Onno geht an Bord
Onno Viets, wenig begabter Privatdetektiv und seit seinem letzten Fall an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidend, wird von dem exzentrischen Künstler Donald Jochemsen für eine Mittelmeerkreuzfahrt gebucht. Der Mann hat sein Herz an eine junge Sängerin aus dem Kulturprogramm verloren, leidet aber zugleich unter diversen sozialen Störungen, eine Reise ohne Begleitung wäre undenkbar. Was die beiden auf dem Schiff erleben, schwankt zwischen Entspannung (Onno) und misanthropischen Schüben (Donald), bis etwas Erschütterndes geschieht, das der turbulenten Reise ein abruptes Ende und ganz andere Dinge in Gang setzt.
Onno Viets, wenig begabter Privatdetektiv und seit seinem letzten Fall an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidend, wird von dem exzentrischen Künstler Donald Jochemsen für eine Mittelmeerkreuzfahrt gebucht. Der Mann hat sein Herz an eine junge Sängerin aus dem Kulturprogramm verloren, leidet aber zugleich unter diversen sozialen Störungen, eine Reise ohne Begleitung wäre undenkbar. Was die beiden auf dem Schiff erleben, schwankt zwischen Entspannung (Onno) und misanthropischen Schüben (Donald), bis etwas Erschütterndes geschieht, das der turbulenten Reise ein abruptes Ende und ganz andere Dinge in Gang setzt.
buecher-magazin.deDie menschliche Unzulänglichkeit ist ein Lieblingsthema von Frank Schulz. Seine Protagonisten mäandern durchs Leben, von Liebe, Suff und sonstigem Irrwitz an- und abgetrieben, am Abgrund oder schon unten liegend, dabei aber immer eloquent und witzig. Schulz' großartiger Debütroman "Kolks blonde Bräute" erschien bereits 1991, der Erfolg blieb aus. Die weiteren Teile der "Hagener Trilogie" erschienen zwölf Jahre später, diesmal von der Kritik gefeiert. Schulz bekam gerade den "Kasseler Kunstpreis für Grotesken Humor" verliehen, verdienterweise, wie man nun am zweiten Roman über Onno Viets sehen kann: Nach den Ereignissen im ersten Teil mit dem "Irren vom Kiez" ist der schluffige Onno immer noch böse traumatisiert. Deshalb, so der Plan von Freund und Ich-Erzähler Stoffel, soll er sich auf eine erholsame Kreuzfahrt begeben, vorgeblich als Bodyguard von Donald, Stoffels exaltiertem Vetter. Die Reise gerät, wie vom boshaften Leser erhofft, zum genial erzählten Desaster. Eingerahmt wird das absurde Lebensstück in sieben Akten von kurzen, aber derben Kasperletheater-Szenen in breitestem Hamburger Platt. Allein deren politisch korrekte Übersetzung ins Hochdeutsch lässt den Leser grinsen.
© BÜCHERmagazin, Michael Pöppl (mpö)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.12.2015Derb und tief
Auf Kreuzfahrt mit Frank Schulz
Über Kreuzfahrtschiffe dürfe man nicht mehr schreiben, weil David Foster Wallace das so unüberbietbar zynisch getan hat? Das kann nur behaupten, wer diesen Roman von Frank Schulz noch nicht kennt. Der nämlich fügt der entlarvenden Darstellung eines "Fratzenmobs" von Pauschalurlaubern in der Entertainment-Hölle zwischen Pooldeck und Anytime-Bar an Bord des Mittelmeerschiffs "Flipper IV" noch eine Gesellschaftsanalyse hinzu, die es so wohl nur auf Deutsch geben kann - und in ihrer derben Fiesheit nur in der hanseatischen Hintersinnsprosa, wie Schulz sie pflegt.
Das titelgebende "Schiff der baumelnden Seelen" ist Bühne für die Fortsetzung des grotesken Detektivromans "Onno Viets und der Irre vom Kiez", und mit Freude sieht man diesen phlegmatischen Endfünfziger mit seinen Tischtenniskumpanen vom BSV Hollerbeck Eppendorf literarisch weiterleben. Hier nun soll er als "Leibwächter" den verrückten Künstler Donald Maria Jochemsen begleiten, der sich auf der Kreuzfahrt an eine Unterhaltungssängerin heranmachen will. Gut zur Hälfte schwelgt das Buch in Kiez-Reminiszenzen, da geht es etwa um die Frage, wer mit wem vor dreißig Jahren in einer Kneipe namens Plemplem geknutscht hat.
Unter der Kalauer-Oberfläche dräut jedoch dunkel die weltliterarische Tiefe - nicht zufällig ist der Roman von Versen aus Rimbauds "Trunkenem Schiff" gerahmt und durchsetzt, in denen Wasserleichen schlummern. So ist es auch mit dieser vordergründig lustigen Geschichte: Die Reibung der alternden Hamburger Lebenskünstler am fremden Milieu des Kreuzfahrtschiffs schlägt zwar immer wieder überaus komische Funken, aber je länger das Schiff fährt, desto klarer wird auch, dass die posttraumatische Belastungsstörung der Titelfigur nicht nur eine metaliterarische Anspielung auf ihr erstes Abenteuer ist. Sondern sie hat einen bitterernsten Kern, den Frank Schulz langsam, aber sicher freilegt.
Was Foster Wallace übrigens auch nicht zu bieten hat, sind theatralische Zwischenkapitel auf Plattdeutsch samt politisch korrekter Übersetzung, in denen ein gewisser Kasper Spackennacken von einer neumodischen Gretel gemaßregelt wird ("Mäch den Kopp zu, Späckennäcken!"). Wenn er in einem Nachspiel Weihnachten feiert, ist dies das letzte Aufbäumen des vulgären Humors und der Hochkomik am Ende eines Buches, das im Grunde todtraurig ist.
JAN WIELE.
Frank Schulz: "Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen".
Galiani Berlin Verlag, Berlin 2015. 326 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Auf Kreuzfahrt mit Frank Schulz
Über Kreuzfahrtschiffe dürfe man nicht mehr schreiben, weil David Foster Wallace das so unüberbietbar zynisch getan hat? Das kann nur behaupten, wer diesen Roman von Frank Schulz noch nicht kennt. Der nämlich fügt der entlarvenden Darstellung eines "Fratzenmobs" von Pauschalurlaubern in der Entertainment-Hölle zwischen Pooldeck und Anytime-Bar an Bord des Mittelmeerschiffs "Flipper IV" noch eine Gesellschaftsanalyse hinzu, die es so wohl nur auf Deutsch geben kann - und in ihrer derben Fiesheit nur in der hanseatischen Hintersinnsprosa, wie Schulz sie pflegt.
Das titelgebende "Schiff der baumelnden Seelen" ist Bühne für die Fortsetzung des grotesken Detektivromans "Onno Viets und der Irre vom Kiez", und mit Freude sieht man diesen phlegmatischen Endfünfziger mit seinen Tischtenniskumpanen vom BSV Hollerbeck Eppendorf literarisch weiterleben. Hier nun soll er als "Leibwächter" den verrückten Künstler Donald Maria Jochemsen begleiten, der sich auf der Kreuzfahrt an eine Unterhaltungssängerin heranmachen will. Gut zur Hälfte schwelgt das Buch in Kiez-Reminiszenzen, da geht es etwa um die Frage, wer mit wem vor dreißig Jahren in einer Kneipe namens Plemplem geknutscht hat.
Unter der Kalauer-Oberfläche dräut jedoch dunkel die weltliterarische Tiefe - nicht zufällig ist der Roman von Versen aus Rimbauds "Trunkenem Schiff" gerahmt und durchsetzt, in denen Wasserleichen schlummern. So ist es auch mit dieser vordergründig lustigen Geschichte: Die Reibung der alternden Hamburger Lebenskünstler am fremden Milieu des Kreuzfahrtschiffs schlägt zwar immer wieder überaus komische Funken, aber je länger das Schiff fährt, desto klarer wird auch, dass die posttraumatische Belastungsstörung der Titelfigur nicht nur eine metaliterarische Anspielung auf ihr erstes Abenteuer ist. Sondern sie hat einen bitterernsten Kern, den Frank Schulz langsam, aber sicher freilegt.
Was Foster Wallace übrigens auch nicht zu bieten hat, sind theatralische Zwischenkapitel auf Plattdeutsch samt politisch korrekter Übersetzung, in denen ein gewisser Kasper Spackennacken von einer neumodischen Gretel gemaßregelt wird ("Mäch den Kopp zu, Späckennäcken!"). Wenn er in einem Nachspiel Weihnachten feiert, ist dies das letzte Aufbäumen des vulgären Humors und der Hochkomik am Ende eines Buches, das im Grunde todtraurig ist.
JAN WIELE.
Frank Schulz: "Onno Viets und das Schiff der baumelnden Seelen".
Galiani Berlin Verlag, Berlin 2015. 326 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Onno Viets ist schon nach zwei Romanen in die Super-Antihelden-Liga von Wolf Haas' Brenner aufgerückt. (...) Ein Meisterwerk des bösen Humors. Die Welt
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Mit seinem zweiten Onno-Viets-Roman beweist Frank Schulz vorbildlich, dass auch nach David Foster Wallace' Werk noch grandiose Bücher über Kreuzfahrtschiffe gelingen, versichert Rezensent Jan Wiele. Denn hier wird nicht nur der Pauschalurlaub entlarvt, sondern auch eine ebenso derbe wie fiese Gesellschaftsanalyse voller hanseatischem Hintersinn geliefert, fährt der begeisterte Kritiker fort. Großartig, wie Schulz oberflächlich komisch aber mit literarischem Tiefgang von seinem alternden Hamburger Lebenskünstler mit posttraumatischer Belastungsstörung erzählt, lobt der Rezensent, dem auch der vulgäre Humor und die theatralischen Zwischenkapiteln viel Freude bereitet haben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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