Produktdetails
- Verlag: Cormoran
- ISBN-13: 9783517091198
- ISBN-10: 3517091197
- Artikelnr.: 24162423
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.12.2000Was eigentlich ist eine Oper?
"Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" heißt ein Essay Walter Benjamins, viel zitiert und wenig gelesen. Doch im Gegensatz zu Adorno und Bloch war Benjamin an Musik nicht interessiert, für die Spezifika der Schallplatten-Ästhetik also kaum relevant. Gleichwohl wird die Musikrezeption weltweit seit rund hundert Jahren durch die Medien bestimmt; für manche Hörer ist die Live-Erfahrung schon eher sporadisch. Dementsprechend gigantisch ist die Zahl der Schallplattenaufnahmen: Nimmt man E- und U-Musik zusammen, so ist die Unübersichtlichkeit total. Jeder Versuch, den Dschungel katalogartig zu durchforsten, hat denn auch sein Vergebliches, lückenlose Vollständigkeit ist Illusion.
Ein Verzeichnis sämtlicher Opernaufnahmen bleibt demnach ein hohes, letztlich unerreichbares Ziel. Schon der "Hermes"-Katalog der Gesamtaufnahmen (1983) von Karl Löbl und Robert Werba wies zwangsläufig Lücken auf, bot aber ergänzende Kommentare und Bewertungen. Die Neuerscheinung "Opern. Ein Verzeichnis aller Aufnahmen" von Karsten Steiger bei Cormoran ist erheblich umfangreicher, beschränkt sich aber auf die pure Auflistung. In dieser Hinsicht ist das Buch höchst verdienstvoll, insgesamt wohl so aktuell wie möglich und außerordentlich umfassend. Und keineswegs unsympathisch ist sogar ein Widerspruch, der mit der Definition dessen, was "Oper" ist, zusammenhängt. Denn nur um diese soll es gehen. Das führt mit einiger Konsequenz dazu, daß Operetten, selbst "Die Fledermaus", Musicals wie Bernsteins "West Side Story" oder regelmäßig inszenierte Oratorien, etwa Händels, nicht aufgeführt werden. Das also, was der traditionellen Gattung nahe scheint, wird dogmatisch ausgesondert. Andererseits wird der Bedeutungswandel von der "Oper" zum "Musiktheater" durchaus reflektiert. Selbst ein Video-Stück wie Steve Reichs "The Cave" hat hier Aufnahme gefunden, auch Tom Waits' "Freischütz"-Musical "The Black Rider", Beat Furrers "Narcissus" oder Louis Andriessens "De Materie", selbst Stockhausens "Donnerstag" und "Samstag" aus "Licht" - Werke also, die man kaum als "Oper" klassifizieren würde.
Adriana Hölszkys "Bremer Freiheit", durchaus ein "Singwerk", hingegen fehlt, ebenso Kagels "Staatstheater" für die Hamburgische Staatsoper. Bei Ligeti etwa ist "Le Grand Macabre" aufgeführt, während die experimentellen "Aventures & Nouvelles Aventures" wegfallen. Daß Beethovens "Fidelio" und "Leonore" nicht separiert erscheinen, die Neuaufnahmen von Busonis "Brautwahl" und "Doktor Faust" fehlen, sind eher Schönheitsfehler in einem Verzeichnis, das vor allem die jüngsten Stücke berücksichtigt, so auch Laserdisc-Dokumentationen.
GERHARD R. KOCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" heißt ein Essay Walter Benjamins, viel zitiert und wenig gelesen. Doch im Gegensatz zu Adorno und Bloch war Benjamin an Musik nicht interessiert, für die Spezifika der Schallplatten-Ästhetik also kaum relevant. Gleichwohl wird die Musikrezeption weltweit seit rund hundert Jahren durch die Medien bestimmt; für manche Hörer ist die Live-Erfahrung schon eher sporadisch. Dementsprechend gigantisch ist die Zahl der Schallplattenaufnahmen: Nimmt man E- und U-Musik zusammen, so ist die Unübersichtlichkeit total. Jeder Versuch, den Dschungel katalogartig zu durchforsten, hat denn auch sein Vergebliches, lückenlose Vollständigkeit ist Illusion.
Ein Verzeichnis sämtlicher Opernaufnahmen bleibt demnach ein hohes, letztlich unerreichbares Ziel. Schon der "Hermes"-Katalog der Gesamtaufnahmen (1983) von Karl Löbl und Robert Werba wies zwangsläufig Lücken auf, bot aber ergänzende Kommentare und Bewertungen. Die Neuerscheinung "Opern. Ein Verzeichnis aller Aufnahmen" von Karsten Steiger bei Cormoran ist erheblich umfangreicher, beschränkt sich aber auf die pure Auflistung. In dieser Hinsicht ist das Buch höchst verdienstvoll, insgesamt wohl so aktuell wie möglich und außerordentlich umfassend. Und keineswegs unsympathisch ist sogar ein Widerspruch, der mit der Definition dessen, was "Oper" ist, zusammenhängt. Denn nur um diese soll es gehen. Das führt mit einiger Konsequenz dazu, daß Operetten, selbst "Die Fledermaus", Musicals wie Bernsteins "West Side Story" oder regelmäßig inszenierte Oratorien, etwa Händels, nicht aufgeführt werden. Das also, was der traditionellen Gattung nahe scheint, wird dogmatisch ausgesondert. Andererseits wird der Bedeutungswandel von der "Oper" zum "Musiktheater" durchaus reflektiert. Selbst ein Video-Stück wie Steve Reichs "The Cave" hat hier Aufnahme gefunden, auch Tom Waits' "Freischütz"-Musical "The Black Rider", Beat Furrers "Narcissus" oder Louis Andriessens "De Materie", selbst Stockhausens "Donnerstag" und "Samstag" aus "Licht" - Werke also, die man kaum als "Oper" klassifizieren würde.
Adriana Hölszkys "Bremer Freiheit", durchaus ein "Singwerk", hingegen fehlt, ebenso Kagels "Staatstheater" für die Hamburgische Staatsoper. Bei Ligeti etwa ist "Le Grand Macabre" aufgeführt, während die experimentellen "Aventures & Nouvelles Aventures" wegfallen. Daß Beethovens "Fidelio" und "Leonore" nicht separiert erscheinen, die Neuaufnahmen von Busonis "Brautwahl" und "Doktor Faust" fehlen, sind eher Schönheitsfehler in einem Verzeichnis, das vor allem die jüngsten Stücke berücksichtigt, so auch Laserdisc-Dokumentationen.
GERHARD R. KOCH
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main