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Seit ihrer Erfindung hat die Oper sich die ganze Welt erobert. "Favola per Musica" hieß die neue Kunst vor vierhundert Jahren. Eine Geschichte oder Begebenheit dargestellt durch Musik. Diese Kunst der Darstellung durch Musik gilt es zu lernen und zu beherrschen, meint Michael Hampe, der nicht nur jahrzehntelang in aller Welt Regie geführt, sondern auch bedeutende Opernhäuser und Festivals geleitet hat. Die "Opernschule" mit mehr als hundert Techniken und Spielregeln zeigt, wie Oper geht, wie Geschichten durch Musik zur Darstellung gebracht werden können. Unterhaltsam essayistisch geschrieben…mehr

Produktbeschreibung
Seit ihrer Erfindung hat die Oper sich die ganze Welt erobert. "Favola per Musica" hieß die neue Kunst vor vierhundert Jahren. Eine Geschichte oder Begebenheit dargestellt durch Musik. Diese Kunst der Darstellung durch Musik gilt es zu lernen und zu beherrschen, meint Michael Hampe, der nicht nur jahrzehntelang in aller Welt Regie geführt, sondern auch bedeutende Opernhäuser und Festivals geleitet hat. Die "Opernschule" mit mehr als hundert Techniken und Spielregeln zeigt, wie Oper geht, wie Geschichten durch Musik zur Darstellung gebracht werden können. Unterhaltsam essayistisch geschrieben und mit zahlreichen Anekdoten aus einem schaffensreichen Leben angereichert ist Michael Hampes "künstlerisches Testament" ein Muss für alle Opernmacher - Sänger, Dirigenten und Regisseure - wie auch für das interessierte Opernpublikum und nicht zuletzt für Opernverächter, die es zu gewinnen gilt. "Die Oper kann etwas, was alle anderen Künste nicht können: Die Simultanität in Zeit und Raum. Ich wüsste keine andere Kunst, die ein so vollständiges, vieldimensionales Abbild der Welt zeigen kann wie die Oper." (Michael Hampe)
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Michael Hampe ist als Opernregisseur in der ganzen Welt tätig. Er lebt in Zürich. Als Intendant hat er u. a. die Kölner Oper und die Dresdner Musikfestspiele geleitet und war Direktoriumsmitglied der Salzburger Festspiele. Als Professor gibt er an zahlreichen Universitäten und Hochschulen des In- und Auslands seine Erfahrungen weiter.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2015

Oper heißt, Geschichten durch Musik zu erzählen
Regiearbeit, damit das Werk erstrahle: Michael Hampe gibt Regeln für die Praxis des Musiktheaters an die Hand

Das R-Wort, "das vielen ein Ärgernis ist", fällt erstmals auf Seite 114: Regietheater. Michael Hampe definiert es ohne Schaum vorm Mund: "Regietheater ist nicht besser oder schlechter als jedes andere Theater auch. Es ist ein Theater, in dem nicht ein Werk dienend interpretiert wird, sondern bei dem das Werk zum Rohmaterial wird, dem der Regisseur seine eigenen Ideen, Vorstellungen, Phantasien, Assoziationen hinzufügt, unabhängig von Form und Struktur des Werks. Dieses kann bearbeitet, verändert, umgeformt, mit anderen Materialien vermischt und gekürzt oder verlängert werden. Dabei können wie bei jedem Theater sehr schlechte, aber auch großartige, überwältigende Aufführungen entstehen."

Damit man nicht argwöhnt, hinter dieser sachlichen Distanz lauere das Ressentiment, gibt Hampe gleich ein Beispiel für gelungenes Regietheater: "Die Geschichte der Carmen, von Peter Brook, mit adaptierter Musik von Georges Bizet." Das sei nicht nur "ein faszinierender Theaterabend" gewesen, sondern als gepanschter Wein auch ehrlich etikettiert. Da merkt man aber dann doch, dass bei allem Bemühen um Gerechtigkeit das Regietheater nicht die Sache des Autors ist. Seine Devise lautet: "Das Werk ist der Star. Alle anderen sind Diener."

Michael Hampe, der im Juni achtzig Jahre alt wird, war zwei Jahrzehnte lang Intendant der Kölner Oper und gehörte zur Zeit Herbert von Karajans zum Kuratorium der Salzburger Festspiele. Mit seinem Buch fasst der Regisseur seine Erkenntnisse zusammen, um all jenen, die Oper lieben, etwas Nützliches zu hinterlassen. Auch Hampe liebt die Oper - als Kunstform, nicht als Betrieb. Denn als Betrieb, als Produktionsform, sei sie meistens etwas unerträglich Dummes, Geistfeindliches und Bequemes, gegen das man anarbeiten müsse, um die Oper als Kunstform erstrahlen zu lassen. "Die eigentliche Todsünde ist: Die Oper lernt nicht", schreibt Hampe. Sie habe als Betrieb keinen "handwerklichen Kanon" entwickelt, keine Regeln und Techniken, die über die Ausbildung der Stimme in der Gesangskunst hinausgingen.

Genau darum geht es diesem schlanken, klaren, typographisch elegant gesetzten Buch aber: Es will endlich einmal Standards der Regiearbeit formulieren, Begriffe bilden, Grundsätze aufstellen. Die neunzehn kurzen Kapitel leiten aus erfahrungssatter Anschauung jeweils prägnante Regeln her, die einprägsam zusammengefasst werden. Am Ende des Buches werden diese Regeln nochmals aufgelistet. Oper heißt, Geschichten durch Musik zu erzählen. Und die Partitur enthält in der Regel alle Informationen, wie wem zumute ist und wer was aus welchem Grund tut. Dazu muss man aber Partituren lesen, auf die Musik hören können und herausfinden, was sie sagt und zeigt.

Schlimme Schauergeschichten der Stümperei kursieren inzwischen im Opernbetrieb. Es gibt Schauspielregisseure, die sich am Genre " Oper" versuchen und bei den Proben Anweisungen wie "Track sechs, bitte" geben, weil sie nach CD-Beiheft, aber nicht nach Partitur inszenieren. Am Beispiel der Arie des Königs Philipp aus Giuseppe Verdis "Don Carlos" illustriert Hampe die Ahnungslosigkeit von Gesangsstudenten, die vom Stückzusammenhang und von geschichtlichen Hintergründen oft keinen blassen Schimmer haben. Dass jeder Ausdruck motiviert und adressiert ist, müsse man ihnen erst detailliert beibringen.

Hampe sucht nach einem Musiktheater, das integrativ auf das Publikum wirkt und nicht nur für Insider spielt. Über das Etikett "modern" werde im Zuschauerraum entschieden. Denn modern sei alles, was heutige Menschen - seelisch oder geistig - erreicht. Der gewerbsmäßige, reflexhafte Regelbruch ödet ihn wahrscheinlich nur an: "Erst Können - dann Meinung! Kenne und benutze die Regeln, dann stelle sie in Frage. Brich Regeln, wenn nötig, aber aus einem Grund. Interessant, neuartig, avantgardistisch, revolutionär, radikal und dergleichen sind keine Gründe. Sie können sich allenfalls aus einem guten Grund ergeben."

Manchmal könnte man sich mit dem Autor streiten. Etwa wenn er erzählt, er habe einem Regisseur empfohlen, die Musik in Richard Wagners "Lohengrin" zu ändern, nur weil der Regisseur den Gralsritter nicht als guten Strahlemann, sondern als Finsterling darstellen wollte. Lohengrin ist tatsächlich eine zwielichtige Gestalt. Seine charismatische Herrschaft verstößt gegen fixiertes Recht. So hat Kasper Holten Wagners Stück an der Deutschen Oper Berlin überzeugend inszeniert: Gerade der musikalische Glanz, der vom Schwanenritter ausgeht, ist sein Mittel zur Betörung der Massen, um eine Diktatur zu errichten (F.A.Z. vom 17. April 2012). Und auch Hampes Behauptung, der Antisemitismus sei nur Teil von Wagners Schriften und Person, nicht aber von dessen Werk, dürfte anfechtbar sein, wie Beobachtungen kritischer Wissenschaftler in der Musik und den Libretti zeigen.

Doch der sympathische Ton dieser "Opernschule" verheißt, dass der Streit möglich wäre. Das ist kein Buch eines Nörglers oder Besserwissers. Es hält sich selbst an das, was es fordert, nämlich dass die Moralität der Kunst in der Genauigkeit der Darstellung liegen müsse. Allen, die genauer hören, sehen und lesen wollen, wird dieses Buch gute Dienste leisten.

JAN BRACHMANN

Michael Hampe: "Opernschule". Für Liebhaber, Macher und Verächter des Musiktheaters. Böhlau Verlag, Wien, Köln, Weimar 2015. 192 S., geb., 14,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Hampe zufolge gibt es in der Opernlandschaft einen Mangel an Lernbereitschaft, der sich auch in fehlenden Diskussionen über Techniken äußert, die über die Gesangsstimme hinausgehen, berichtet Jan Brachmann. Hampes "Opernschule" soll ein Beitrag zur Lösung des Problems sein und lädt, obwohl sich der Autor merklich um einen neutralen Ton bemüht, auch prompt zu weiteren Diskussionen ein, verspricht der Rezensent, zum Beispiel über das Verhältnis von Regisseur und Werk. Was aber kaum sinnvoll anzufechten sei, ist Hampes Bestehen auf der "Genauigkeit der Darstellung" und der Begründbarkeit von Entscheidungen, seien sie nun regelkonform oder nicht, erklärt Brachmann. Verbesserungen seien eben nur dann möglich, wenn reflektiert mit dem Material umgegangen werde, stimmt der Rezensent zu.

© Perlentaucher Medien GmbH