Sal Paradise, young and innocent, joins the slightly crazed Dean Moriarty on a breathless, exuberant ride back and forth across the United States. Their hedonistic search for release or fulfilment through drink, sex, drugs and jazz becomes an exploration of personal freedom, a test of the limits of the American Dream.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2011Das Glück in Funken
Fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung ist die Urfassung von Jack Kerouacs Kultroman „On the Road“ erschienen
Als Jack und Neal einmal den Mississippi überqueren, taucht am Horizont New Orleans auf: „Über den braunen Fluten und dem dunklen Treibholz lagen an dem Abend mystische Nebelschwaden; auf der anderen Seite glühte die Stadt orangerot mit ein paar dunklen Schiffen am Saum, gespenstisch nebelwärts wandernden Cereno-Schiffen mit spanischen Vorbauten und ornamentalen Hecks, bis man näher kam und stinknormale Frachter aus Schweden und Panama erkannte“. Vielleicht ist es die eigentliche Kunst Jack Kerouacs, dass er diese Bewegung in „On the Road“ einfach umkehrt. Jeden Frachter und jede noch so rostige Hütte, die er auf seinen Fahrten quer durch die USA wahrnimmt, verwandelt er mit seinen Sätzen in ein literarisches Gespinst. In ein Ding, das es zu entdecken und zu feiern gilt, über dem bisweilen mystische Nebelschwaden liegen – und in dem mit ein bisschen Glück ein Funken vom Paradies aufglüht.
Es mag dies einer der Gründe dafür sein, dass „On the Road“ zum Kultbuch werden konnte, auch wenn sein Autor das so nie gewollt hat. Beinahe noch berühmter als das Buch selbst jedoch ist die Geschichte seiner Entstehung. In nur zwanzig Tagen, vom 2. bis zum 22. April 1951, schrieb Kerouac den Text herunter – so jedenfalls will es der Mythos. Das Typoskript besteht aus einer vierzig Meter langen Rolle von Papierbögen, die Kerouac selbst zusammengeklebt hat, wobei sich heute nicht mehr entscheiden lässt, ob er die Rolle während des Tippens angefertigt hat oder erst danach. Die Figuren haben hier noch keine Kunstnamen, der Erzähler, aus dem in der Druckfassung Sal Paradise werden wird, heißt Jack Kerouac, und der spätere Dean Moriarty trägt noch seinen ursprünglichen Namen: Neal Cassady. Diese „Urfassung“ des Textes liegt jetzt als Buch vor. Der englische Schriftsteller Howard Cunnell hat es zusammen mit Freunden herausgegeben und mit einigen Nachworten versehen. Darin rücken die Autoren nicht nur die Legenden um „On the Road“ zurecht, sondern versuchen auch die Größe der Urfassung zu zeigen.
„Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, hungrig, hysterisch, nackt“ – so eröffnet Allen Ginsberg sein berühmtes Langgedicht „Howl“, eines der anderen Gründungsbücher der Beat-Generation. Ein neues, freieres Amerika pulste den Beatpoeten in den Köpfen, das die Lasten des Zweiten Weltkriegs und des beginnenden Kalten Krieges mit seiner Verfolgungshysterie überwinden sollte. Wobei Ginsbergs „Geheul“ genau genommen schon der Abgesang auf diese Art des Erlebens und Denkens ist, „Visionen! Vorahnungen! Halluzinationen! Wunder! Ekstasen! alles den amerikanischen Bach runter!“, schreibt er in einer Strophe.
Bei Jack Kerouac indes lässt sich das Lebensgefühl der Beatniks gewissermaßen noch im Fluss bestaunen. „Erregung“ lautet das Zauberwort des Buches. Erregung und die Erkenntnis der Dinge. Den Impulsgeber für diese Erregung, für Intensität und Gegenwärtigkeit, findet Kerouac in der dauernden Bewegung. Stillstand, ein Verharren gar, würde ein Ende jener Wahrnehmungsfunken und emotionalen Stacheln bedeuten, die für Kerouac allein Lebendigkeit ausmachen. Und das heißt zunächst einmal, mit dem Auto oder dem Bus über die Highways zu rasen, „wie ein Pfeil, der über die ganze Strecke hinwegschießen konnte“. Wenn die beiden Protagonisten nicht gerade stundenlang reden, besuchen sie Freunde, tauchen in das Nachtleben der Städte ab, um Mädchen aufzureißen oder, das vor allem, in kleinen rauchigen Clubs Jazz zu hören. Diese „Reinheit der Bewegung und des Unterwegsseins“ ist in der Urfassung mit ihren vielen ausfransenden Geschichten und atmosphärischen Einsprengseln gewiss noch intensiver als in der späteren Druckversion.
Doch es sind nicht nur die „Studien der Nacht“, die für Erregung sorgen. Auch die amerikanische Landschaft wird in Szenen und fast ekstatischen Augenblicksbildern immer wieder beschworen. Dabei gibt es kaum Einschränkungen: Mal gilt der Lobgesang den Maisfeldern von Indiana, dann wieder ist es eine Abenddämmerung mitten in Kansas oder der weite „summende Westküstenhimmel“. Bisweilen meint Jack auf den tagelangen Autofahrten fast zu spüren, wie die Straße in ihn „hineinrollt“. Am Ende jedes Trips quer über den Kontinent haben sich Jack und Neal so sehr ans Unterwegssein gewöhnt, dass sie erst einmal stundenlang durch New York laufen müssen, um wieder ruhiger zu werden.
Nichts war Kerouac wichtiger, als diese Intensität des Erlebens in der Sprache spürbar zu machen. Dabei orientierte er sich weniger an klassischen Romanvorstellungen (er nannte es den „europäischen Roman“) als am Jazz. Ein „spontaner Bop-Stil“ schwebte ihm vor, der den „Rhythmus der Gedanken im nackten und grenzenlosen Hirn“ aufsaugen sollte, wie Ginsberg es einmal beschrieben hat. Es ist faszinierend zu sehen, wie hart sich Kerouac diesen lockeren Stil erarbeiten musste. Was oft wie im Rausch hingeworfen erscheint, wurde langwierig vorbereitet – und hier überschneiden sich die Arbeit an dem Buch und seine Editionsgeschichte. Obwohl das Buch erst 1957 veröffentlicht wurde, hat Kerouac es fast zehn Jahre früher begonnen. Spätestens seit Mitte 1948 schrieb er an ersten Kapiteln, kämpfte sich dann von Entwurf zu Entwurf, kürzte wieder, notierte vor. Als er endlich zu tippen anfing, in jenem April 1951, war die Schreibmaschine dicht umgeben von aufgeklappten Notizbüchern und Kladden, Zetteln und Skizzen.
Aber ist die Urfassung bei aller Intensität nun wirklich das bessere Buch? Gewiss suggeriert die Verwendung der echten Namen und die Beschwörung sexueller Szenen stärker als bisher, die Sätze würden direkt aus dem Leben fließen. Auch ist die Sprache mit ihrer Ruppigkeit und den rhythmischen Schlenkern näher an Kerouacs Idee eines „brennenden Tons“. Doch sind in dem Text auch zahllose abgegriffene Formulierungen stehen geblieben, „weit wie das Meer“ und „wild“ gehören da noch zu den harmloseren Beispielen. Dazu hat der Text seine Längen: Nicht selten verfängt man sich beim Lesen in unmotivierten Wiederholungen und Schleifen. Das eigentlich Schöne an der deutschen Ausgabe ist wohl eher die Übersetzung von Ulrich Blumenbach. Es gelingt ihm, Kerouacs schuppiges Gefüge aus Dialogen, langen und knappen Sätzen im Deutschen einzufangen. Zugleich reichert er die Sprache mit Slangausdrücken an, ohne doch anbiedernd zeitgemäß zu klingen. So stößt man hier auf so schöne Wörter wie „kobolzen“ oder „Schmonzes“.
Als die Druckfassung von „On the Road“ 1957 erschien, war ihre Form nicht nur der Suchbewegung ihres Autors geschuldet. Sie verdankte sich auch den Eingriffen von Lektoren und Anwälten, die Angst vor Verleumdungsklagen oder einem Verbot hatten. Jack Kerouac selbst war weder mit der Druckfassung noch mit der Urfassung zufrieden. Er suchte weiter nach einem Schreiben, das es ihm ermöglichen sollte, die Zeit aufzuheben und sich selbst zu finden. Und ganz nebenbei ein Bild jenes „alten, baufälligen, heiligen Amerika“ zu entwerfen, das er auch in „On the Road“ beschwört. NICO BLEUTGE
JACK KEROUAC: On the Road. Die Urfassung. Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 575 Seiten, 24,95 Euro.
Bei Kerouac lässt sich
das ekstatische Lebensgefühl
der Beatniks im Fluss bestaunen
Mit „On the Road“ fing er das Lebensgefühl der Beat-Generation ein: Unser Foto zeigt Jack Kerouac 1959, wie er seiner eigenen Stimme im Radio lauscht. Foto: John Cohen / Getty Images
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Fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung ist die Urfassung von Jack Kerouacs Kultroman „On the Road“ erschienen
Als Jack und Neal einmal den Mississippi überqueren, taucht am Horizont New Orleans auf: „Über den braunen Fluten und dem dunklen Treibholz lagen an dem Abend mystische Nebelschwaden; auf der anderen Seite glühte die Stadt orangerot mit ein paar dunklen Schiffen am Saum, gespenstisch nebelwärts wandernden Cereno-Schiffen mit spanischen Vorbauten und ornamentalen Hecks, bis man näher kam und stinknormale Frachter aus Schweden und Panama erkannte“. Vielleicht ist es die eigentliche Kunst Jack Kerouacs, dass er diese Bewegung in „On the Road“ einfach umkehrt. Jeden Frachter und jede noch so rostige Hütte, die er auf seinen Fahrten quer durch die USA wahrnimmt, verwandelt er mit seinen Sätzen in ein literarisches Gespinst. In ein Ding, das es zu entdecken und zu feiern gilt, über dem bisweilen mystische Nebelschwaden liegen – und in dem mit ein bisschen Glück ein Funken vom Paradies aufglüht.
Es mag dies einer der Gründe dafür sein, dass „On the Road“ zum Kultbuch werden konnte, auch wenn sein Autor das so nie gewollt hat. Beinahe noch berühmter als das Buch selbst jedoch ist die Geschichte seiner Entstehung. In nur zwanzig Tagen, vom 2. bis zum 22. April 1951, schrieb Kerouac den Text herunter – so jedenfalls will es der Mythos. Das Typoskript besteht aus einer vierzig Meter langen Rolle von Papierbögen, die Kerouac selbst zusammengeklebt hat, wobei sich heute nicht mehr entscheiden lässt, ob er die Rolle während des Tippens angefertigt hat oder erst danach. Die Figuren haben hier noch keine Kunstnamen, der Erzähler, aus dem in der Druckfassung Sal Paradise werden wird, heißt Jack Kerouac, und der spätere Dean Moriarty trägt noch seinen ursprünglichen Namen: Neal Cassady. Diese „Urfassung“ des Textes liegt jetzt als Buch vor. Der englische Schriftsteller Howard Cunnell hat es zusammen mit Freunden herausgegeben und mit einigen Nachworten versehen. Darin rücken die Autoren nicht nur die Legenden um „On the Road“ zurecht, sondern versuchen auch die Größe der Urfassung zu zeigen.
„Ich sah die besten Köpfe meiner Generation zerstört vom Wahnsinn, hungrig, hysterisch, nackt“ – so eröffnet Allen Ginsberg sein berühmtes Langgedicht „Howl“, eines der anderen Gründungsbücher der Beat-Generation. Ein neues, freieres Amerika pulste den Beatpoeten in den Köpfen, das die Lasten des Zweiten Weltkriegs und des beginnenden Kalten Krieges mit seiner Verfolgungshysterie überwinden sollte. Wobei Ginsbergs „Geheul“ genau genommen schon der Abgesang auf diese Art des Erlebens und Denkens ist, „Visionen! Vorahnungen! Halluzinationen! Wunder! Ekstasen! alles den amerikanischen Bach runter!“, schreibt er in einer Strophe.
Bei Jack Kerouac indes lässt sich das Lebensgefühl der Beatniks gewissermaßen noch im Fluss bestaunen. „Erregung“ lautet das Zauberwort des Buches. Erregung und die Erkenntnis der Dinge. Den Impulsgeber für diese Erregung, für Intensität und Gegenwärtigkeit, findet Kerouac in der dauernden Bewegung. Stillstand, ein Verharren gar, würde ein Ende jener Wahrnehmungsfunken und emotionalen Stacheln bedeuten, die für Kerouac allein Lebendigkeit ausmachen. Und das heißt zunächst einmal, mit dem Auto oder dem Bus über die Highways zu rasen, „wie ein Pfeil, der über die ganze Strecke hinwegschießen konnte“. Wenn die beiden Protagonisten nicht gerade stundenlang reden, besuchen sie Freunde, tauchen in das Nachtleben der Städte ab, um Mädchen aufzureißen oder, das vor allem, in kleinen rauchigen Clubs Jazz zu hören. Diese „Reinheit der Bewegung und des Unterwegsseins“ ist in der Urfassung mit ihren vielen ausfransenden Geschichten und atmosphärischen Einsprengseln gewiss noch intensiver als in der späteren Druckversion.
Doch es sind nicht nur die „Studien der Nacht“, die für Erregung sorgen. Auch die amerikanische Landschaft wird in Szenen und fast ekstatischen Augenblicksbildern immer wieder beschworen. Dabei gibt es kaum Einschränkungen: Mal gilt der Lobgesang den Maisfeldern von Indiana, dann wieder ist es eine Abenddämmerung mitten in Kansas oder der weite „summende Westküstenhimmel“. Bisweilen meint Jack auf den tagelangen Autofahrten fast zu spüren, wie die Straße in ihn „hineinrollt“. Am Ende jedes Trips quer über den Kontinent haben sich Jack und Neal so sehr ans Unterwegssein gewöhnt, dass sie erst einmal stundenlang durch New York laufen müssen, um wieder ruhiger zu werden.
Nichts war Kerouac wichtiger, als diese Intensität des Erlebens in der Sprache spürbar zu machen. Dabei orientierte er sich weniger an klassischen Romanvorstellungen (er nannte es den „europäischen Roman“) als am Jazz. Ein „spontaner Bop-Stil“ schwebte ihm vor, der den „Rhythmus der Gedanken im nackten und grenzenlosen Hirn“ aufsaugen sollte, wie Ginsberg es einmal beschrieben hat. Es ist faszinierend zu sehen, wie hart sich Kerouac diesen lockeren Stil erarbeiten musste. Was oft wie im Rausch hingeworfen erscheint, wurde langwierig vorbereitet – und hier überschneiden sich die Arbeit an dem Buch und seine Editionsgeschichte. Obwohl das Buch erst 1957 veröffentlicht wurde, hat Kerouac es fast zehn Jahre früher begonnen. Spätestens seit Mitte 1948 schrieb er an ersten Kapiteln, kämpfte sich dann von Entwurf zu Entwurf, kürzte wieder, notierte vor. Als er endlich zu tippen anfing, in jenem April 1951, war die Schreibmaschine dicht umgeben von aufgeklappten Notizbüchern und Kladden, Zetteln und Skizzen.
Aber ist die Urfassung bei aller Intensität nun wirklich das bessere Buch? Gewiss suggeriert die Verwendung der echten Namen und die Beschwörung sexueller Szenen stärker als bisher, die Sätze würden direkt aus dem Leben fließen. Auch ist die Sprache mit ihrer Ruppigkeit und den rhythmischen Schlenkern näher an Kerouacs Idee eines „brennenden Tons“. Doch sind in dem Text auch zahllose abgegriffene Formulierungen stehen geblieben, „weit wie das Meer“ und „wild“ gehören da noch zu den harmloseren Beispielen. Dazu hat der Text seine Längen: Nicht selten verfängt man sich beim Lesen in unmotivierten Wiederholungen und Schleifen. Das eigentlich Schöne an der deutschen Ausgabe ist wohl eher die Übersetzung von Ulrich Blumenbach. Es gelingt ihm, Kerouacs schuppiges Gefüge aus Dialogen, langen und knappen Sätzen im Deutschen einzufangen. Zugleich reichert er die Sprache mit Slangausdrücken an, ohne doch anbiedernd zeitgemäß zu klingen. So stößt man hier auf so schöne Wörter wie „kobolzen“ oder „Schmonzes“.
Als die Druckfassung von „On the Road“ 1957 erschien, war ihre Form nicht nur der Suchbewegung ihres Autors geschuldet. Sie verdankte sich auch den Eingriffen von Lektoren und Anwälten, die Angst vor Verleumdungsklagen oder einem Verbot hatten. Jack Kerouac selbst war weder mit der Druckfassung noch mit der Urfassung zufrieden. Er suchte weiter nach einem Schreiben, das es ihm ermöglichen sollte, die Zeit aufzuheben und sich selbst zu finden. Und ganz nebenbei ein Bild jenes „alten, baufälligen, heiligen Amerika“ zu entwerfen, das er auch in „On the Road“ beschwört. NICO BLEUTGE
JACK KEROUAC: On the Road. Die Urfassung. Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2010. 575 Seiten, 24,95 Euro.
Bei Kerouac lässt sich
das ekstatische Lebensgefühl
der Beatniks im Fluss bestaunen
Mit „On the Road“ fing er das Lebensgefühl der Beat-Generation ein: Unser Foto zeigt Jack Kerouac 1959, wie er seiner eigenen Stimme im Radio lauscht. Foto: John Cohen / Getty Images
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