Napoleon III. war in höchstem Maße technikaffin. Er interessierte sich nicht nur für neue Technologien, sondern förderte und nutzte sie auch persönlich. Die Fotografie stand dabei in besonderer Gunst und nicht zuletzt initiierte er bereits in den 1860er-Jahren die erste fotografische Dokumentation
von Frankreichs architektonischem Erbe in bemerkenswerterem Umfang.
Auch am französischen Hof wurde…mehrNapoleon III. war in höchstem Maße technikaffin. Er interessierte sich nicht nur für neue Technologien, sondern förderte und nutzte sie auch persönlich. Die Fotografie stand dabei in besonderer Gunst und nicht zuletzt initiierte er bereits in den 1860er-Jahren die erste fotografische Dokumentation von Frankreichs architektonischem Erbe in bemerkenswerterem Umfang.
Auch am französischen Hof wurde regelmäßig fotografiert, er war sogar der erste vollständig fotografisch portraitierte Hof der Geschichte. Die Fotos zirkulierten im Visitenkartenformat und wurden gezielt gesammelt. Aus dieser Massenproduktion sticht das Werk von Olympe Aguado in jeder Hinsicht hervor, durch seine technologische und motivische Vielfalt, aber auch durch die gestalterische Qualität. Aguado lässt sich keinem Genre zuordnen. Er fotografierte Gesellschaften am Hof genauso wie kostümierte Schauspieler oder das Landleben. Wie damals technisch unvermeidbar, waren alle Szenen gestellt, aber sie sind meisterhaft durchkomponiert und absolut zukunftsweisend.
Wie Wolfgang Kemp in seinem einleitenden Essay feststellt, ist Aguado zwar technisch und künstlerisch führend in seiner Zeit, aber er besaß keinerlei Außenwirkung. Als nach Frankreich emigrierter spanischer Hochadeliger war er selber Mitglied des Hofes und betrieb die Profession als ambitionierter Amateur, allerdings auf höchstem Niveau. Er besaß sogar ein eigenes Studio an der Place de Vendome, wo er auch den Kaiser empfing und die Technik der Fotografie aktiv weiterentwickelte. Die Früchte haben andere geerntet, Aguado übte die Fotografie nie aus ökonomischen Gründen aus.
Kemp ist ein ausgesprochen kenntnisreicher Autor, der den Leser in diese exotische Welt am Hof Napoleons III. mitnimmt, indem er die Gesellschaft, Sitten und Gebräuche und die Protagonisten der Fotografie der Zeit um 1850-60 vorstellt. Darunter ist auch die Contessa di Castiglione, eine schillernde Meisterin der Selbstdarstellung, über die im gleichen Verlag kürzlich eine nicht ganz so gelungene Monografie erschien. Wolfgang Kemp hat das nötige Hintergrundwissen, um nicht nur Aguado, sondern auch seine Umgebung lebendig werden zu lassen. Auch die Qualität und Eigenständigkeit der Fotos übertrifft die der Contessa um Längen. Das auf dem Titel wiedergegebene Foto „Die Bewunderung“ ist ein beredtes Beispiel für die gestalterische Brillanz dieses Fotografen, die man ohne Zögern als eine Spitzenleistung der Zeit bezeichnen kann. Die ausgezeichneten Faksimiles sind meist etwas verkleinert, zeigen aber die perfekte Beherrschung des Mediums, mit sauber durchgezeichneten Grauwerten und überraschender Schärfe. Aguado nimmt vereinzelt sogar Motive der Malerei vorweg.
Eine sehr gelungene Monografie über die frühe Fotografie, mit einigen echten Überraschungen, selbst für Kenner.
(Dieses Buch wurde mir vom Verlag kostenfrei zur Verfügung gestellt. Auf meine Rezension wurde kein Einfluss genommen, der Inhalt stellt meine persönliche Meinung dar.)