorbach im Odenwald zurückgezogen haben um zu forschen, mehr teilt und Sina über die Handlung nicht mit - und kurze erzählerische Textpassagen mit allerlei Zitaten aus Presse, Internet und Literaturwissenschaft verknüpft. Um Adorno geht es gelegentlich, verrät Sina, auf diesen verweist schon der Handlungsort, denn eben in Amorbach machte der berühmte Soziologe einst gern Sommerurlaub. Daneben geht's viel um Judith Butler - und um Thomas Meinecke, denn der Autor lässt auch wissenschaftliche Beschreibungen seiner eigenen Texte in das neue Buch einfließen. Ziemlich eitel findet Sina das, der bemerkt, dass dadurch Meineckes Anspruch, sich selbst als Autor nicht so wichtig zu nehmen, konterkariert wird. Ein wenig fühlt sich Sina in die 1990er zurückversetzt, auf dieses Jahrzehnt verweisen viele intellektuelle Diskurse, die Meinecke aufgreift, und dann geht es auch noch ständig um ein wiederaufgelegtes Helmut-Lang-Parfüm aus eben jener Zeit. In den Neunzigern war die Art von Schreiben, die Meinecke zelebriert, möglicherweise radikal und aufregend, heutzutage setzt sie jedoch einfach nur fort, was durch die Aufmerksamkeitsdiffusion im Internet ohnehin allgegenwärtig ist, stöhnt der Kritiker. Die Art von Gegenwartsprosa, an der sich Meinecke hier versucht, braucht jedenfalls weniger eine Wiederauflage als eine Rundumerneuerung, schließt er.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Die Materialfülle ist regelrecht kurzweilig.« Stefan Michalzik Frankfurter Rundschau 20241220