Ende Juli, ein dreitägiger Arbeitsbesuch im klimatisierten Krankenhaus - draußen flirrende Hitze, drinnen Spitalalltag. Die Ich-Erzählerin, eine 'Schreiberin' aus Wien, wo sie in einem Schokoladengeschäft von Kunden bestellte Reiseberichte und Briefe verfasst, ist zu Besuch beim Goldschmied Friedrich, um dessen Einfälle und Gedanken für künftige Schmuckprojekte zu notieren. Doch in der Spitalwelt ist man sich immer wieder fremd, das Gespräch stockt, die Arztvisite rollt heran und unversehens steht die Besucherin wieder auf dem Flur. Und da, panartig, als schnell erhaschte bernsteingelbe Silhouette im Gegenlicht, taucht er auf: Roman, ihr 'Lebensmann', den sie seit 15 Jahren nicht mehr gesehen und erfolgreich vergessen hatte. Sogartig setzen die Erinnerungen ein und plötzlich ragen überall Geschichten in die Vergangenheit hinein und aus ihr heraus. Und erstmals wird die 'Schreiberin' zur Erzählerin ihrer eigenen Erinnerungen, Beobachtungen und Geschichten, so dass sich in die Chronik des Spitalbesuchs unvergesslich Romans Bild mit einschreibt.Oh, Roman: eine Kranken- und Liebesgeschichte, ein Buch übers Vergessenwollen und Erinnernkönnen, ein subtiles Doppelporträt zweier unterschiedlicher Männer, eine Hommage an György Ligeti wie auch ein Buch über die Lust am Schreiben.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.02.2008Ungarische Rhapsodie
Die in Budapest geborene und 1956 bei der Niederschlagung des Volksaufstandes mit ihren Eltern nach Wien geflohene Zsuzsanna Gahse hat nicht nur als Übersetzerin ungarische Schriftsteller wie Peter Esterházy und Peter Nádas in Deutschland bekannt gemacht; sie ist als Autorin 1984 mit dem Aspekte-Literaturpreis des ZDF und seitdem noch vielfach ausgezeichnet worden. In ihrem neuen Buch, das sie nicht von ungefähr dem Komponisten György Ligeti gewidmet hat, nimmt sie sich souverän die Freiheiten der Improvisation. Als Anspielung erweist sich das versteckte Stichwort "Sandmann". Wer die phantastischen Geschichten von E.T.A. Hoffmann liebt, muss auch Zsuzsanna Gahses Prosa mögen. Mit der skurrilen Idee, die Besitzerin eines Wiener Ladens für Schokolade durch die Lande fahren zu lassen, um nach Art der alten professionellen "Schreiber" im Auftrag oder nach Diktat Briefe und Geschichten anderer aufzuschreiben - gelegentlich auch auf dem Laptop -, schafft sich die Autorin ein Einfallstor für einen Strom von Beobachtungen, Erinnerungen und Abschweifungen, aus denen immer erneut die Gestalt des Architekturstudenten Roman hervortritt. Mit ihm vagabundiert die Ich-Erzählerin eine Zeitlang zwischen Ljubljana, Wien, Prag und Hamburg. Nun folgt sie in einer Klinik am Main, vielleicht in Frankfurt, als Schreiberin den Gedankensprüngen eines von Operationen "ausgeweideten" Goldschmieds, der plötzlich erfundene Briefe von Selbstmördern zu diktieren beginnt. Wie Filmsequenzen ziehen Szenen aus Krankenzimmern, Orten für "Trauerinvasionen", vorüber. Aber die Daseinsmelancholie der Spitalsatmosphäre bleibt hier doch aufgehoben entweder in einer grotesken Situation oder in der Freiheit der flottierenden Phantasie und der spielerischen Sprache, die von jeher der Prosa von Zsuzsanna Gahse einen ganz eigenen Charme verleihen. Ich glaube die wesentlichen Texte der Autorin zu kennen. Dieser übertrifft sie alle an Einfallsreichtum. Salut! (Zsuzsanna Gahse: "Oh, Roman". Edition Korrespondenzen, Reto Ziegler, Wien 2007, 131 S., geb., 18,50 [Euro].) WHi.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die in Budapest geborene und 1956 bei der Niederschlagung des Volksaufstandes mit ihren Eltern nach Wien geflohene Zsuzsanna Gahse hat nicht nur als Übersetzerin ungarische Schriftsteller wie Peter Esterházy und Peter Nádas in Deutschland bekannt gemacht; sie ist als Autorin 1984 mit dem Aspekte-Literaturpreis des ZDF und seitdem noch vielfach ausgezeichnet worden. In ihrem neuen Buch, das sie nicht von ungefähr dem Komponisten György Ligeti gewidmet hat, nimmt sie sich souverän die Freiheiten der Improvisation. Als Anspielung erweist sich das versteckte Stichwort "Sandmann". Wer die phantastischen Geschichten von E.T.A. Hoffmann liebt, muss auch Zsuzsanna Gahses Prosa mögen. Mit der skurrilen Idee, die Besitzerin eines Wiener Ladens für Schokolade durch die Lande fahren zu lassen, um nach Art der alten professionellen "Schreiber" im Auftrag oder nach Diktat Briefe und Geschichten anderer aufzuschreiben - gelegentlich auch auf dem Laptop -, schafft sich die Autorin ein Einfallstor für einen Strom von Beobachtungen, Erinnerungen und Abschweifungen, aus denen immer erneut die Gestalt des Architekturstudenten Roman hervortritt. Mit ihm vagabundiert die Ich-Erzählerin eine Zeitlang zwischen Ljubljana, Wien, Prag und Hamburg. Nun folgt sie in einer Klinik am Main, vielleicht in Frankfurt, als Schreiberin den Gedankensprüngen eines von Operationen "ausgeweideten" Goldschmieds, der plötzlich erfundene Briefe von Selbstmördern zu diktieren beginnt. Wie Filmsequenzen ziehen Szenen aus Krankenzimmern, Orten für "Trauerinvasionen", vorüber. Aber die Daseinsmelancholie der Spitalsatmosphäre bleibt hier doch aufgehoben entweder in einer grotesken Situation oder in der Freiheit der flottierenden Phantasie und der spielerischen Sprache, die von jeher der Prosa von Zsuzsanna Gahse einen ganz eigenen Charme verleihen. Ich glaube die wesentlichen Texte der Autorin zu kennen. Dieser übertrifft sie alle an Einfallsreichtum. Salut! (Zsuzsanna Gahse: "Oh, Roman". Edition Korrespondenzen, Reto Ziegler, Wien 2007, 131 S., geb., 18,50 [Euro].) WHi.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
"Bestechende Eleganz" und "stupende Evidenz" bescheinigt Rezensent Samuel Moser diesem Roman, begeistert von der "weichen, geschmeidigen" Sprache seiner Autorin mit ihren "exzentrischen und konzentrischen Wegschlaufen". Es geht seiner Beschreibung zufolge um eine Frau, die in ein Krankenhaus kommt, um dort einen frisch operierten Freund zu besuchen. Sie betreibe einen Schokoladenladen und darin auch einen Schreibdienst, weshalb Kunden, die zu ihr wegen der Süßigkeiten kommen, bei dieser Gelegenheit manchmal auch ihre Lebensgeschichten erzählen würden. Dann ist da noch Roman, eine verschwundene Liebe der Protagonistin, obwohl das so einfach wohl auch wieder nicht zu sein scheint. Mit viel Leseglück und sichtlich intellektuellem Vergnügen beschreibt der Rezensent Zsuzsanna Gahses Krankenhauserzählung. Und das "halluzinatorische Licht", in dem die beschriebenen Phänomene darin erscheinen - ein Buch, das für ihn im Innersten vom Erinnern- und Vergessenswollen handelt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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