Produktdetails
  • Verlag: Nomos
  • ISBN-13: 9783832919009
  • ISBN-10: 3832919007
  • Artikelnr.: 20923854
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst instruktiv findet Andreas Platthaus die Studie "Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod", die Jörg Becker und Mira Beham vorgelegt haben. Sie legen für ihn überzeugend dar, mit welch manipulativen Mitteln amerikanische Werbeagenturen die Medien und die öffentliche Meinung zur Unterstützung des Kriegs im ehemaligen Jugoslawien gebracht haben. Insgesamt habe Kroatien bis 2001 mehr als fünf Millionen Dollar in den Vereinigten Staaten ausgegeben, um die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu beeinflussen. Die Autoren verdeutlichen für Platthaus auch, dass die Medien ihrer Aufgabe, unvoreingenommen über die Balkankriege zu berichten, kaum gerecht wurden: So übernahmen die Medien oft die von den Werbeagenturen "Ruder Finn" und "Waterman Associates" vorgenommene Gleichsetzung von Serben mit den Nazis, was zu einer enormen emotionalen Aufladung der Berichterstattung führte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2007

Die gekaufte Propaganda

Auch mehr als ein halbes Jahrzehnt nach Abschluss der Kampfhandlungen brodelt es auf dem Gebiet der Nachfolgerepubliken Jugoslawiens. Über die Autonomie des Kosovos wird weiter verhandelt, und erst kürzlich wurde die Verantwortung für die Massaker im bosnischen Krieg zum wesentlichen Teil der Regierung der bosnisch-serbischen Teilrepublik mit Sitz in Banja Luka, nicht aber dem Regime von Slobodan Milosevic zugesprochen - zur Erleichterung Serbiens und zum Ärger der früheren Kriegsgegner.

Die medialen Sympathien in den Balkankriegen der neunziger Jahre waren im damaligen Westeuropa schnell geklärt, und ein Parteigänger der serbischen Seite wie der Schriftsteller Peter Handke erregte nicht nur durch den Inhalt, sondern oft bereits durch die bloße Tatsache dieser Parteinahme Verwunderung, Ablehnung, Feindschaft. Die Fronten waren so klar wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr, und der Vergleich der serbischen Kriegführung mit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, der anlässlich des Kosovo-Krieges von 1999 durch Rudolf Scharping seinen Weg bis in den Deutschen Bundestag fand, stellte sogar einen direkten Bezug zwischen beiden Ereignissen her. Damit wurde an der moralischen Berechtigung des Nato-Einsatzes auf dem Balkan kein Zweifel gelassen.

Weitgehend unbekannt allerdings war bislang, dass bereits 1992, also zu Beginn der Kämpfe in Bosnien-Hercegovina, die amerikanische Werbeagentur Ruder Finn im Auftrag der Regierungen des gerade unabhängig gewordenen Staates Kroatien und der seinerzeit noch nicht autonomen Republik Kosova eine Kampagne ausarbeitete, die dazu dienen sollte, die gerade bekanntgewordenen Fotos aus Gefangenenlagern in Bosnien in Zusammenhang mit deutschen Konzentrationslagern zu bringen. Ruder Finn gelang es, jüdische Organisationen für die bosnische Seite zu gewinnen: "In der öffentlichen Meinung konnten wir auf einen Schlag die Serben mit den Nazis gleichsetzen", stellte Agenturchef James Harff schon 1993 fest. "Sofort stellte sich eine bemerkbare Veränderung des Sprachgebrauchs in den Medien ein. Die emotionale Aufladung war so mächtig, dass es niemand wagte, dem zu widersprechen, um nicht des Revisionismus bezichtigt zu werden."

Nun weiß man, dass Werbeagenturen eigene Leistungen gern überschätzen, doch immerhin flossen von 1991 bis 1993 aus Kroatien mehr als 200 000 Dollar als Honorar an Ruder Finn, bevor das Land die Agentur wechselte und die Konkurrenz von Waterman Associates bedachte, die dann in anderthalb Jahren fast 700 000 Dollar kassierte, ehe wieder andere Werber beauftragt wurden. Insgesamt gab Kroatien bis 2001 mehr als fünf Millionen Dollar in den Vereinigten Staaten aus, um die öffentliche Meinung in seinem Sinne zu beeinflussen. Allerdings waren auch Serbien und mehr noch die damals noch mit ihm assoziierte Republik Montenegro im gleichen Sinne aktiv. Aus Belgrad flossen mehr als 1,7 Millionen Dollar an Agenturen in Amerika, aus Montenegro mindestens zweieinhalb Millionen.

Dass diese finanziellen Transaktionen überhaupt nachvollziehbar sind, verdankt sich einem amerikanischen Gesetz, dem Foreign Agents Registration Act, das 1938 aus Sorge vor nationalsozialistischer Propaganda in den Vereinigten Staaten erlassen wurde. Es verpflichtet alle in Amerika aktiven Bevollmächtigten eines ausländischen Auftraggebers dazu, beim Justizministerium in Washington detaillierte Angaben zu den Vereinbarungen zu hinterlegen - inklusive der Höhe der Honorare. Bislang war diese faszinierende Quelle aber nicht genutzt worden, um die manipulativen Aspekte dessen, was heute gerne "Medienkriegsführung" genannt wird, zu beleuchten. Das aber haben nun der Solinger Medienforscher Jörg Becker, der auch mehrfach für diese Zeitung geschrieben hat, und seine in Wien lebenden Kollegin Mira Beham in ihrem Buch "Operation Balkan: Werbung für Krieg und Tod" (Nomos Verlag Baden-Baden 2006. 130 S., br., 17,90 [Euro]) getan.

Beham und Becker machen keinen Hehl daraus, dass sie die Art und Weise der westlichen Medienberichterstattung über die Balkankriege der neunziger Jahre verwerflich finden. Ihr Buch ist entstanden aus der Sorge, dass die Medien ihrer Aufgabe, unabhängig zu berichten, nicht mehr gerecht werden können. Dazu tragen nicht nur die Aktivitäten von Werbeagenturen, denen "sozialwissenschaftliche Begriffe wie Interesse, Macht, Herrschaft oder Abhängigkeit theoretisch und methodisch nicht zugänglich sind", so dass sie "allzu häufig geisteswissenschaftlich und idealistisch argumentieren", bei, sondern auch die mittlerweile zu Helden verklärten Nichtregierungsorganisationen, deren Einfluss die beiden Autoren besonders bedenklich finden: "Gerade die immer stärker um sich greifende Vermischung von interessegeleiteten NGOs mit einem unterstellten volonté general ist das erschreckende Ergebnis eines höchst ideologischen Neusprech der letzten dreißig bis vierzig Jahre."

Mit Moritz Hunzinger, der unter anderen den späteren serbischen Premierminister Zoran Djindjic, der 2003 erschossen wurde, und bekanntlich Bundesverteidigungsminister Scharping bis zu dessen Ablösung beriet, haben Beham und Becker über Werbeaktivitäten in Deutschland sprechen können. Bei uns gibt es keine Pflicht zur Offenlegung politischer Propagandaaufträge. Das Buch von Beham und Becker lässt es als wünschenswert erscheinen, dass sich das änderte.

ANDREAS PLATTHAUS

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