In "Ökologie und Gesellschaftskritik", dem abschließenden Band der "Nachgelassenen Schriften", tritt Herbert Mar cuse als Visionär der aufkeimenden Ökologiebewegung hervor.
Die destruktive Kraft der kapitalistischen Produktionsweise war zeitlebens ein zentrales Thema in den Schriften Herbert Marcuses. Immer wieder hat er die zerstörerische Umlenkung der menschlichen Triebkräfte im fremdbestimmten Arbeitsprozess analysiert, den Zusammenhang von autoritären Charakterstrukturen und autoritärem Staat aufgezeigt, das aggressive Potential der imperialistischen Blöcke gegeißelt. In seinen späten Schriften thematisiert Marcuse ein weiteres Moment der Ausbeutung: Nach der Unterdrückung der inneren Natur des Menschen rückt die Ausbeutung und Unterdrückung der äußeren Natur durch den Menschen immer stärker in den Focus seines Denkens. Ökologie und Gesellschaftskritikversammelt entscheidende Texte aus allen Schaffensperioden Marcuses und zeigt ihn als einen frühen Visionär der Ökologiebewegung - ohne deren Schwanken zwischen Schrebergartenperspektive und Untergangsprophetie.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die destruktive Kraft der kapitalistischen Produktionsweise war zeitlebens ein zentrales Thema in den Schriften Herbert Marcuses. Immer wieder hat er die zerstörerische Umlenkung der menschlichen Triebkräfte im fremdbestimmten Arbeitsprozess analysiert, den Zusammenhang von autoritären Charakterstrukturen und autoritärem Staat aufgezeigt, das aggressive Potential der imperialistischen Blöcke gegeißelt. In seinen späten Schriften thematisiert Marcuse ein weiteres Moment der Ausbeutung: Nach der Unterdrückung der inneren Natur des Menschen rückt die Ausbeutung und Unterdrückung der äußeren Natur durch den Menschen immer stärker in den Focus seines Denkens. Ökologie und Gesellschaftskritikversammelt entscheidende Texte aus allen Schaffensperioden Marcuses und zeigt ihn als einen frühen Visionär der Ökologiebewegung - ohne deren Schwanken zwischen Schrebergartenperspektive und Untergangsprophetie.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.1999Ein Marcuse ist nicht genug
Schafft ein, zwei, viele Vietnams, so lautet ein bekannter Slogan der Studentenbewegung der sechziger Jahre. Daraus ist zum Glück nichts geworden. Einer ihrer Mentoren aber, Herbert Marcuse, scheint die Parole auf sich selbst bezogen und sich darangemacht zu haben, ein, zwei, viele Marcuses zu schaffen. Und dieses Unternehmen war erfolgreich. Der erste Band, seine nachgelassenen Schriften, der sechs Texte von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren vereint, zeigt eine solche Fülle von Marcuses, dass man Mühe hat, sie alle unter einen Hut zu bekommen (Herbert Marcuse: "Nachgelassene Schriften". Band 1: Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Peter-Erwin Jansen. Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt. Dietrich zu Klampen Verlag, Lüneburg 1999. 176 S., geb., 38,- DM). Da ist ein Jefferson-Marcuse, der mit beredten Worten beklagt, was aus life, liberty, and the pursuit of happiness in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft geworden ist. Ein William-Morris-Marcuse, der von einer Vervollkommnung der verschandelten Objektwelt nach den Maßgaben der Schönheit träumt. Ein André-Breton-Marcuse, der die kulturrevolutionäre Entsublimierung auf die Tagesordnung setzt. Und ein Malraux-Marcuse, der um die Bestände seines imaginären Museums fürchtet. Ferner treten auf: ein Erbe Husserls und Heideggers, der den wissenschaftlich-technischen "Entwurf" politisch zu deuten versucht. Ein Berater des State Department, der die Chancen für antidemokratische Volksbewegungen im Nachkriegsdeutschland auslotet. Ein erklärter Feind derselben Einrichtung, der die Vereinigten Staaten auf dem geraden Weg in den Faschismus sieht. Ein Prediger des erotischen und des moralischen Fundamentalismus. Ein Platon redivivus, der die Menschheit in die harte Zucht der Philosophen-Könige nehmen möchte. Ein Trittbrettfahrer der Roll-over-Beethoven-Bewegung. Ein idealistischer Ästhetiker Schillerscher Provenienz . . . Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen? Mit psychologischen Kategorien wird man dieser wundersamen Vervielfältigung nicht gerecht. Weiter kommt man, wenn man die genannten Figuren als Masken deutet, in die ein Ritualsubjekt schlüpft. Aus der Religionsethnologie kennt man vergleichbare Vorgänge: Bei den Irokesen beispielsweise gibt es den Bund der "False Faces", dessen Mitglieder in zahlreichen, nach Traum-Vorbildern und Modellen mythischer Geistwesen hergestellten Masken auftreten und allerlei Rituale durchführen. Sobald sie die Masken anziehen, gleichen sie sich dem von ihr dargestellten Geistwesen an, verkörpern es und gehen auf diese Weise eine temporäre Beziehung zu ihm ein, ohne dauerhaft mit ihm zu verschmelzen. Eine Verbindung zu den "False Faces" ist im Fall Marcuses nicht sehr wahrscheinlich. Dagegen spricht die große Entfernung, die zwischen den Jagdgründen der Irokesen und der kalifornischen Küste liegt. Dagegen spricht auch, dass Marcuse seinen Geist schon aus der Alten Welt mitgebracht hat, genauer: aus Berlin-Reinickendorf. Um 1918 muss er ihm dort zum erstenmal erschienen sein und hat ihn von da an nicht mehr losgelassen: der Geist der Revolution. Ihm folgte er in seiner Zeit als Linksheideggerianer, anschließend als Linkshegelianer im Institut für Sozialforschung und endlich als eine Art intellektueller Hobo, der auf jeden Zug aufsprang, sofern er nur nach links fuhr. Und die Vielheit der Masken? Sie ist vielleicht damit zu erklären, dass sich der Geist der Revolution vor sehr unterschiedliche Aufgaben gestellt sieht. Die Jefferson-Maske eignet sich gut zur Stimulierung des moralischen Fundamentalismus und anschließende Trennungsriten, die eine Herauslösung von Novizen aus der Alltagsordnung bewirken. Die Breton-Maske ist hilfreich bei Schwellen- und Umwandlungsriten. Die Platon-Maske bewährt sich bei Angliederungsriten, die die Initianden des revolutionären Geistes in die Gemeinschaft der "neuen Menschen" inkorporieren. Für jede Aufgabe eine spezielle Maske: Das erinnert nun doch wieder sehr an die False Faces. Die Kritische Theorie, hat kürzlich ein Philosoph behauptet, sei tot. Wenn er damit den Geist der Revolution gemeint haben sollte, so hat er sich geirrt. Geister sterben nie. Sie mögen zwar mit der Zeit ihre Kraft einbüßen und, wie in diesem Fall, zur political correctness abmagern, doch wirklich totzukriegen sind sie nicht. Und so werden wohl auch Marcuses nachgelassene Schriften, von denen noch fünf weitere Bände ins Haus stehen, ihre Leserinnen und Leser finden, auch wenn es immer die gleichen Rituale sind, die in ihnen zelebriert werden.
STEFAN BREUER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schafft ein, zwei, viele Vietnams, so lautet ein bekannter Slogan der Studentenbewegung der sechziger Jahre. Daraus ist zum Glück nichts geworden. Einer ihrer Mentoren aber, Herbert Marcuse, scheint die Parole auf sich selbst bezogen und sich darangemacht zu haben, ein, zwei, viele Marcuses zu schaffen. Und dieses Unternehmen war erfolgreich. Der erste Band, seine nachgelassenen Schriften, der sechs Texte von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren vereint, zeigt eine solche Fülle von Marcuses, dass man Mühe hat, sie alle unter einen Hut zu bekommen (Herbert Marcuse: "Nachgelassene Schriften". Band 1: Das Schicksal der bürgerlichen Demokratie. Hrsg. und mit einem Vorwort versehen von Peter-Erwin Jansen. Aus dem Amerikanischen von Michael Haupt. Dietrich zu Klampen Verlag, Lüneburg 1999. 176 S., geb., 38,- DM). Da ist ein Jefferson-Marcuse, der mit beredten Worten beklagt, was aus life, liberty, and the pursuit of happiness in der fortgeschrittenen Industriegesellschaft geworden ist. Ein William-Morris-Marcuse, der von einer Vervollkommnung der verschandelten Objektwelt nach den Maßgaben der Schönheit träumt. Ein André-Breton-Marcuse, der die kulturrevolutionäre Entsublimierung auf die Tagesordnung setzt. Und ein Malraux-Marcuse, der um die Bestände seines imaginären Museums fürchtet. Ferner treten auf: ein Erbe Husserls und Heideggers, der den wissenschaftlich-technischen "Entwurf" politisch zu deuten versucht. Ein Berater des State Department, der die Chancen für antidemokratische Volksbewegungen im Nachkriegsdeutschland auslotet. Ein erklärter Feind derselben Einrichtung, der die Vereinigten Staaten auf dem geraden Weg in den Faschismus sieht. Ein Prediger des erotischen und des moralischen Fundamentalismus. Ein Platon redivivus, der die Menschheit in die harte Zucht der Philosophen-Könige nehmen möchte. Ein Trittbrettfahrer der Roll-over-Beethoven-Bewegung. Ein idealistischer Ästhetiker Schillerscher Provenienz . . . Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die gastlich hier zusammenkamen? Mit psychologischen Kategorien wird man dieser wundersamen Vervielfältigung nicht gerecht. Weiter kommt man, wenn man die genannten Figuren als Masken deutet, in die ein Ritualsubjekt schlüpft. Aus der Religionsethnologie kennt man vergleichbare Vorgänge: Bei den Irokesen beispielsweise gibt es den Bund der "False Faces", dessen Mitglieder in zahlreichen, nach Traum-Vorbildern und Modellen mythischer Geistwesen hergestellten Masken auftreten und allerlei Rituale durchführen. Sobald sie die Masken anziehen, gleichen sie sich dem von ihr dargestellten Geistwesen an, verkörpern es und gehen auf diese Weise eine temporäre Beziehung zu ihm ein, ohne dauerhaft mit ihm zu verschmelzen. Eine Verbindung zu den "False Faces" ist im Fall Marcuses nicht sehr wahrscheinlich. Dagegen spricht die große Entfernung, die zwischen den Jagdgründen der Irokesen und der kalifornischen Küste liegt. Dagegen spricht auch, dass Marcuse seinen Geist schon aus der Alten Welt mitgebracht hat, genauer: aus Berlin-Reinickendorf. Um 1918 muss er ihm dort zum erstenmal erschienen sein und hat ihn von da an nicht mehr losgelassen: der Geist der Revolution. Ihm folgte er in seiner Zeit als Linksheideggerianer, anschließend als Linkshegelianer im Institut für Sozialforschung und endlich als eine Art intellektueller Hobo, der auf jeden Zug aufsprang, sofern er nur nach links fuhr. Und die Vielheit der Masken? Sie ist vielleicht damit zu erklären, dass sich der Geist der Revolution vor sehr unterschiedliche Aufgaben gestellt sieht. Die Jefferson-Maske eignet sich gut zur Stimulierung des moralischen Fundamentalismus und anschließende Trennungsriten, die eine Herauslösung von Novizen aus der Alltagsordnung bewirken. Die Breton-Maske ist hilfreich bei Schwellen- und Umwandlungsriten. Die Platon-Maske bewährt sich bei Angliederungsriten, die die Initianden des revolutionären Geistes in die Gemeinschaft der "neuen Menschen" inkorporieren. Für jede Aufgabe eine spezielle Maske: Das erinnert nun doch wieder sehr an die False Faces. Die Kritische Theorie, hat kürzlich ein Philosoph behauptet, sei tot. Wenn er damit den Geist der Revolution gemeint haben sollte, so hat er sich geirrt. Geister sterben nie. Sie mögen zwar mit der Zeit ihre Kraft einbüßen und, wie in diesem Fall, zur political correctness abmagern, doch wirklich totzukriegen sind sie nicht. Und so werden wohl auch Marcuses nachgelassene Schriften, von denen noch fünf weitere Bände ins Haus stehen, ihre Leserinnen und Leser finden, auch wenn es immer die gleichen Rituale sind, die in ihnen zelebriert werden.
STEFAN BREUER
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Von für die Allgemeinheit doch recht begrenztem Interesse scheint dieser Band mit nachgelassenen Schriften Herbert Marcuses aus den dreißiger und vierziger Jahren. Es geht um eher interne Einschätzungen und Diskussionen im Zusammenhang des Instituts für Sozialforschung. Zwar war Marcuse als Kenner sehr verschiedener philosophischer Schulen (und als intimer Heidegger-Kenner) sehr gut in der Lage, über die Entwicklungen der Philosophie der Zeit kundig zu informieren. Den Ertrag findet der Rezensent Stefan Dornuf, der leider keinen wirklichen Überblick über die Zusammensetzung des Buches vermittelt, dennoch eher bescheiden. Jedenfalls schließt er mit der Anmerkung, dass Max Horkheimer in der Anwendung der systematischen Einsichten "konsequenter" vorging.
© Perlentaucher Medien GmbH
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