„Die Milchstraße ist die qualmende Schmauchspur einer in den seidenglänzenden Himmel geschossenen Ladung Schießpulver.“
Vom Beginn des Romans bin ich wirklich bezaubert, es gibt diese Umkehr - den Blick auf die Erde von außerhalb und die darin verborgene Schönheit.
Ich bin auch verzaubert von der
wunderbaren Sprache, den Metaphern und Vergleichen. Schon der erste Satz ist ein großartiger…mehr„Die Milchstraße ist die qualmende Schmauchspur einer in den seidenglänzenden Himmel geschossenen Ladung Schießpulver.“
Vom Beginn des Romans bin ich wirklich bezaubert, es gibt diese Umkehr - den Blick auf die Erde von außerhalb und die darin verborgene Schönheit.
Ich bin auch verzaubert von der wunderbaren Sprache, den Metaphern und Vergleichen. Schon der erste Satz ist ein großartiger Einstieg: Es geht um Träume und Mythologien, Einsamkeit und Nähe, die schlichte Ewigkeit des Universums.
Wir begleiten sechs Astronauten aus aller Welt auf ihrem Weg um die Erde, die sie pro Tag mehrfach umrunden. Dieser Roman spielt an einem Tag, wir sind vom Morgen bis zum Abend anwesend und erkunden diese Zeit gemeinsam – diese Zeitspanne, die so viel Normalität und auch so viel Ungeheuerliches birgt: den Tod, Naturkatastrophen, Zerstörung, das Wissen um die Begrenztheit des Lebens, aber auch die Liebe und die Zuversicht.
Vor unseren Augen eröffnet sich eine unglaubliche Farbenpracht: Großartige Farbbeschreibungen explodieren, ein Fest für Künstler entsteht, unglaublich sinnlich, wie ein barockes Gemälde - später werden wir auch mehrfach auf das Gemälde von Velasquez stoßen. Bildhafte Farbkombinationen werden evoziert, Kobaltblau, blaue Sphären, energiegeladenes Schwarz, das All als Panther, ungezähmt und ursprünglich, wolkenverhangene Goldglut, neonfarbene Kuppel, eine zarte Bresche flüssigen Lichts und vieles mehr - da entstehen gleich Bilder und Farben im Kopf, reine Poesie.
„Die Erde ist wie das Gesicht einer Angebeteten (…) Die Erde ist eine Mutter, die darauf wartet, dass ihre Kinder zurückkehren, voller Geschichten und Begeisterung und Sehnsucht. (...) Ihre Augen voller Eindrücke, die sich nur schwer in Worte fassen lassen.“
Im Training haben die Astronauten gelernt, dass sie Listen führen sollen, dass sie dem Alltag mit Pragnatismus begegnen sollen, um das eigene Gleichgewicht zu bewahren, pro Tag sehen sie 16 Sonnenaufgänge, umkreisen 16 mal die Erde. Die Uhr dient als Anker für den Verstand. Es ist unglaublich, wie viele unterschiedliche Perspektiven pro Tag entstehen, die sich aber jeweils wiederholen. Fünf Kontinente werden überschritten, Herbst und Frühling, Gletscher und Wüste, Wildnis und Kriegsgebiet. Eine Fülle an Eindrücken entsteht aus der Distanz heraus.
Es ist schon ein besonderer Text, wenn auch kein Pageturner... für mich entsteht eine Art Gedicht, ein Anthem.
Bei der englischen Hörversion ist die weibliche Stimme sanft, präzise, etwas abgesetzt und wird wie ein Gedicht vorgetragen, sehr gut zur verstehen, durch das vielfältige und teilweise ungewöhnliche Vokabular ist es durchaus anspruchsvoll, aber immer ein Genuss.
Zum Roman passt das offenen Ende und deshalb gibt es bei mir auch Abzüge, kein Knall, kaum Spannung, stattdessen viele intime Beobachtungen, schöne Beschreibungen, voller Poesie, teilweise fast wie Auszüge aus einer Doku, wie ein Bericht. Sprachlich ist der Roman von Harvey sehr ansprechend, aber das Emotionale, Aufwühlende fehlt mir doch und die Figuren bleiben mir relativ fremd. Deshalb gibt es von mir 4 von 5 Punktkn.