Produktdetails
- Verlag: Böhlau Wien
- Artikelnr. des Verlages: 660571
- 1998.
- Seitenzahl: 206
- Deutsch
- Abmessung: 15mm x 170mm x 240mm
- Gewicht: 372g
- ISBN-13: 9783205989141
- ISBN-10: 3205989147
- Artikelnr.: 07859156
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.1999In spanische Stiefel eingeschnürt
Franz Pesendorfer erzählt von der österreichischen Herrschaft über das Königreich Neapel
Das hier anzuzeigende Werk eines in Salzburg lebenden historisch gebildeten Pensionärs wendet sich nicht an den Experten, sondern will das historisch interessierte Publikum erreichen. Pesendorfer gehört damit zu dem immer kleiner werdenden Kreis von Autoren, die anhand der Fachliteratur Geschichte erzählen. Seine Arbeiten behandeln Themen aus der Geschichte des alten Österreich. Vor einigen Jahren veröffentlichte er eine amüsant geschriebene Biographie des Erzherzogs Ferdinand, der als Nachfolger des Großherzogs Leopold von Toskana erst Großherzog, dann Kurfürst von Salzburg, Großherzog von Würzburg und von Napoleon geschätzter Rheinbundfürst wurde, um als allseits geachteter Herrscher in Florenz sein Leben zu beschließen.
Das Königreich Neapel-Sizilien ist ein ähnliches, etwas abseits gelegenes Thema aus dem alten Österreich. Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges kam es zusammen mit dem Herzogtum Mailand und den spanischen Niederlanden, dem heutigen Belgien, an Österreich. Von Anfang an machte die ehrgeizige Königin Elisabeth von Spanien, die als letzte Farnese Erbrechte auf Toskana und Parma besaß, Karl VI. den Besitz seiner italienischen Territorien streitig. Der Kaiser verteidigte seine im Frieden von Utrecht erlangte Vorherrschaft über Italien und wollte die Rückkehr der Spanier dorthin nicht zulassen. Diese höchst komplizierten Verhandlungen, zusammen mit der überaus ausführlich vorgetragenen Vorgeschichte des Königreichs vor der österreichischen Herrschaft, machen fast zwei Drittel des Buches aus.
In der Schilderung dieser Vorgänge liegt die Stärke des Buches, deren Verlauf man anderswo nicht so übersichtlich dargestellt findet. Ein paar kleinere Ungenauigkeiten seien angemerkt: Viktor Amadeus II. von Savoyen-Piemont erhielt nicht aus reiner Willkür im Frieden von Utrecht (1714) Sizilien und später im Austausch Sardinien, sondern weil er als Urenkel Philipps II. von Spanien einen Erbanspruch besaß und im Testament des letzten spanischen Habsburgers, Karl II., auch als möglicher Erbe genannt worden war. Auch wandte sich Viktor Amadeus nicht aus antiösterreichischer Animosität gegen dessen Vorherrschaft in Italien, sondern weil er eine Intensität der Beziehungen des Kaisers mit den Reichslehen in Oberitalien befürchtete, die er gerne seinem Besitztum einverleibt hätte.
Der Vorteil historischer Literatur, die nicht Fachliteratur im engeren Sinn sein möchte, liegt in einem gut lesbaren Stil. Gegen diese Regel verstößt das Buch leider, was die Lektüre gelegentlich mühsam macht. Der Altmeister österreichischer Geschichte, Heinrich Benedikt, wußte die Geschichte der österreichischen Herrschaft in Süditalien wesentlich lebendiger zu beschreiben. Pesendorfer verliert sich in der Darstellung der schlechten neapolitanischen Verwaltung, die während der österreichischen Herrschaft nicht besser wurde. Das lag nicht zuletzt daran, daß Karl VI. in Neapel-Sizilien einen Teil Spaniens sah und die Verwaltung dem von ihm aus spanischen Emigranten gebildeten Spanischen Rat überließ, der wegen seiner Bestechlichkeit einen üblen Ruf hatte.
Auch Pesendorfers Darstellung des reichen geistigen Lebens, wie der Tätigkeit des Philosophen Gianbattista Vico oder des Historikers Pietro Giannone, ist merkwürdig hölzern. Giannone, der mit seiner "Istoria civile del regno di Napoli" den Zorn des Papstes erregte und deshalb nach Wien zu Karl VI. floh, lädt geradezu zu einer lebendigen Schilderung ein. Pesendorfers Beschreibung der österreichischen Herrschaft bleibt etwas blaß. Vielleicht liegt das auch am verfehlten Titel. Um eine Großmacht im Mittelmeer zu werden, hätte Österreich eine Flotte bauen müssen, wofür es in der Politik Karls VI. keinen Ansatz gibt. Die österreichische Herrschaft ging 1735 zu Ende, als nach der Niederlage im polnischen Nachfolgekrieg Neapel-Sizilien an den Sohn der Elisabeth Farnese fiel. Pesendorfers Buch gibt die Ereignisse korrekt wieder, aber es fehlt seiner Darstellung die Leichtigkeit, die man bei einem solchen Werk gerne genießen würde.
KARL OTMAR FRHR. V. ARETIN
Franz Pesendorfer: "Österreich. Großmacht am Mittelmeer?" Das Königreich Neapel-Sizilien unter Kaiser Karl VI. (1707/20-1734/35). Böhlau Verlag, Wien 1998. 203 S., br., 58,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Franz Pesendorfer erzählt von der österreichischen Herrschaft über das Königreich Neapel
Das hier anzuzeigende Werk eines in Salzburg lebenden historisch gebildeten Pensionärs wendet sich nicht an den Experten, sondern will das historisch interessierte Publikum erreichen. Pesendorfer gehört damit zu dem immer kleiner werdenden Kreis von Autoren, die anhand der Fachliteratur Geschichte erzählen. Seine Arbeiten behandeln Themen aus der Geschichte des alten Österreich. Vor einigen Jahren veröffentlichte er eine amüsant geschriebene Biographie des Erzherzogs Ferdinand, der als Nachfolger des Großherzogs Leopold von Toskana erst Großherzog, dann Kurfürst von Salzburg, Großherzog von Würzburg und von Napoleon geschätzter Rheinbundfürst wurde, um als allseits geachteter Herrscher in Florenz sein Leben zu beschließen.
Das Königreich Neapel-Sizilien ist ein ähnliches, etwas abseits gelegenes Thema aus dem alten Österreich. Im Zuge des Spanischen Erbfolgekrieges kam es zusammen mit dem Herzogtum Mailand und den spanischen Niederlanden, dem heutigen Belgien, an Österreich. Von Anfang an machte die ehrgeizige Königin Elisabeth von Spanien, die als letzte Farnese Erbrechte auf Toskana und Parma besaß, Karl VI. den Besitz seiner italienischen Territorien streitig. Der Kaiser verteidigte seine im Frieden von Utrecht erlangte Vorherrschaft über Italien und wollte die Rückkehr der Spanier dorthin nicht zulassen. Diese höchst komplizierten Verhandlungen, zusammen mit der überaus ausführlich vorgetragenen Vorgeschichte des Königreichs vor der österreichischen Herrschaft, machen fast zwei Drittel des Buches aus.
In der Schilderung dieser Vorgänge liegt die Stärke des Buches, deren Verlauf man anderswo nicht so übersichtlich dargestellt findet. Ein paar kleinere Ungenauigkeiten seien angemerkt: Viktor Amadeus II. von Savoyen-Piemont erhielt nicht aus reiner Willkür im Frieden von Utrecht (1714) Sizilien und später im Austausch Sardinien, sondern weil er als Urenkel Philipps II. von Spanien einen Erbanspruch besaß und im Testament des letzten spanischen Habsburgers, Karl II., auch als möglicher Erbe genannt worden war. Auch wandte sich Viktor Amadeus nicht aus antiösterreichischer Animosität gegen dessen Vorherrschaft in Italien, sondern weil er eine Intensität der Beziehungen des Kaisers mit den Reichslehen in Oberitalien befürchtete, die er gerne seinem Besitztum einverleibt hätte.
Der Vorteil historischer Literatur, die nicht Fachliteratur im engeren Sinn sein möchte, liegt in einem gut lesbaren Stil. Gegen diese Regel verstößt das Buch leider, was die Lektüre gelegentlich mühsam macht. Der Altmeister österreichischer Geschichte, Heinrich Benedikt, wußte die Geschichte der österreichischen Herrschaft in Süditalien wesentlich lebendiger zu beschreiben. Pesendorfer verliert sich in der Darstellung der schlechten neapolitanischen Verwaltung, die während der österreichischen Herrschaft nicht besser wurde. Das lag nicht zuletzt daran, daß Karl VI. in Neapel-Sizilien einen Teil Spaniens sah und die Verwaltung dem von ihm aus spanischen Emigranten gebildeten Spanischen Rat überließ, der wegen seiner Bestechlichkeit einen üblen Ruf hatte.
Auch Pesendorfers Darstellung des reichen geistigen Lebens, wie der Tätigkeit des Philosophen Gianbattista Vico oder des Historikers Pietro Giannone, ist merkwürdig hölzern. Giannone, der mit seiner "Istoria civile del regno di Napoli" den Zorn des Papstes erregte und deshalb nach Wien zu Karl VI. floh, lädt geradezu zu einer lebendigen Schilderung ein. Pesendorfers Beschreibung der österreichischen Herrschaft bleibt etwas blaß. Vielleicht liegt das auch am verfehlten Titel. Um eine Großmacht im Mittelmeer zu werden, hätte Österreich eine Flotte bauen müssen, wofür es in der Politik Karls VI. keinen Ansatz gibt. Die österreichische Herrschaft ging 1735 zu Ende, als nach der Niederlage im polnischen Nachfolgekrieg Neapel-Sizilien an den Sohn der Elisabeth Farnese fiel. Pesendorfers Buch gibt die Ereignisse korrekt wieder, aber es fehlt seiner Darstellung die Leichtigkeit, die man bei einem solchen Werk gerne genießen würde.
KARL OTMAR FRHR. V. ARETIN
Franz Pesendorfer: "Österreich. Großmacht am Mittelmeer?" Das Königreich Neapel-Sizilien unter Kaiser Karl VI. (1707/20-1734/35). Böhlau Verlag, Wien 1998. 203 S., br., 58,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main