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Die Geschichte einer Rache - und eines Verbrechens, das bis heute ungesühnt istDer Völkermord an 1,4 Millionen Armeniern jährt sich 2015 zum 100. Mal. Die Türkei weigert sich bis heute, die Schuld an diesem Menschheitsverbrechen anzuerkennen. Rolf Hosfeld erzählt die Geschichte einer Rache - und dieses frühen Genozids im 20. Jahrhunderts. Im Juni 1921 wird das Berliner Landgericht zum Schauplatz eines Prozesses, der die Welt aufrüttelt. Der Angeklagte hat den Verantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern, den ehemaligen türkischen Großwesir Talaat Pascha in Charlottenburg auf offener…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte einer Rache - und eines Verbrechens, das bis heute ungesühnt istDer Völkermord an 1,4 Millionen Armeniern jährt sich 2015 zum 100. Mal. Die Türkei weigert sich bis heute, die Schuld an diesem Menschheitsverbrechen anzuerkennen. Rolf Hosfeld erzählt die Geschichte einer Rache - und dieses frühen Genozids im 20. Jahrhunderts.
Im Juni 1921 wird das Berliner Landgericht zum Schauplatz eines Prozesses, der die Welt aufrüttelt. Der Angeklagte hat den Verantwortlichen für den Völkermord an den Armeniern, den ehemaligen türkischen Großwesir Talaat Pascha in Charlottenburg auf offener Straße erschossen. Der junge Angeklagte wird freigesprochen. Was das Gericht nicht weiß: Er gehört dem geheimen Kommando "Nemesis" an, das sich zum Ziel gesetzt hat, die untergetauchten Haupttäter des ersten großen Genozids unserer Zeit, dem 1,4 Millionen Armenier zum Opfer fielen, zur Strecke zu bringen.
Rolf Hosfeld erzählt die Hintergründe dieses Mordes: Die Massaker zur Zeit des Sultans Abdul Hamid II., die Europa schockieren und Kaiser Wilhelm II. gleichgültig lassen. Die Entstehung eines aggressiven türkischen Nationalismus, und schließlich die systematische Vernichtungspolitik unter dem Schutz des Bündnisses mit dem Deutschen Reich im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg werden die Hauptverantwortlichen dieses Menschheitsverbrechens, das vom türkischen Staat bis heute geleugnet wird, durch ein Kriegsgericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Die meisten von ihnen jedoch fallen der "Operation Nemesis" zum Opfer.
"Ein ebenso notwendiges wie aufwühlendes Geschichtswerk - das Panorama eines Schreckens, der bis dahin nicht seinesgleichen hatte, aber im Gegensatz zum Holocaust bis heute nicht in das Weltbewusstsein eingedrungen ist."Ralph Giordano
Autorenporträt
Rolf Hosfeld, Dr. phil., geb. 1948, studierte Germanistik, Politikwissenschaften und Philosophie in Frankfurt am Main und Berlin. Promotion über Heinrich Heine. Er war Verlagslektor, Redakteur der Zeitschrift Merian, Kulturchef der Woche in Hamburg sowie Film- und Fernsehproduzent in Berlin. Neben diversen zeitgeschichtlichen Fernsehdokumentationen hat er mehrere Bücher veröffentlicht, darunter eine Biographie des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und bei Kiepenheuer & Witsch Operation Nemesis. Die Türkei, Deutschland und der Völkermord an den Armeniern. Zuletzt erschien von ihm das vierbändige Werk Die Deutschen von 1815 bis heute (mit 12 DVDs von Hermann Pölking). Rolf Hosfeld lebt in der Nähe von Potsdam.
Rezensionen
"Ein ebenso notwendiges wie aufwühlendes Geschichtswerk - das Panorama eines Schreckens, der bis dahin nicht seinesgleichen hatte, aber im Gegensatz zum Holocaust bis heute nicht in das Weltbewusstsein eingedrungen ist." Ralph Giordano

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2005

Wie lange soll die verordnete Stummheit noch dauern?
Verleugnete Wirklichkeit: Rolf Hosfeld schreibt über den türkischen Völkermord an den Armeniern / Von Michael Jeismann

Ungeheuerliches ereignete sich Ende Juli 1908 in Konstantinopel: Im Buch von Rolf Hosfeld über den türkischen Genozid an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs wird der Leser mitten in die spannungsreiche Atmosphäre des sterbenden Osmanischen Reiches geführt. Er erlebt mit, wie mit einem Mal auf die Straßen der Hauptstadt dieses Reiches unverschleierte Frauen traten. Und mehr noch, so berichtete die "Frankfurter Zeitung", es fand "eine muselmanische religiöse Versammlung in Stambul statt, welche die armenischen Opfer des Jahres 1896 beklagte". Man besuchte gemeinsam mit Angehörigen der armenischen Gemeinde den armenischen Friedhof. Auf Anregung des jungtürkischen Komitees trug ein armenischer Priester das "De Profundis" vor. Gegenseitig versicherte man sich, daß es von nun an keine Unterschiede zwischen Türken, Juden, Griechen und Armeniern im Osmanischen Reich mehr geben solle. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sollten herrschen, so glaubte man im Enthusiasmus einer neu angebrochenen Zeit.

Dies war, so schrieb der britische Historiker Arnold Toynbee, als sei im Reich des Sultans die Stunde der reinen Vernunft angebrochen. Es war auch, als erlebte die Welt die Wiederaufführung der glücklichen Tage von 1789, als die französische Nation mitsamt ihrem König zu sich selbst zu finden glaubte. Die frohe Botschaft erreichte viele der Ende des neunzehnten Jahrhunderts aus Furcht vor immer weiteren Pogromen nach Frankreich emigrierten Armenier, die sich von Marseille aus auf den Weg zurück in die alte Heimat machten. Als die Schiffe am Galata-Kai anlegten, wurden die Heimkehrer von einer begeisterten Menschenmenge mit Jubelrufen willkommen geheißen. Ein Muslim pries in einer christlichen Kirche die Freiheit, und armenische Geistliche predigten in der Moschee. All das war zu schön, um wahr zu sein, bemerkte ein amerikanischer Journalist. Soeben hatte die jungtürkische Revolution unter Leitung des allmächtigen "Ausschusses für Einheit und Fortschritt" die Wiedereinsetzung der liberalen Verfassung von 1876 und das Zusammentreten des Parlaments erzwungen. Die führenden Politiker des Komites hießen Enver Pascha und Talaat Pascha.

Die Momentaufnahme aus dem Jahr 1908 und die Anmutung eines historischen Déjà-vu verweisen auf die allmähliche Nationalisierung des Osmanischen Reiches gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts, mit unterschiedlichen Akzenten zunächst von der Regierung selbst als auch von kleinen Gruppen oppositioneller Politiker betrieben, die vom Ausland aus, von Paris und Genf vor allem, operierten. Die Parallelität zur Französischen Revolution, die von den Jungtürken selbst als Reminiszenz beschworen und als Lehre aus der europäischen Geschichte rezipiert wurde, hätte die ausländischen Beobachter stutzig machen können, wenn ihnen selbst die Nachtseiten der eigenen Nationalisierung bewußt gewesen wären. Im Frankreich der Revolution wurde das Konföderationsfest schließlich durch die Betriebsamkeit der Guillotine abgelöst, die nun statt der Gesänge und Hochrufe für die Einheit der Seelen sorgen sollte.

Besessen von der Vorstellung innerer und äußerer Feinde, gegen die man als einiges Volk sich zu entwickeln und zu behaupten habe, stand die europäische Nationalbewegung nicht nur im Zeichen der Demokratisierung, sondern auch unter dem dunklen Stern des Hasses gegen alles, was sich unterschied. Und wo keine Unterscheidung war, da wurde eine erfunden. Die jungtürkische Revolution trug ebenso wie ihre europäischen Schwestern zunächst aber ein universalistisch-friedliches Gesicht: Alle Osmanen sollten, unbeschadet ihrer Religion und Herkunft, Brüder und die multikulturelle Reichsidee in einen türkischen Nationalstaat überführt werden.

Die Revolution war durch die Erwartung beflügelt worden, einen starken Staat anstelle des maroden Osmanischen Reichs zu setzen, das seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts auf verlorenem Posten gegen die Nationalaufstände in vielen seiner Gebiete stand und zugleich zum Objekt und Einsatz im Spiel der europäischen Mächte geworden war. Statt der Wiedererstarkung aber mußte das Osmanische Reich sich nach dem Ersten Balkan-Krieg fast vollständig aus Europa zurückziehen - die Politik einer türkischen Nationalisierung hatte nationalistische Gegenkräfte wachgerufen, die nicht mehr zu berherrschen waren. Der nationale Universalismus schlug in einen universalen Nationalismus um, der mit irrem Blick die Schuldigen am Debakel suchte.

Verschärft durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und schwere Niederlagen gegen Rußland und unter Drohung einer Invasion, wurden die türkischen Purifikationsideen, in denen die Armenier schon in den Jahren zuvor als potentielle Verräter der Vaterlandsidee stilisiert wurden, zum konkreten politischen Projekt: Die Armenier mußten vernichtet werden, so das Gebot der Stunde, wie es der innere Führungskreis der Jungtürken nun verstand.

Es mischten sich, ganz in der Tradition der europäischen Nationalisierung im Jahrhundert zuvor, Überwältigungsängste mit dem Gefühl der unendlichen eigenen Überlegenheit, die nun zum Zuge kommen sollte in einem großen türkischen Imperium.

Die lange schon schwierige, bedrohte Existenz der Armenier im Osmanischen Reich, die einen beträchtlichen Teil der kulturellen und wirtschaftlichen Elite des Reichs stellten, sollte mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu einer Unmöglichkeit werden. Es kam in den Jahren 1915 und 1916 zum ersten, planmäßig durchgeführten Genozid des zwanzigsten Jahrhunderts. Er wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit durchgeführt. Diese Erfahrung sollte Hitler später zu größtmöglicher Radikalität beim Plan der Judenvernichtung ermutigen, ausdrücklich berief er sich auf die Gleichgültigkeit, mit der die zivilisierte Welt dergleichen hinzunehmen bereit war. Daß er nicht für allemal recht behalten sollte, dafür sollte die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen stehen, in die nicht allein die Erfahrung des Holocaust, sondern auch die des armenischen Volkes einging, was heute zumeist vergessen ist.

Der jüngste Streit um die Erwähnung des Genozids in den Geschichtsschulbüchern Brandenburgs hat seine Brisanz nicht zuletzt in den deutsch-türkischen Beziehungen deutlich werden lassen. Kann ein solcher Staat, der die eigene Vergangenheit sich nicht offiziell einzugestehen vermag, Mitglied in der Europäischen Union werden? In einer Staatengemeinschaft, deren Ausgangspunkt und negativer historischer Gründungsbezug ausdrücklich in der Erfahrung des Holocaust, aber auch der stalinistischen "Säuberungen" liegt?

In der Türkei selbst mehren sich die kritischen Stimmen, die die verordnete Stummheit und Blindheit für ein fatales Hindernis auf dem Weg nach Europa halten. Man ist hier noch nicht einmal so weit wie das Osmanische Reich des Jahres 1908 oder der Jahre 1918 und 1919, als Gerichtsverfahren gegen die Täter angestrengt wurden.

Tatsächlich gab es in diesen Jahren eine Debatte über türkische Kollektivschuld. Die Deutschen, denen dieses Verbrechen vor allem durch Franz Werfels Roman über die "Vierzig Tage des Musa Dagh" bekannt sein dürfte, haben also Grund, sich mit dieser Frage zu befassen. Der Fall berührt das politische Grundverständnis der Bundesrepublik unmittelbar. Sollte das politisch nicht durchdringen, sind Holocaustdenkmal und Gedenkstätten nichts anderers als Mahnmale einer heuchlerisch anmutenden deutschen Selbstzufriedenheit.

Zur rechten Zeit erscheint also das ausgezeichnete Buch von Rolf Hosfeld, dem früheren Leiter des Feuilletons der "Woche", über die Türkei, Deutschland und den Völkermord an den Armeniern. Neben dem Standardwerk von Wolfgang Gust, das Anfang der neunziger Jahre erschien, kann es viel zum Verständnis dafür beitragen, daß insbesondere die Bundesrepublik sich nicht auf der einen Seite als Weltmeister sogenannter Vergangenheitsbewältigung und Schuldeingeständnisse präsentieren kann, zugleich aber mit zarter Rücksicht auf die türkische Regierung verstockt und vernagelt nicht einmal jene minimalen Standards der Vergangenheitsaufarbeitung in Erinnerung rufen mag, die selbst in Südafrika oder in Ruanda gelten.

So beginnt Hosfelds Buch dramaturgisch sehr geschickt im Berlin des Jahres 1921, wo der armenische Student Soghomon Tehlirjan am fünfzehnten März Talaat Pascha, einen der Vordenker und Organisatoren des Genozids, auf offener Straße erschießt - ein Akt der Rache und der "Operation Nemesis", so der Obertitel des Buches, deren treibende Kraft, Armen Garo, der frühere Parlamentsabgeordnete von Erzurum war. Diese Organisation hatte sich zum Ziel gesetzt, all jene aufzuspüren und hinzurichten, die der Strafgerichtshof in Instanbul in der kurzen Phase vor Attatürks Politik der harten Hand in absentia zum Tode verurteilt hatte.

Im Gerichtsverfahren gegen den armenischen Attentäter 1921 erfährt die deutsche Öffentlichkeit, die der deutsche Pastor Johannes Lepsius noch während des Ersten Weltkriegs mit einer ausführlichen Dokumentation über den Genozid hatte aufrütteln wollen, welches Ausmaß die Verbrechen von 1915 tatsächlich hatten. Man schätzt, daß 1,5 Millionen Armenier dem Genozid zum Opfer fielen. Das Gerichtsverfahren wird zu einer höchst unangenehmen Sache für die deutsche Politik, man möchte den Fall nicht eingehender beleuchtet sehen, weil er die stillschweigende Billigung der deutschen Armee und Regierung allzu deutlich zutage treten läßt. Als der deutsche Botschafter in Konstantinopel, Wolff-Metternich, dem Kanzler Bethmann Hollweg 1915 rät, energisch bei der Hohen Pforte zugunsten der Armenier zu intervenieren, notiert dieser: "Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig, ob darüber die Armenier zugrunde gehen oder nicht."

Rolf Hosfeld zeichnet sodann den Weg von der jungtürkischen Revolution bis in die Nachkriegszeit nach. Dabei versteht er es, eine dichte Beschreibung der Ereignisse mit einem genauen Blick auf die zwiespältige Rolle des europäischen Mächtekonzerts mit seinen parallelen, aber gegeneinander gerichteten Ansprüchen auf Menschenrecht und Inkarnation europäischer Zivilisation zu kombinieren. Freilich wüßte man gern mehr über den armenischen Nationalismus und Widerstand, dem auch Türken zum Opfer fielen.

Man erfährt denkwürdige Details, so zum Beispiel, daß die deutsche Regierung nicht nur Lenin in einem Eisenbahnwaggon zu den Russen bringen ließ, sondern auch Talaat Pascha, den ehemaligen Großwesir des Osmanischen Reiches, mit weiteren türkischen Führern, denen noch Enver Pascha folgte, über das Schwarze Meer und die Krim mit falschem Paß nach Deutschland schleuste. Hosfeld beschreibt auch in ebenso genauen wie bewegenden Worten die Topographie des Terrors, der Verschleppungen in die Wüste, die Todesmärsche und den armenischen Widerstand.

Man wünschte sich allerdings genauere Information über die deutschen Einflußmöglichkeiten. So ist bekannt, daß die Armenier in Smyrna auf deutsche Intervention hin von den Deportationen verschont blieben. Nach der Verhaftung und Verschleppung der armenischen Elite aus Konstantinopel in der Nacht des 24. April 1915 wagte man sich offenbar auch nicht an die Armenier in der Hauptstadt. Das mindert freilich das Verdienst des Buches kaum.

Rolf Hosfeld: "Operation Nemesis". Die Türkei, Deutschland und der Völkermord an den Armeniern. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005. 351 S., zahlreiche Fotos, geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

" Die westliche Historiografie ist sich im wesentlichen einig, dass in den Jahren 1915 und 1916 das Osmanische Reich an den Armeniern den "ersten, planmäßig durchgeführten Genozid des zwanzigsten Jahrhunderts" verübt hat, so der Rezensent Michael Jeismann. In der Türkei sieht man das mitnichten so, die meisten Historiker und Politiker dort argumentieren nach wie vor nationalistisch und verteidigen den Völkermord als Niederschlagung einer Aufstandsbewegung. Rolf Hosfeld erzählt in seiner Studie, wie es zu diesem Genozid gekommen ist. Er schildert den Niedergang des Osmanischen Reichs und die Verwandlung des "nationalen Universalismus" (Jeismann) der Jungtürken in einen "universalen Nationalismus", die den Völkermord zur Folge hatte. Der Rezensent lobt den genauen Blick des Autors, seine Fähigkeit zur "dichten Beschreibung" der damaligen, sehr verwickelten Verhältnisse. Dass man für Jeismanns Geschmack zu wenig über den "armenischen Nationalismus" und "die deutschen Einflussmöglichkeiten" erfährt, sind - das sagt er selbst - eher marginale Einwände gegen ein gelungenes Buch.

© Perlentaucher Medien GmbH"
"Umfassend, detailreich und scharfsichtig." Literaturen