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Ever since renowned literary critic Anatole Broyard's own parents, New Orleans Creoles, had moved to Brooklyn and began to 'pass' in order to get work, he had learned to conceal his racial identity. As he grew older and entered the ranks of the New York literary elite, he maintained the façade. Now his daughter Bliss tries to make sense of his choices and the impact of this revelation on her own life. She searches out the family she never knew in New York and New Orleans, and considers the profound consequences of racial identity. With unsparing candour and nuanced insight, Broyard chronicles…mehr

Produktbeschreibung
Ever since renowned literary critic Anatole Broyard's own parents, New Orleans Creoles, had moved to Brooklyn and began to 'pass' in order to get work, he had learned to conceal his racial identity. As he grew older and entered the ranks of the New York literary elite, he maintained the façade.
Now his daughter Bliss tries to make sense of his choices and the impact of this revelation on her own life. She searches out the family she never knew in New York and New Orleans, and considers the profound consequences of racial identity. With unsparing candour and nuanced insight, Broyard chronicles her evolution from sheltered WASP to a woman of mixed race ancestry.
Autorenporträt
Bliss Broyard is the author of the collection of stories, My Father, Dancing, which was a New York Times Notable Book of the year. Her fiction and essays have been anthologized in Best American Short Stories, The Pushcart Prize Anthology and The Art of the Essay, and have appeared in Grand Street, Ploughshares, the New York Times, Elle magazine, and elsewhere. She lives in Brooklyn with her husband and daughter.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2009

Der schwarze Rassist
„Ein Tropfen”: Bliss Broyard hat ein Buch über ihren Vater geschrieben, den Literaturkritiker Anatole Broyard, der seine Hautfarbe verleugnete Von Willi Winkler
Im Jahr 1964, unter dem heute wenig geschätzten Präsidenten Lyndon Johnson, wurde Carl Rowan zum Chef der United States Information Agency ernannt; er war der erste Schwarze, der eine große Bundesbehörde leitete. An einem Samstag stand er in Jeans und T-Shirt draußen vor seinem Haus in Washington und mähte den Rasen. Eine Dame kam vorbei und fragte ihn, ob er Zeit und Lust habe, auch bei ihr im Garten zu arbeiten. Er sagte nicht nein, und die Dame, um Fairness und ein gutes Geschäft zugleich bemüht, fragte ihn, was er denn in diesem Haus als Lohn bekomme. Rowan zeigte sich beneidenswert schlagfertig: „Ich schlafe mit der Hausfrau.”
Diese kleine Anekdote aus der Geschichte des Fortschritts, die Günter Diehl überliefert, Bundespressesprecher bei Kurt Georg Kiesinger, könnte noch heute jeder Comedian bringen, denn sie ist nicht nur lustig, sondern auch noch wahr. Als die Regierung vor nicht einmal fünfzig Jahren die Aufhebung der Rassentrennung verordnete, mussten die Schwarzen in den Südstaaten der USA im Bus noch hinten sitzen, und sie durften nicht aus dem gleichen Wasserspender wie die Weißen trinken. Die ersten schwarzen Studenten, die es wagten, eine bis dahin ausschließlich weiße Universität zu besuchen, mussten von der Nationalgarde geschützt werden. Das klingt heute, wo bewiesen ist, dass ein Schwarzer sogar Präsident der noch vor wenigen Jahrzehnten durch und durch rassistischen USA werden kann, wie ein Märchen aus uralten und richtig finsteren Zeiten, und doch ist die Geschichte noch immer nicht aus.
Die 42-jährige Autorin Bliss Broyard erzählt, mit welchem Ingrimm ihr Vater einst auf die schwarzen Kinder reagierte, die in der Nähe seines Hauses spielten. Das war 1990 im sonst fast keimfrei weißen Connecticut, und ihr Vater fürchtete um den Wiederverkaufswert des Hauses. „Du redest wie ein verdammter Rassist!” warf ihm die Tochter vor und entschuldigte ihn zugleich, weil er offenkundig unter der Krebserkrankung litt, der er bald danach erliegen sollte. Dabei hatte sie recht, ihr Vater war ein geborener Rassist. In ihrem Buch versucht sie zu erzählen, wie er dazu kam.
Der Vater liegt auf dem Sterbebett, umgeben von Freunden und Verwandten, noch knapp am Leben gehalten durch die unvermeidlichen Schläuche, und zitiert noch immer Walter Benjamin. „Der Tod war das Cleverste, was er in seinem cleveren Leben tat”, meinte sein Freund Alfred Kazin, der dieses Schauspiel miterlebte. Seine Frau Alexandra fordert ihn immer dringender auf, den Kindern das große Geheimnis seines Lebens zu offenbaren, die Tochter, die doch Schriftstellerin werden will, fleht ihn um die Geschichte an, aber er redet nicht mehr. Schließlich beichtet die Mutter den Kindern das Familiengeheimnis, und die Tochter steht nach dem Tod ihres Vaters vor dem Stoff ihres Lebens.
1920 kommt Anatole Broyard in New Orleans zur Welt. Er hat schwarze und weiße Vorfahren, Franzosen und kreolische Mischlinge aus Haiti sind darunter, sogar Indianer. Als er acht Jahre alt ist, ziehen die Eltern nach Norden, in den New Yorker Stadtteil Brooklyn, wo es bessere Arbeitsmöglichkeiten gibt und die Rassentrennung längst nicht so strikt gilt wie im Süden. Anatole gehört nirgendwohin; als Kind wird er von Schwarzen wie von Weißen verprügelt. In seiner Geburtsurkunde ist er als „c” für colored ausgewiesen, ein Farbiger, aber er ist hellhäutig genug, um im Zweiten Weltkrieg als Weißer eine schwarze Brigade zu kommandieren. Broyard hat die Grenze, die Schwarz und Weiß damals noch deutlich trennte, eigenmächtig überschritten.
In seinen eigenen Erinnerungen, die posthum unter dem Titel „Kafka Was the Rage” (Verrückt nach Kafka) erschienen, beginnt Broyard seine Biographie nach dem Krieg, in der er sich als ironischen Beobachter des Treibens in Greenwich Village darstellt, voller Neugier auf das Leben der Boheme, auf Bücher, Musik, die Cafés, die Frauen. Die Künstler dort haben keinen Vater und keine Mutter. „Die Leute, die ich kennen lernte, waren dem eigenen Kopf entsprungen oder stammten aus den Seiten eines schlechten Romans, lauter Waisen.” Sein eigener Vater war ein Baumeister ohne große Schulbildung. Ebenso wenig wie die Mutter wusste er, was die New York Times war, die Zeitung, die ihren Sohn 1971 anstellte und damit zu einem der einflussreichsten Literaturkritiker des Landes machte.
Als klassischer Aufsteiger verleugnet Anatole Broyard bald Vater und Mutter als „zu volkstümlich, zu farbenfroh”. Dass er bereits vor dem Krieg geheiratet hatte, dass er sogar eine schwarze Frau aus Puerto Rico geheiratet und mit ihr ein schwarzes Kind hatte, lässt er in seinen Erinnerungen weg. Damit war er auch nicht mehr in die kreolische Gemeinde hineingeboren, sondern erst in Greenwich Village zur Welt gekommen. In dieser neuen Welt beginnt Anatole Broyard zu schreiben. Lange vor Norman Mailer kennt er den „Hipster”, denn er verkehrte in Harlem, aber es ist auch die Welt, die er eben im Begriff ist zu verlassen. Im Belegexemplar einer Zeitschrift schneidet er unter einem Aufsatz über die Situation der Schwarzen die redaktionelle Bemerkung, die den Autor, also ihn, als einen Fachmann vorstellt, der die Materie „aus erster Hand” kenne, mit einer Rasierklinge sorgfältig heraus. Broyard will offensichtlich selber über sein Leben bestimmen, deshalb wird er von einem Tag auf den anderen weiß.
Seine Tochter erzählt diese Lebensgeschichte als Recherche nach der Herkunft ihrer Familie. Ihr Vater konnte sich nie entschließen, die Geschichte seiner Herkunft selber zu erzählen. Die schwarze Verwandtschaft wird einfach abgetrennt. Die Tochter rekonstruiert diese Verwandtschaft bis ins 18. Jahrhundert zurück. Überall in den USA findet sie Broyards, die sich als Weiße verstehen, und andere, die schwarz sind. Bliss Broyard taucht ein in das touristische New Orleans, besucht den Mardi Gras und belastet den Leser mit der tonnenschweren Frage, welches Kleid sie auf welchen Ball anziehen soll. Diese Naivität prägt auch ihre Recherche. Eine Zeitlang labt sie sich in der adelnden Vorstellung, ihre Vorfahren könnten Sklaven gewesen sein, nur um dann festzustellen, dass es unter ihren Vorfahren freie Schwarze gab, die ihrerseits schwarze Sklaven hielten. Das ist alles sehr interessant und in der Gründlichkeit, mit der sie ihre Ergebnisse ausbreitet, recht ermüdend. Offenbar ist der Wechsel von Schwarz nach Weiß für Anatole Broyard ähnlich wichtig gewesen wie seiner Tochter das Anprobieren eines neuen Kleides.
Die Hautfarbe ist in den USA aber keine Faschingsverkleidung. Wie jede Gesellschaft, die angeblich allen die gleichen Rechte und die gleichen Chancen einräumt, legt auch die amerikanische größten Wert auf die feinen Unterschiede. Nichts ist deshalb bezeichnender für den Aufsteiger Broyard als seine neurotische Sorge, die Gegend um sein Haus herum könnte nicht sauber genug sein. Um zu verhindern, dass der Wohnwert des Viertels sinkt, rollt er abends mit dem Mülleimer durch den Häuserblock und sammelt den Dreck ein, der in den Nachbarstraßen liegengeblieben ist, eine Arbeit, die wie die Rasenpflege traditionell von Schwarzen verrichtet wird. Broyard aber hat als Abwehrzauber im Garten seines großzügigen und deshalb unverkennbar weißen Hauses die Holzfigur eines Schwarzen stehen.
Während er sich alle Mühe gab, als wohlhabender Ostküsten-Weißer zu gelten, in renovierten, ehemaligen Bauernhäusern in Connecticut lebte, zum Essen in den Country Club ging, die Kinder auf Privatschulen schickte und die Sommer auf Martha’s Vineyard verbrachte, muss er, so die Tochter, unter einem dunklen Geheimnis gelitten haben, dem Geheimnis seiner kreolischen Herkunft. Der Kampf, den die Südstaaten einst im Bürgerkrieg angeblich um ihre Ehre ausfochten, drehte sich auch um die gottgegebene Überlegenheit der weißen und die natürliche Unterlegenheit der schwarzen Rasse. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, wurde alles, was nur annähernd nach gemischter Herkunft aussah, als farbig abqualifiziert; in Virginia genügte „ein Tropfen Blut” (daher der Titel des Buches), um einen Menschen zum Paria zu machen.
Broyard wollte keiner sein, und er wollte aufsteigen in der Welt. Das hätte ihm in der Nachkriegszeit seine Begabung vielleicht auch ermöglicht, aber darauf war weniger Verlass als auf die richtige Hautfarbe. Seine Schwester Shirley, dunkler als er, hatte einen Bürgerrechtsanwalt geheiratet. Ihr Bruder lehnte dagegen grundsätzlich jedes Engagement für die Schwarzen ab, er machte sich sogar lustig über schwarze Literatur und Förderungsprogramme für Schwarze. Dass er bei seinem Aufstieg mit der vorteilhafteren Hautfarbe auftreten konnte, unterschlug er lieber.
Mit dem ihm eigenen Hochmut konnte er sich über Kulturkritik seiner teutonischen Lehrer Erich Fromm, Rudolf Arnheim und Karen Horney an der New School lustig machen und behaupten, er sei der verordneten „Entfremdung entfremdet” gewesen. „Ich war”, schreibt er allen Ernstes, „ein Insider unter lauter Außenseitern”. In Wahrheit war Anatole Broyard ein Muster an Entfremdung. Er führte ein Leben in ständiger Abwehr. Illusionismus mag dazu gehört haben, denn offenbar wussten es selbst bei der New York Times fast alle Kollegen. Während Broyard glaubte, er gehe als Weißer durch, sprachen ihn die anderen aus Diskretion nicht darauf an. Je mehr die Universitäten und das Feuilleton den Kanon erweiterten und beispielsweise Lebensberichte Schwarzer als Literatur akzeptierten, desto entschiedener vertrat Broyard die Bücher der zunehmend verrufenen „toten weißen Männer”, also die klassische abendländische Literatur. Der selbstgeschaffene Broyard gab sich alle Mühe, dem Selbstbild zu entsprechen, äußerte zunehmend reaktionäre Ansichten, freundete sich mit Negerhassern und Befürwortern der Todesstrafe an und gab gern Sprüche von sich, die wie aus der Hüfte eines rechtsradikalen Südstaatlers geschossen kamen: „Wäre New York ohne die Schwarzen wirklich ärmer?”
Hat er damit wirklich nur testen wollen, wie seine linke Umwelt darauf reagierte? So viel die Tochter auch zusammengetragen hat, die wahre Geschichte ihres Vaters entgleitet ihr mit jedem Familientreffen, mit jedem Besuch in der Bibliothek immer mehr. Aufklärung findet sich eher bei Philip Roth, der im „Menschlichen Makel” seine Hauptperson Coleman Silk dem offenbaren Geheimnis nachgebildet hat, das Broyard zum angesehenen Kritiker machte, ohne ihn je von seiner Herkunft erlösen zu können.
Obwohl er auch da dem Klischee des gebildeten New Yorkers entspricht und immer wieder in die Analyse geht, kann sich Broyard nicht zu seiner gemischtrassischen Herkunft bekennen. Jahrelang muss ihn der immergleiche Traum gequält haben. Darin steht er wegen eines Verbrechens vor Gericht, ohne zu wissen, ob er die Tat begangen hat oder nicht. Ein literarischer Traum, so literarisch, dass er wie ein Plagiat wirkt, und wirklich führt ihn die Tochter auf Kafkas „Prozess” zurück, in dem die alteuropäische Entfremdung bereits im ersten Satz zusammenschießt: „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hatte, wurde er eines Morgens verhaftet.”
Das Böse, die nicht benennbare Schuld, die auch die Schuldlosen quält, kann nicht ausgesprochen werden. Es ist eine amerikanische (und natürlich auch eine deutsche) Erbsünde. Anatole Broyard hat mit der weißen Hausfrau geschlafen. Zeitlebens hatte er eine Vorliebe für blonde Freundinnen, und er heiratete denn auch in zweiter Ehe eine Frau, deren Vorfahren aus Norwegen kamen. Seine Kinder sollten den schwarzen Makel nicht mehr forttragen müssen. Ganz zum Schluss erfährt der Leser, dass Broyards Frau jahrelang im Alkoholismus der Vorstadt versunken war. So haben am Ende beide den Preis für das Verschweigen bezahlen müssen.
Bliss Broyard
Ein Tropfen
Das verborgene Leben meines Vaters. Eine Geschichte von Hautfarbe und Familiengeheimnissen. Aus dem Amerikanischen von Barbara Schaden. Berlin Verlag, Berlin 2009. 608 S., 26 Euro.
Broyard hat die Grenze, die Schwarz und Weiß trennte, eigenmächtig überschritten
In Virginia genügte „ein Tropfen Blut”, um einen Menschen zum Paria zu machen
Anatole Broyard hatte immer eine Vorliebe für Blondinen. In zweiter Ehe heiratete er eine Frau mit norwegischen Vorfahren: Seine Kinder sollten den schwarzen Makel ihrer Herkunft nicht mehr tragen müssen. – Hier zusammen mit seiner Tochter Bliss Foto: Sandy Broyard
Bliss Broyard Foto: Berlin Verlag
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