Ein funkensprühendes Zeitbild
„Doch am meisten beseelte ihn die Anwesenheit des grandiosen Musikers, der auch ein grandioser Mann war und dabei so schlicht, so natürlich mit ihm sprach, als kennten sie einander schon lang.“ (Zitat Seite 112)
Inhalt
Anfang August 1862 trifft Fjodor
Michailowitsch Dostojewskij mit dem Zug in Venedig ein. Es ist seine erste Auslandsreise nach Europa, die…mehrEin funkensprühendes Zeitbild
„Doch am meisten beseelte ihn die Anwesenheit des grandiosen Musikers, der auch ein grandioser Mann war und dabei so schlicht, so natürlich mit ihm sprach, als kennten sie einander schon lang.“ (Zitat Seite 112)
Inhalt
Anfang August 1862 trifft Fjodor Michailowitsch Dostojewskij mit dem Zug in Venedig ein. Es ist seine erste Auslandsreise nach Europa, die am 7. Juni begonnen hatte. Er kommt aus Florenz und Italien hat ihn bisher enttäuscht. Schon vierzig Jahre alt, hat er nach ersten Erfolgen, Straflager und Strafdienst beim Militär, eine Schaffenskrise, auch wenn er durch seine Reise eine Fülle von neuen Ideen gesammelt hat. Schon überlegt er, aus Venedig früher abzureisen, als er den berühmten Komponisten Gioachino Rossini kennenlernt, der auch mit siebzig Jahren das Leben fröhlich feiert und genießt, hilfsbereit, liebenswert und großzügig. Durch ihn erlebt der zurückhaltende, schwermütige russische Schriftsteller die unvergleichliche Stadt Venedig, wie sie wirklich ist.
Thema und Genre
In diesem Roman geht es um eine Begegnung des Schriftstellers Dostojewskij mit dem Komponisten Rossini. Obwohl die beiden Künstler einander tatsächlich nie getroffen haben, ist diese Geschichte eine so lebendige, geniale Verbindung zwischen intensiver Recherche und einfühlsamer Phantasie, dass man beim Lesen vergisst, dass es sich um keine reale historische Begebenheit handelt.
Charaktere
Der lebensfrohe, überschäumend italienische Komponist Rossini ist das genaue Gegenteil des schwermütigen, damals von Selbstzweifeln erfüllten Schriftstellers Dostojewskij. Die gemeinsamen Gespräche sind trotz oder gerade wegen ihrer unterschiedlichen Sichtweisen für beide eine Bereicherung und beeinflussen das weitere künstlerische Schaffen. Auch die Personen im Umfeld sind so typisch italienisch, man hat sie und die teilweise chaotischen Situationen sofort vor Augen, sie werden lebendig, sind liebenswert, ohne je in Klischees abzugleiten.
Handlung und Schreibstil
Es sind nur fünf Tage, die Dostojewskij vor seiner Heimreise nach St. Petersburg in Venedig verbringt, doch die Fülle an Erlebnissen und Eindrücken, die uns jeder Tag in diesem auch sprachlich überzeugenden Roman schildert, lässt diese kurze Zeitspanne wie Wochen scheinen. Großartig ist die Szene, in der Rossini und Dostojewskij einander zum ersten Mal begegnen. Auch der Umgang der venezianischen Bevölkerung mit den österreichischen Besatzern ist ein Thema. Spätestens, als Dostojewskij zu einem Treffen im Caffè eilt und zuerst das Quadri betritt, wo er auf das gegenüberliegende Florian verwiesen wird, erkennt er die Zusammenhänge und Viva Verdi bekommt eine völlig neue Bedeutung. Doch während die Erinnerungen an den Strafmilitärdienst die Gedanken des russischen Dichters oft in tiefes Dunkel tauchen, hat sich Venedig die lebensfrohe, südliche Leichtigkeit auch unter der österreichischen Herrschaft erhalten. Spannung erhält diese Geschichte durch eine Idee Rossinis, er macht Dostojewskij einen Vorschlag und man ist neugierig, wie der Autor dies auflösen wird, da auch diese Idee fiktiv ist.
Fazit
Ein funkensprühendes Zeitbild, eine Begegnung von zwei großen Künstlern, der schwermütige, ernste Russe trifft auf den fröhlichen italienischen Genussmenschen und lernt die einzigartige Stadt Venedig kennen und lieben. Ein Leseerlebnis, das mich begeistert hat, mich zum Träumen brachte und Erinnerungen an Venedigbesuche lebendig werden ließ. „Italien ist Italien, Venedig ist Venedig. Venedig bleibt Venedig. Immer.“ (Zitat Seite 434)