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Ödipus - seinen Vater hat er erschlagen, mit seiner Mutter vier Kinder gezeugt. Als er erkennt, was er getan hat, blendet er sich selbst. Das ist die Tragödie des einst mächtigen Königs von Theben. Von dort vertrieben, alt geworden und begleitet einzig von seiner Tochter Antigone, ersehnt er nur noch einen friedlichen Tod auf Kolonos nahe Athen. Doch auch dort holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein: Theben droht ein blutiger Bruderkrieg, in dem beide Parteien den des Lebens und Leidens überdrüssigen Ödipus auf ihre Seite zwingen wollen. Wie in seiner berühmten Übertragung der «Orestie»…mehr

Produktbeschreibung
Ödipus - seinen Vater hat er erschlagen, mit seiner Mutter vier Kinder gezeugt. Als er erkennt, was er getan hat, blendet er sich selbst. Das ist die Tragödie des einst mächtigen Königs von Theben. Von dort vertrieben, alt geworden und begleitet einzig von seiner Tochter Antigone, ersehnt er nur noch einen friedlichen Tod auf Kolonos nahe Athen. Doch auch dort holen ihn die Schatten der Vergangenheit ein: Theben droht ein blutiger Bruderkrieg, in dem beide Parteien den des Lebens und Leidens überdrüssigen Ödipus auf ihre Seite zwingen wollen.
Wie in seiner berühmten Übertragung der «Orestie» folgt Peter Stein, Intendant und Regisseur von internationalem Rang, auch diesmal seinem Ideal, eine klare und zeitgemäße, genaue und vollständige Wiedergabe des antiken Textes zu leisten, deren oberstes Ziel die Verständlichkeit ist. Der humanistisch gebildete Theatermann legt erneut eine Übersetzung vor, die sich nicht nur auf der Bühne bewährt hat - 2010 erprobte er sie im Rahmen der Salzburger Festspiele mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle -, sondern ihre sprachliche Kraft und Schönheit auch bei der Lektüre entfaltet.
Autorenporträt
Peter Stein arbeitete an zahlreichen europäischen Bühnen. Für sein künstlerisches Schaffen wurde er vielfach mit Preisen und Auszeichnungen geehrt - darunter der Erasmus-Preis und der Europäische Theaterpreis.

Bernd Seidensticker ist Professor em. für Klassische Philologie an der Freien Universität Berlin. Er ist ein ausgewiesener Spezialist für die Geschichte des antiken Theaters und die Antikerezeption.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.1996

Es welkt die Kraft
Ödipus auf Kolonos, neu ediert · Von Manfred Fuhrmann

"Ödipus auf Kolonos": das Stück vom Sterben eines alten Mannes, verfaßt von einem Autor, der, neunzigjährig, selbst vor der Pforte des Todes stand - als Drama wenig tauglich, so daß es nur sehr selten aufgeführt wird, als Dichtung unvergleichlich.

Man könnte von "der Tragödie zweitem Teil" sprechen, entstanden etwa zwei Jahrzehnte nach dem berühmten "König Ödipus" als dessen Kontrapost. Das Stück spielt gleichsam auf zwei Ebenen. Die menschliche Ebene zeigt einen Asylsuchenden besonderer Art, eben Ödipus, den wegen seiner schrecklichen Taten aus Theben Vertriebenen, der endlich in Athen, auf einem "Hügel" (Kolonos), Aufnahme findet. Zur göttlichen Ebene, zur Verklärung und Entrückung dessen, der genug gebüßt hat, bemerkte Goethe: "Es gibt wohl keine höhere Katharsis als den Ödipus von Colonus, wo ein halbschuldiger Verbrecher . . . sich selbst und die Seinigen in das tiefste unherstellbarste Elend stürzt und doch zuletzt noch aussöhnend ausgesöhnt und zum Verwandten der Götter, als segnender Schutzgeist eines Landes eines eigenen Opferdienstes werth, erhoben wird."

Von Wolfgang Schadewaldt, dem bedeutenden Gräzisten und herausragenden Vermittler griechischer Dramen (1900 bis 1974), waren bislang an Übersetzungen aus dem Werk des Sophokles die Tragödien "Aias", "Antigone", "König Ödipus" und "Elektra" allgemein zugänglich; der "Ödipus auf Kolonos" hingegen führte lediglich als Bühnentext ein recht verborgenes Dasein. Er wurde jetzt von dem Schadewaldt-Schüler Hellmut Flashar, dem Münchner Gräzisten, ans Licht geholt - zu Recht. Die Übersetzung gehorcht den Prinzipien, die Schadewaldt auch sonst befolgt hat: Sie hält sich streng an das Original, sie gibt es "dokumentarisch" wieder, nicht "transponierend" (um Schadewaldts eigene Terminologie zu gebrauchen), und verzichtet statt dessen auf Genauigkeit im Metrum. Diese Technik, die sicher sein darf, daß sie unfreiwillige Anleihen bei deutschen Klassikern meidet, bringt eine Sprache hervor, die ebenso rein wie kraftvoll klingt: "Nur den Göttern / Kommt weder Alter jemals oder Tod. / Das andre alles macht zunichte / Die allgewaltige Zeit: es welkt / Des Landes, welkt des Leibes Kraft, / Die Treue stirbt, Untreue keimt herauf, / Und niemals weht der gleiche Wind / Von Freund zu Freund oder von Stadt zu Stadt."

Auch der heutzutage verhältnismäßig wenig bekannte Schwanengesang des Sophokles hat vielfältig auf die Literatur und die bildenden Künste Europas ausgestrahlt. Der Herausgeber, hierin unterstützt von dem Archäologen Martin Flashar, hat keine Mühe gescheut, die zerstreuten Reflexe zu sammeln und wohlgeordnet vorzuführen. Der Anhang gibt Rechenschaft über die Opern, Dramen und Gedichte, die Plastiken, Reliefs und Gemälde, die von dem Stück des griechischen Tragikers inspiriert sind, nicht ohne das Verzeichnis der sichtbaren Zeugnisse durch Abbildungen zu illustrieren. Unnötig zu bemerken, daß der Leser in dieser sorgfältigen Ausgabe auch über das Drama selbst, den Stoff, die Handlung und die postume Erstaufführung im Jahre 401 vor Christus hinlänglich unterrichtet wird.

Sophokles: "Ödipus auf Kolonos". Übertragen von Wolfgang Schadewaldt. Herausgegeben von Hellmut Flashar. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 1996. 164 S., br., 14,80 DM.

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