Hört nur, was Opa für ein toller Hecht war, als er so alt war wie sein Enkel jetzt! Er war stets der Mutigste, kletterte auf die höchsten Bäume und sprang in die tiefsten Seen ohne die Gefahr, in die er sich begab, auch nur zu ahnen. Opa war einfach Klasse - und er hatte einen Schutzengel...
Er war stets der Mutigste, kletterte auf die höchsten Bäume und sprang in die tiefsten Seen - nicht ahnend, welchen Gefahren er sich aussetzte ...
Wie war das möglich? Weshalb liefen brenzlige Situationen meistens glimpflich ab? Opa hatte das ganz große Glück, dass jemand auf ihn aufpasste! Wenn sein Enkel ihn besuchte, hing Opa gern seinen Erinnerungen nach: "Junge, mir konnte keiner was. Jeden Morgen lief ich über den großen Platz zur Schule. Ich hatte es eilig und mein Ränzel war schwer. Einmal hätte mich fast ein Bus erwischt ..."
Er war stets der Mutigste, kletterte auf die höchsten Bäume und sprang in die tiefsten Seen - nicht ahnend, welchen Gefahren er sich aussetzte ...
Wie war das möglich? Weshalb liefen brenzlige Situationen meistens glimpflich ab? Opa hatte das ganz große Glück, dass jemand auf ihn aufpasste! Wenn sein Enkel ihn besuchte, hing Opa gern seinen Erinnerungen nach: "Junge, mir konnte keiner was. Jeden Morgen lief ich über den großen Platz zur Schule. Ich hatte es eilig und mein Ränzel war schwer. Einmal hätte mich fast ein Bus erwischt ..."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.11.2001Nur die Kittelschürze fehlt
Jutta Bauer feiert die Kostbarkeit des Selbstverständlichen
Das fängt ja gut an, das neue Leben von Opas Engel mit Opas Enkel: Der Kleine ist gerade aus dem Krankenhaus hinaus in den hellen Nachmittag geschlendert und kickt nun ein Steinchen hoch über den Kopf nach hinten. Die Flugbahn weist genau auf Opas Engel, der dem Kind gefolgt ist; denn Opa braucht ihn nicht mehr. Nun kriegt er also zur Begrüßung einen Stein an den Kopf.
Opas Engel ist dergleichen gewöhnt. Immer wieder sehen wir ihn im Laufe von Opas Lebensgeschichte unter den Treffern seines lebhaften Schützlings zusammenzucken - Opa ahnt ja nicht, wie nah da jemand um ihn ist und auf ihn achtet. Im Gegenteil: "Junge, mir konnte keiner was", prahlt er vor seinem Enkelkind, als er im Krankenhaus liegt und sein Leben Revue passieren läßt. "Ich hatte viel Glück", lautet sein letzter Satz. Wir, die wir nicht nur seine Geschichte gehört, sondern auch Jutta Bauers Bilder dazu gesehen haben, wissen es besser: Er hatte einen Engel. Der ist mit blauer Tusche durchsichtig-dünn in die kräftigen Aquarellbilder hineingestrichelt, und nur wir können sehen, wie er eingreift. Von dem Moment an, wo der kleine Erstkläßler fast vom Bus überfahren wird, bis zum sanften Einschlafen im Krankenhausbett hat Opas Engel alle Hände voll zu tun.
Zwar ist er durchsichtig, dieser Engel, aber gar nicht zart und ätherisch. Opas Engel ist robust wie eine dieser altmodischen Omas, die immer ein bißchen nach Apfelkuchen riechen und stets ein Pflaster bei sich haben, für alle Fälle. Es fehlt nur noch die Kittelschürze, sonst ist alles da: der dünne kleine Knoten am Hinterkopf, die kundigen Hände und die gemütliche Figur, die keine Problemzonen kennt.
Dieser Engel in Gestalt einer Kittelschürzen-Oma aber leistet nun Schwerstarbeit zu Wasser, zu Lande und in der Luft, um Opa sicher durch sein Leben zu bringen. Wir sehen ihn - wusch! - gerade noch rechtzeitig unter dem Ast ankommen, von dem Opa fällt. Wie ein Sporttaucher zischt er durchs Wasser, um Opa aus dem Teich zu ziehen. Eines der anrührendsten Bilder zeigt ihn auf dem Meeresgrund, wo er angestrengt einen Haifisch in Schach hält, während Opa oben am Strand mit seinem Enkel planscht. Und da Opa aus der Generation der heutigen Urgroßväter stammt, sehen wir auch, wie er ihn durch die Hitlerzeit begleitet. Dünn ist der Engel da, und sein Gesicht ist voller Gram.
Dies ist viel mehr als ein weiteres Kinderbuch zum derzeit sehr beliebten Schutzengel-Thema. Es geht hier um die Kostbarkeit des Selbstverständlichen: wach und vital durch die Welt gehen, in schwierigen Zeiten zuversichtlich bleiben, Kinder und Enkel aufwachsen sehen und nach einem langen Leben in Frieden sterben zu dürfen. Von dieser Kostbarkeit zu zeichnen und zu erzählen, ganz ohne Pathos und Ergriffenheit, sondern so, daß Kinder lachen müssen, wenn sie das Buch anschauen, das ist eine Kunst.
MONIKA OSBERGHAUS
Jutta Bauer: "Opas Engel". Carlsen Verlag, Hamburg 2001. 48 S., geb., 22,- DM. Für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jutta Bauer feiert die Kostbarkeit des Selbstverständlichen
Das fängt ja gut an, das neue Leben von Opas Engel mit Opas Enkel: Der Kleine ist gerade aus dem Krankenhaus hinaus in den hellen Nachmittag geschlendert und kickt nun ein Steinchen hoch über den Kopf nach hinten. Die Flugbahn weist genau auf Opas Engel, der dem Kind gefolgt ist; denn Opa braucht ihn nicht mehr. Nun kriegt er also zur Begrüßung einen Stein an den Kopf.
Opas Engel ist dergleichen gewöhnt. Immer wieder sehen wir ihn im Laufe von Opas Lebensgeschichte unter den Treffern seines lebhaften Schützlings zusammenzucken - Opa ahnt ja nicht, wie nah da jemand um ihn ist und auf ihn achtet. Im Gegenteil: "Junge, mir konnte keiner was", prahlt er vor seinem Enkelkind, als er im Krankenhaus liegt und sein Leben Revue passieren läßt. "Ich hatte viel Glück", lautet sein letzter Satz. Wir, die wir nicht nur seine Geschichte gehört, sondern auch Jutta Bauers Bilder dazu gesehen haben, wissen es besser: Er hatte einen Engel. Der ist mit blauer Tusche durchsichtig-dünn in die kräftigen Aquarellbilder hineingestrichelt, und nur wir können sehen, wie er eingreift. Von dem Moment an, wo der kleine Erstkläßler fast vom Bus überfahren wird, bis zum sanften Einschlafen im Krankenhausbett hat Opas Engel alle Hände voll zu tun.
Zwar ist er durchsichtig, dieser Engel, aber gar nicht zart und ätherisch. Opas Engel ist robust wie eine dieser altmodischen Omas, die immer ein bißchen nach Apfelkuchen riechen und stets ein Pflaster bei sich haben, für alle Fälle. Es fehlt nur noch die Kittelschürze, sonst ist alles da: der dünne kleine Knoten am Hinterkopf, die kundigen Hände und die gemütliche Figur, die keine Problemzonen kennt.
Dieser Engel in Gestalt einer Kittelschürzen-Oma aber leistet nun Schwerstarbeit zu Wasser, zu Lande und in der Luft, um Opa sicher durch sein Leben zu bringen. Wir sehen ihn - wusch! - gerade noch rechtzeitig unter dem Ast ankommen, von dem Opa fällt. Wie ein Sporttaucher zischt er durchs Wasser, um Opa aus dem Teich zu ziehen. Eines der anrührendsten Bilder zeigt ihn auf dem Meeresgrund, wo er angestrengt einen Haifisch in Schach hält, während Opa oben am Strand mit seinem Enkel planscht. Und da Opa aus der Generation der heutigen Urgroßväter stammt, sehen wir auch, wie er ihn durch die Hitlerzeit begleitet. Dünn ist der Engel da, und sein Gesicht ist voller Gram.
Dies ist viel mehr als ein weiteres Kinderbuch zum derzeit sehr beliebten Schutzengel-Thema. Es geht hier um die Kostbarkeit des Selbstverständlichen: wach und vital durch die Welt gehen, in schwierigen Zeiten zuversichtlich bleiben, Kinder und Enkel aufwachsen sehen und nach einem langen Leben in Frieden sterben zu dürfen. Von dieser Kostbarkeit zu zeichnen und zu erzählen, ganz ohne Pathos und Ergriffenheit, sondern so, daß Kinder lachen müssen, wenn sie das Buch anschauen, das ist eine Kunst.
MONIKA OSBERGHAUS
Jutta Bauer: "Opas Engel". Carlsen Verlag, Hamburg 2001. 48 S., geb., 22,- DM. Für jedes Alter.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Eine Liebeserklärung an das Leben, die keine Altersbeschränkung erlaubt.", eselsohr