Die Beträge des Bandes werfen Schlaglichter auf die ersten zwanzig Jahre der Rüsselsheimer Opelwerke als Konzerntochter von General Motors. Die politische Stimmung im Werk vor Beginn des Nationalsozialismus, die Anstrengungen des Managements, die NS-Kriegsproduktion am Laufen zu halten, die nie völlig zu erstickenden Widerstands- und Sabotageaktionen sowie die Bemühungen von Teilen der Belegschaft, 1945 einen wirklichen Neuanfang zu organisieren, werden aus einer gesellschaftskritischen Perspektive geschildert.
Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Erst in der zweiten Hälfte der 80er Jahre habe sich das politische Klima soweit verändert, schreibt Christian Semler einführend, dass es möglich wurde, das heikle Thema der Zwangsarbeiterschaft in deutschen Unternehmen sowohl von Historikern aufarbeiten zu lassen als auch in die Debatte um Entschädigung einzusteigen. Ein weiterer Grund liegt für Semler im Zusammenbruch der sozialistischen Regime, der es wiederum möglich machte, dass die Opfer der deutschen Kriegswirtschaft ihre Stimme erheben konnten. Aus der Vielzahl der Untersuchungen zu Zwangsarbeitern in deutschen Unternehmen hebt Semler die Studie von Valentina Stefanski hervor. Einen interessanten Nebenaspekt und Verweis auf amerikanische Firmengeschichte ergeben zwei Aufsätze der taz-Redakteurin Anita Kugler, auf die der taz-Rezensent gesondert eingeht.
1) Valentina Maria Stefanski: "Zwangsarbeit in Leverkusen. Polnische Jugendliche im I.G. Farbenwerk"
Semler zeigt sich beeindruckt von der Arbeit Valentina Stefanskis, der es gelungen sei, den Blick "von oben", d.h. offizielle Verbote und Erlasse, mit der Sicht "von unten" zu verbinden. Dafür hat die Autorin polnischer Abstammung Interviews mit rund 50 ehemaligen Zwangsarbeitern weiblichen und männlichen Geschlechts geführt. Das I.G. Farbenwerk sei nicht von exzessiver Gewaltausübung geprägt gewesen, resümiert Semler, die Berichte der einstigen Zwangsarbeiter zeugten vielmehr von der allgemeinen Erniedrigung und Armut. Je nach Persönlichkeit seien die Betroffenen sehr unterschiedlich mit den Verboten umgegangen; aber selbst die Ängstlicheren ließen es sich nicht nehmen, sich einmal vor dem Kölner Dom fotografieren zu lassen. Deprimierend findet Semler das Resümee der Zwangsverpflichteten: Viele von ihnen bedauerten trotz des erfahrenen Leids, nach 1945 nicht nach Deutschland zurückgekehrt zu sein.
2) Bernd Heyl/ Andrea Neugebauer (hrsg.): "... ohne Rücksicht auf die Verhältnisse"
Semler behandelt ausschließlich zwei Aufsätze von Anita Kugler aus dem genannten Band: ihm zufolge führt Kugler schlüssig Nachweis, dass General Motors an der Umstellung bei Opel auf Kriegsproduktion verdiente und selbst Ende 1941 über einen Bevollmächtigten Einfluss auf die Firmenpolitik nehmen konnte. Wie GM beharrte auch Ford jahrzehntelang auf der Version, mit Einsetzen des Krieges hätte die Firma alle Verantwortlichkeit an die Deutschen abgegeben. Im Fall von Ford, weiß Semler aus anderen Quellen zu berichten, wurde die Firma zwar unter Zwangsverwaltung gestellt, aber nie enteignet. Nach dem Krieg bekam der Mehrheitseigner sogar seine Dividende ausgezahlt. Beide Firmen, GM wie Ford, hatten Kenntnis davon, dass in ihren deutschen Filialen zwangsweise Kriegsgefangene und Zivilarbeiter eingesetzt wurden.
Christian Semler weiß in seinem kenntnisreichen Artikel mehr zu erzählen als die einzelnen Aufsätze und Bücher.
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1) Valentina Maria Stefanski: "Zwangsarbeit in Leverkusen. Polnische Jugendliche im I.G. Farbenwerk"
Semler zeigt sich beeindruckt von der Arbeit Valentina Stefanskis, der es gelungen sei, den Blick "von oben", d.h. offizielle Verbote und Erlasse, mit der Sicht "von unten" zu verbinden. Dafür hat die Autorin polnischer Abstammung Interviews mit rund 50 ehemaligen Zwangsarbeitern weiblichen und männlichen Geschlechts geführt. Das I.G. Farbenwerk sei nicht von exzessiver Gewaltausübung geprägt gewesen, resümiert Semler, die Berichte der einstigen Zwangsarbeiter zeugten vielmehr von der allgemeinen Erniedrigung und Armut. Je nach Persönlichkeit seien die Betroffenen sehr unterschiedlich mit den Verboten umgegangen; aber selbst die Ängstlicheren ließen es sich nicht nehmen, sich einmal vor dem Kölner Dom fotografieren zu lassen. Deprimierend findet Semler das Resümee der Zwangsverpflichteten: Viele von ihnen bedauerten trotz des erfahrenen Leids, nach 1945 nicht nach Deutschland zurückgekehrt zu sein.
2) Bernd Heyl/ Andrea Neugebauer (hrsg.): "... ohne Rücksicht auf die Verhältnisse"
Semler behandelt ausschließlich zwei Aufsätze von Anita Kugler aus dem genannten Band: ihm zufolge führt Kugler schlüssig Nachweis, dass General Motors an der Umstellung bei Opel auf Kriegsproduktion verdiente und selbst Ende 1941 über einen Bevollmächtigten Einfluss auf die Firmenpolitik nehmen konnte. Wie GM beharrte auch Ford jahrzehntelang auf der Version, mit Einsetzen des Krieges hätte die Firma alle Verantwortlichkeit an die Deutschen abgegeben. Im Fall von Ford, weiß Semler aus anderen Quellen zu berichten, wurde die Firma zwar unter Zwangsverwaltung gestellt, aber nie enteignet. Nach dem Krieg bekam der Mehrheitseigner sogar seine Dividende ausgezahlt. Beide Firmen, GM wie Ford, hatten Kenntnis davon, dass in ihren deutschen Filialen zwangsweise Kriegsgefangene und Zivilarbeiter eingesetzt wurden.
Christian Semler weiß in seinem kenntnisreichen Artikel mehr zu erzählen als die einzelnen Aufsätze und Bücher.
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