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Erdöl ist nicht nur der Treibstoff, es scheint auch die Droge unserer Weltwirtschaft zu sein: Wir können nicht davon lassen und verdrängen alle Risiken. Auch die letzten Tropfen, das Öl aus der Tiefsee, wollen wir gewinnen. Die Exploration dieser Reserven ist aber nicht nur enorm teuer, sie birgt auch immense Gefahren für Mensch und Umwelt, wie uns die Havarie der Förderplattform Deepwater Horizon jüngst eindringlich vor Augen geführt hat. Für den Autor Jörg Schindler war die Katastrophe im Golf von Mexiko der 'letzte Weckruf' für unsere ölabhängige Welt. Denn die Ausbeutung der…mehr

Produktbeschreibung
Erdöl ist nicht nur der Treibstoff, es scheint auch die Droge unserer Weltwirtschaft zu sein: Wir können nicht davon lassen und verdrängen alle Risiken. Auch die letzten Tropfen, das Öl aus der Tiefsee, wollen wir gewinnen. Die Exploration dieser Reserven ist aber nicht nur enorm teuer, sie birgt auch immense Gefahren für Mensch und Umwelt, wie uns die Havarie der Förderplattform Deepwater Horizon jüngst eindringlich vor Augen geführt hat. Für den Autor Jörg Schindler war die Katastrophe im Golf von Mexiko der 'letzte Weckruf' für unsere ölabhängige Welt. Denn die Ausbeutung der Tiefseevorkommen ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass Peak Oil bereits erreicht ist - jener Punkt, ab dem die Zeit billiger fossiler Energieträger endgültig vorbei ist.
Autorenporträt
Jörg Schindler war bis Ende 2008 Geschäftsführer der Ludwig-Bölkow-Stiftung. Er war Mitglied in der Enquete Kommission des Bayerischen Landtags 'Neue Energie für das neue Jahrtausend' und ist Gründungs- und Vorstandsmitglied der ASPO (Association for the Study of Peak Oil and Gas) Deutschland.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.07.2011

Wirtschaftsbücher
Vom Urknall zum Menetekel
150 Jahre lang hat der Mensch die Erdölvorkommen der Erde ausgebeutet. Erneuerbare Energien sind mehr als überfällig
In manchen Verlagen ist es üblich geworden, Essays in Buchform herauszubringen. Mit dieser Methode, die das Bedürfnis nach Brennpunkt-Aktualität erfüllt, ist auch „Öldämmerung“ von Jörg Schindler erschienen. Die Kurzlebigkeit solcher Titel wird in diesem Fall allerdings dadurch ausgeglichen, dass es zurzeit keine kompaktere Zusammenfassung aller Fakten zum Thema gibt.
Die Frage, ob Katastrophen wie der Untergang der BP-Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexico unvermeidliche Kollateralschäden unseres Lebensstils sind, beantwortet der Autor gleich im Vorwort: „Es kann nicht so weitergehen“. Schindler zählt eine Kette von Versäumnissen, Missständen, mangelnder Vorsorge, laxen Risikomanagements und fehlender behördlicher Kontrollen auf, die im April 2010 den Unfall verursachten und begünstigten. Bis heute gebe es keine „Sicherheitskultur“ in der Ölindustrie, die „auf derartige Havarien in keiner Weise vorbereitet“ sei, sondern sie aus Profitgier in Kauf nehme.
Jörg Schindler (Jahrgang 1943) war bis 2008 Geschäftsführer der Ludwig-Bölkow-Systemtechnik, gehörte der Enquetekommission „Neue Energie für das neue Jahrtausend“ des Bayerischen Landtages an und ist im deutschen Vorstand der Association for the Study of Peak Oil and Gas (ASPO). Er kommt zu dem noch nicht überall befolgten Schluss, dass es „eines epochalen Strukturbruchs . . . von einer fossilen zu einer postfossilen Welt“ bedürfe. Mit Hinweis auf verschiedene Studien wagt Schindler die Prognose, dass der Höhepunkt der Kohleförderung in 30 Jahren bevorstehen könnte und bei Erdgas in 15 Jahren.
Aber „Peak Oil ist jetzt“, schreibt er und geht auf die fragwürdige Rolle der Internationalen Energie-Agentur (IEA) in Paris ein. Diese hatte das Thema 1998 einmal aufgegriffen, dann tabuisiert und nach zwölf Jahren des Verschleierns endlich einen bereits 2006 begonnenen Zeitraum für den Höhepunkt der Ölförderung identifiziert, was Schindler „sensationell“ findet. Gründlich beschäftigt er sich mit der Suche nach Öl aus der Tiefsee, einem der „letzten verbleibenden Züge im Endspiel des Ölzeitalters“. Nicht nur mit Blick auf Deepwater Horizon, sondern wegen der höchst komplizierten Technik und der wenig bekannten geologischen Verhältnisse ist für ihn klar: „Die Risiken sind nicht beherrschbar.“
Echte Informationen und Diskussionen zur künftigen Verfügbarkeit des Erdöls seien nur in „einschlägigen Büchern“ oder „auf speziellen Seiten und Blogs im Internet“ zu finden, bedauert Schindler, „aber so gut wie gar nichts in den Printmedien oder im Fernsehen“. Das ist übertrieben. Nicht nur in der SZ waren nach dem Deepwater-Horizon-Desaster entsprechende Kommentare zu lesen.
Und in Schindlers Literaturauswahlliste fehlt ein Titel, den er kennen müsste: „Die Spur des Öls“. Dessen Autor Bertram Brökelmann (Jahrgang 1952) ist Besitzer und Geschäftsführer einer seit 1845 familieneigenen Speiseöl-Raffinerie im westfälischen Hamm und Produzent von Lkw-Kraftstoff auf pflanzlicher Basis. Er hat sich zu Herzen genommen, auf welche Weise der Stadtrat von Dortmund, dem mehrere seiner Vorfahren angehörten, einen Beschluss vom 26. September 1646 begründete: Die Anlage eines neuen Bergwerks sei zu verbieten, „damit die Nachkommen auch noch Kohlen finden mögen“. Diese frühe Sternstunde nachhaltigen Wirtschaftens verschaffte Brökelmann die langlebige Einsicht, dass wir uns in Europa „rosig bequemer Zeiten“ erfreuen, die aber „auch auf Kosten anderer erkauft“ sind.
Natürlich geht Brökelmann, der weiß, dass „Ölfelder nur einmal tragen“, ebenfalls auf die Suche in den Tiefen der Ozeane ein und warnt: „Hierdurch wächst das Risiko unbeherrschbarer technischer Probleme sowie unerwarteter und unkontrollierbarer Pannen mit unabsehbaren Folgen für die Umwelt“. In der Diskussion um Peak Oil neigt er dazu, sich den Berechnungen der ASPO anzuschließen. Mit dem Ergebnis, dass gegenwärtig das globale Ölfördermaximum erreicht sei.
Der Hauptteil des Buches behandelt die Epoche vom „Urknall der Moderne“ im Jahr 1859, der ersten kommerziellen Erdölbohrung in Titusville (Pennsylvania, USA) bis zum „Menetekel“ der Deepwater Horizon. „Nach 150 Jahren Ölzeitalter wird nun der Ruf nach umweltschonenderen Alternativen zur Rettung unseres Planeten und seiner Bewohner immer dringlicher“. Weniger radikal als Schindler, aber ebenso unmissverständlich, zeigt Brökelmann auf, dass der Rohstoff endlich ist. Er sieht „Anzeichen für eine bald bevorstehende deutliche Verknappung“ und rät: „Langfristig kann uns nicht die verzweifelte Suche nach den letzten noch irgendwie förder- oder verwertbaren Erdölresten helfen, sondern nur der Abschied vom Erdölzeitalter und der Fortschritt in eine neue, verantwortungsvollere Zukunft.“
Dass sie, wie von Hermann Scheer („Der energethische Imperativ“) vorhergesagt, den erneuerbaren Energien gehört, wird allmählich Allgemeingut. Aber die „Fehlkonditionierung auf den ungebremsten Individualverkehr“ wird nach Brökelmanns Beobachtung „eher zögerlich angegangen“. Nicht nur hier vermisst er „eine lenkende Wirkung“ des Staates in der Umwelt-, Energie- und Verkehrspolitik. Vernünftige Ansätze seien die Brennelementesteuer, eine Flugticketabgabe und die Verringerung der Entlastung energieintensiver Betriebe bei der Ökosteuer. Hoffnung setzt der Autor in eine wenig beachtete Institution, die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (Irena), der er „mittelfristig großen Einfluss“ zutraut.
Dieses Buch bietet weit mehr als einen intelligenten Ausblick auf die Nach-Öl-Ära. Die Eigenwerbung „Das Grundlagenbuch zur Geschichte und Zukunft des Öls“ ist nicht geprahlt. Brökelmann bringt die schwarze Substanz zum Leuchten: mit Kulturgeschichten rund um Öllämpchen, Olivenöl und Walfang, Wissenswertem über Öle für Speisen, Bäder und Kosmetik. Mit einer Wirtschaftsgeschichte von der fast 800 Jahre alten Ölmühle in Hamm bis zur hoch modernen Raffinerie, und einer eingängig geschriebenen, lehrreichen Gesamtgeschichte des Petroleums, das nicht nur eine höchst profitable Industrie hervorbrachte und unermessliche Reichtümer schuf, sondern als Schmiermittel der Politik nach wie vor Macht- und Kriegsinteressen begründet. Nun aber sieht Brökelmann nur eine Perspektive: „Speziell die großen Energieunternehmen werden umlernen und wohl auch Macht und Zuständigkeit zugunsten eher dezentraler Strukturen abgeben müssen.“
Helmut Lölhöffel
Jörg Schindler: Öldämmerung. Deepwater Horizon und das Ende des Ölzeitalters. Oekom Verlag, München 2011.
125 Seiten, 12,95 Euro.
Bertram Brökelmann: Die Spur des Öls. Sein
Aufstieg zur Weltmacht. Osburg Verlag, Berlin 2010. 623 Seiten. 29,90 Euro.
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