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In diesen Novellen Alan Islers, des Autors von "Der Prinz der West End Avenue", begegnen dem Leser historische wie fiktionale Figuren aus vier Epochen. Die wortwitzigen, tragikomischen Texte mit ihren literarischen Zitaten und Anspielungen sind durch ein Grundthema miteinander verknüpft: das Los des jüdischen Protagonisten in einer nicht-jüdischen Welt.

Produktbeschreibung
In diesen Novellen Alan Islers, des Autors von "Der Prinz der West End Avenue", begegnen dem Leser historische wie fiktionale Figuren aus vier Epochen. Die wortwitzigen, tragikomischen Texte mit ihren literarischen Zitaten und Anspielungen sind durch ein Grundthema miteinander verknüpft: das Los des jüdischen Protagonisten in einer nicht-jüdischen Welt.
Autorenporträt
Alan Isler, geb. 1934 in London, ging 1952 nach New York, wo er Englische Literatur lehrte. Heute lebt er in London.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.1997

Zum Weinen ungerecht und zum Schreien komisch
Besuch bei Herrn Sorge und anderen Helden: Alan Islers Novellen "Op. non cit." / Von Sabine Brandt

Immer wieder vermitteln Bücher angloamerikanischer Herkunft uns die Botschaft, daß Literatur der gehobenen Güteklasse nicht unbedingt langweilig sein muß. Den jüngsten Beweis dafür liefert der Schriftsteller Alan Isler mit einem Novellenquartett. Als dessen Titel dient die lateinische Kurzformel "Op. non cit.", was besagt, daß benutzte respektive erwähnte Werke nicht genannt werden. Im Falle der vier Lesestücke ist das ein launiger Hinweis darauf, daß Alan Isler mit Überlieferungen spielt. Es sei jedoch gleich betont, daß er sie nicht ausbeutet. Das hat er nicht nötig, ihm stehen genügend eigene Einfälle zu Gebote. Warum also zitiert er das Überkommene? Zwei Erklärungen bieten sich an: Zum einen hat Isler rund vierzig Jahre lang an amerikanischen und kanadischen Colleges Literatur gelehrt und ist seinem Gegenstand nicht nur beruflich zugetan. Zum anderen hält er es offenbar mit der Weisheit des Predigers Salomo, der zufolge es nichts Neues unter der Sonne gibt.

Bei aller Vielfalt der Sujets werden die vier Novellen von einem Thema dominiert, nämlich von der Position der Juden in einer nichtjüdischen Welt. Es ist des Autors persönliches Thema. Isler stammt aus einer jüdischen Familie. Der Vater emigrierte, zu seinem und seines Kindes späterem Glück, schon in den zwanziger Jahren aus Wien nach England, heiratete dort eine Landestochter. Sohn Alan, 1934 geboren, wurde englisch aufgezogen und blieb doch Jude, dafür sorgten nicht zuletzt die Berichte der Verwandten, die dem Holocaust entkamen, und das Gedenken an jene, die ihm nicht entkamen. Im Jahr 1952 zog die Familie dann nach Amerika, was der Achtzehnjährige freudig begrüßte als Wechsel von einem "eher trübsinnigen und hoffnungslosen Ort" in das "laute, farbenfrohe und luxuriöse New York". Ende der fünfziger Jahre wurde Isler amerikanischer Staatsbürger, der jüdischen Geschichte entkam er damit nicht. Und überall handeln, wie er meint, die Guten nach ihrer Güte, die Bösen nach ihrer Bosheit, und die zweite Sorte überwiegt.

Soeben emeritiert, veröffentlichte Isler 1995 den Roman "Der Prinz der West End Avenue" (deutsch 1996). Ein Jahr später folgte der Roman "Kraven Images" (geplante deutsche Ausgabe: 1998). In diesem Herbst erschienen nun fast gleichzeitig im englischen Original und in deutscher Übersetzung die vier Novellen des Bandes "Op. non cit.". Die erste Geschichte heißt "Das Monstrum" und geht ins sechzehnte Jahrhundert zurück - eine Periode, die dem Renaissance-Spezialisten Isler vertraut ist. Die Handlung konfrontiert das jüdische Ghetto Venedigs mit der triumphierenden Christenstadt, entwirft das irrwitzige Gegeneinander im Grunde verwandter Bekenntnisse. Natürlich zieht die Minderheit im Ghetto den kürzeren. Dafür steht sinnbildlich das Monstrum, eine Mißgeburt, die gewissermaßen das Ghetto-Volk symbolisiert und am Ende, stellvertretend, erschlagen wird. Hauptakteur jedoch ist der jüdische Geldverleiher, dem der christliche Schuldner das Geschuldete vorenthält, auch das ersatzweise versprochene Pfund Fleisch aus seiner Brust - Shakespeares "Kaufmann von Venedig", was sonst, sogar die Namen stimmen. Aber Islers Geldmann ist nicht einfach Shylocks Abklatsch, denn er besitzt neben Shakespeares zornigem Witz auch viel von Islers Humor.

Der jüdische Held Cardozo aus dem "Bacon-Liebhaber" lebt rund zweieinhalb Jahrhunderte später. Aus Italien nach England gewandert, macht er als Geigenbauer Karriere, doch nicht als englischer Bürger. Der opiumsüchtige Poet Coleridge darf mehr Reputation beanspruchen als der brave jüdische Kunsthandwerker. Aber nicht der romantische Junkie, Cardozo selbst ist Cardozos Problem. Denn was die Briten ihm tun, das tut er seiner englischen Haus- und Bettgefährtin, die aus Liebe zu ihm Schimpf und Schande riskiert: Er opfert sie gesellschaftlichen Rücksichten. An ihrem Totenbett dann weiß er, worum er sich betrog.

Im dritten Stück fährt Oscar Wilde per Schiff dem weihnachtlichen New York des Jahres 1881 entgegen. Doch Held der Seereise, natürlich nur im literarischen Verstande, ist der Erbe eines jüdischen Finanzhauses namens Gladstone. Der junge Mann fungiert als Beobachter, daher auch als Porträtist der schwimmenden High-Society, als deren Mitglied er seiner Herkunft wegen nicht reüssieren kann. Outcast bleibt auch der Dichter Wilde, dessen Lebenswandel die Gesellschaft schockiert. Auf diese Upper-class-Szenerie zur See verschießt der Autor seine sämtlichen satirischen Pfeile, unverkennbar mit Genuß, den man von Herzen gern mit ihm teilt.

Die vierte Geschichte führt ins moderne New Yorker Theatermilieu, wo der jüdische Komparse Bruno Sorge auf Angebote lauert, sich mit der Freundin zankt und sein Hobby begrübelt. Das Hobby heißt Dreyfus, die berüchtigte Affäre hat dem Zola-Verschnitt Sorge schon mehrere Essays entlockt, alle ungedruckt. Plötzlich avanciert eine davon zur Vorlage eines Musical-Textes, von dem uns zwerchfellvernichtende Proben geboten werden, und ausgerechnet der Dreyfus-Forscher Sorge soll die Hauptrolle singen. Was das für Skandale zeugt, ist unbeschreiblich, wird aber doch beschrieben. Am Ende sackt jeder ein vom Welt- und Gelderfolg des Musicals. Nur dem allzu skrupulösen Sorge bleibt nichts als die Chance, bei der einen oder anderen Inszenierung als Emile Zola zu chargieren.

Alan Isler: "Op. non cit.". Vier Novellen. Aus dem Englischen übersetzt von Heidi Zerning. Berlin Verlag, Berlin 1997. 251 S., geb., 38,- DM.

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"Oscar Wilde, Shylock, Coleridge und andere treffen wir in diesen raffinierten Geschichten, aber so reizvoll verfremdet, dass wir sie mit ganz neuen Augen sehen." (Observer)