Die zunehmende Globalisierung führt zu gravierenden Konsequenzen für die einzelstaatliche Politik und gerade auch für die Ordnungspolitik - Konsequenzen, die in ihren Ausmaßen erst allmählich in das Bewußtsein der Akteure rücken.
Vor diesem Hintergrund widmet sich das Buch der Frage, ob bzw. welche Ordnungspolitik angesichts der skizzierten Globalisierungsprozesse zum einen sinnvoll, zum anderen noch möglich ist. Der Band macht der interessierten Öffentlichkeit die überarbeiteten Diskussionsbeiträge einer Tagung zugänglich, auf der im November 2000 liberale Wirtschaftspolitiker und Ordnungsökonomen sowie weitere Fachleute und Journalisten die anstehenden Fragen in ihren jeweiligen Fachgebieten diskutierten.
Nach einer Einleitung mit grundsätzlichen Fragestellungen werden sechs Themenkomplexe behandelt:
- Welthandel, Reform und Weiterentwicklung der WTO,
- Multinationalisierung der Unternehmen und Wettbewerb der Staaten,
- Internationale Finanzmärkte,
- Migrationund Globalisierung der Arbeitsmärkte,
- Entwicklung der Europäischen Union,
- Internationaler Steuerwettbewerb: Möglichkeiten und Grenzen.
Vor diesem Hintergrund widmet sich das Buch der Frage, ob bzw. welche Ordnungspolitik angesichts der skizzierten Globalisierungsprozesse zum einen sinnvoll, zum anderen noch möglich ist. Der Band macht der interessierten Öffentlichkeit die überarbeiteten Diskussionsbeiträge einer Tagung zugänglich, auf der im November 2000 liberale Wirtschaftspolitiker und Ordnungsökonomen sowie weitere Fachleute und Journalisten die anstehenden Fragen in ihren jeweiligen Fachgebieten diskutierten.
Nach einer Einleitung mit grundsätzlichen Fragestellungen werden sechs Themenkomplexe behandelt:
- Welthandel, Reform und Weiterentwicklung der WTO,
- Multinationalisierung der Unternehmen und Wettbewerb der Staaten,
- Internationale Finanzmärkte,
- Migrationund Globalisierung der Arbeitsmärkte,
- Entwicklung der Europäischen Union,
- Internationaler Steuerwettbewerb: Möglichkeiten und Grenzen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.01.2002Unterschiedliche Antworten auf die Globalisierung
Zuflucht zu einer globalen Staatlichkeit oder Vertrauen zur disziplinierenden Kraft des Wettbewerbs
Ingomar Hauchler/Dirk Messner/Franz Nuscheler (Herausgeber): Globale Trends 2002. Fakten, Analysen, Prognosen. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt 2001, 495 Seiten, 13,90 Euro.
Lüder Gerken/Otto Graf Lambsdorff (Herausgeber): Ordnungspolitik in der Weltwirtschaft. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2001, 233 Seiten, 78 DM.
Die Welt scheint immer unübersichtlicher zu werden. In atemberaubendem Tempo nehmen unterschiedliche, einander überlappende oder scheinbar widersprüchliche Entwicklungen ihren Lauf, die immer schwerer einzuordnen und zu bewerten sind. Wachsende Armut und aufkeimender Reichtum in unterschiedlichen Teilen der Welt, sich verdichtendes Unbehagen gegen die Macht der Märkte bis hin zu gewalttätigen Protesten, Finanzkrisen und zunehmende Umweltprobleme - die "Globalisierung" scheint der Menschheit über den Kopf zu wachsen. Da hilft es, einmal einen Schritt zurück zu tun und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dabei sind zwei Veröffentlichungen hilfreich, deren Autoren sich in sehr unterschiedlicher Weise und aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Globalisierung auseinandersetzen.
In den "globalen Trends 2002" der 1986 von Willy Brandt ins Leben gerufenen Stiftung Entwicklung und Frieden sind Fakten und Daten zusammengetragen, die sonst in den verschiedensten Berichten internationaler Organisationen verstreut sind. In zahlreichen Tabellen und Schaubildern finden sich Informationen über Kapitalflüsse und Einkommensunterschiede in der Welt, Bevölkerungswachstum und Verstädterung, Kohlendioxydemissionen und Klimawandel. Die Autoren beschränken sich allerdings nicht auf die Präsentation und Analyse von Tatsachen. Vielmehr fordern sie eine andere "Weltpolitik" - ausgehend von der Diagnose, daß vieles von dem, was international wünschenswert wäre, häufig an nationalstaatlichen Interessen scheitert. Um diese "globale Umsetzungslücke" zu schließen, seien "Elemente globaler Staatlichkeit" nötig.
Nun kann man den Autoren wohl keinen naiven Etatismus vorwerfen. Sie versäumen nicht, zu betonen, daß "die Errichtung eines Weltstaates weder eine realistische noch eine erstrebenswerte Vision ist". Auch heben sie die Bedeutung von Subsidiarität hervor: Weltpolitik solle nur dort und in dem Maße Zuständigkeiten erhalten, wo sie Probleme besser lösen könne, als dies auf lokaler oder nationaler Ebene möglich sei. Dennoch kann sich der Leser bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, daß das Vertrauen der Autoren zu dezentralen, spontanen Entwicklungen gering ist und daß die Möglichkeiten einer "Weltpolitik" überschätzt werden.
Das Buch deswegen wegzulegen ist freilich nicht notwendig. Statt dessen empfiehlt es sich, auch die liberale Gegenposition zu Rate zu ziehen und einen Blick in das Buch "Ordnungspolitik in der Weltwirtschaft" zu werfen. Darin sind die Beiträge einer Tagung wiedergegeben, die das Freiburger Walter-Eucken-Institut gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung veranstaltet hat. Deren Fragestellung ist letztlich die gleiche wie in den "globalen Trends": Welche Ordnungspolitik ist angesichts der Globalisierung sinnvoll, beziehungsweise ist Ordnungspolitik überhaupt noch möglich? Die Antworten indes könnten unterschiedlicher nicht sein.
So sieht der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Otto Graf Lambsdorff, die Ursache für die meisten Probleme in einem Versagen des Staats als des Marktes. Folglich wird aber auch eine "Weltpolitik" die Probleme nicht in den Griff bekommen, sondern sie vielmehr verschärfen. Für Lambsdorff zeigt sich dies schon darin, daß Nichtregierungsorganisationen, die häufig als Hoffnungsträger einer demokratischen Weltöffentlichkeit betrachtet werden, es "gar nicht abwarten können, vom Staat oder von supranationalen Staatsverbänden gefördert und mit Privilegien versehen zu werden". Das Problem des demokratischen Nationalstaates - seine Anfälligkeit für Sonderinteressen - zeichnet sich damit auf globaler Ebene schon ab, wo der wirtschaftlichen Globalisierung die politische auf dem Fuße folgt.
Auch andere Autoren des Bandes sehen in Harmonisierung und Zentralisierung die Bestrebung nationaler Regierungen, sich durch die Bildung von Kartellen dem Wettbewerb zu entziehen - so wie Unternehmen dies auf Gütermärkten gerne tun (oder gerne tun würden). Roland Vaubel von der Universität Mannheim kritisiert daher den "atemberaubenden Zentralisierungsprozeß" der Europäischen Union. Ähnlich kritisch diagnostiziert Charles Blankart von der Humboldt-Universität Berlin "starke Kräfte, die in Richtung einer einheitlichen europäischen Steuerordnung drängen".
Freilich sind auch die Antworten der Liberalen bisweilen unbefriedigend. Zum Beispiel schreibt der Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Gerhardt: "Es gibt keine Stammplätze auf dieser Welt, es gibt Auf- und Absteiger. Die Zukunft wird denen gehören, die sich darauf vorbereiten." Solche Feststellungen stoßen mit Recht auf Kritik von Globalisierungsgegnern, die fragen, ob das denn wirklich so sein muß - und eine politische Flankierung der Marktprozesse einfordern.
Hieraus ergeben sich wiederum Berührungspunkte zwischen Globalisierungskritikern und Ordoliberalen, die Hoffnung machen. So schreibt Wolfgang Kerber von der Universität Marburg: "Genauso wie auf normalen Gütermärkten, so kann selbstverständlich auch auf Standortmärkten und damit beim Standortwettbewerb nicht davon ausgegangen werden, daß die Märkte und der Wettbewerb von vornherein problemlos funktionieren. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß auch beim Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften Markt- und Wettbewerbsversagen auftreten kann." Dies könne allerdings nicht bedeuten, daß der Standortwettbewerb beseitigt werden sollte. Vielmehr sei zu fragen, ob die Probleme nicht durch eine geeignete Wettbewerbsordnung für den Standortwettbewerb beseitigt werden könnten.
ROLF ACKERMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zuflucht zu einer globalen Staatlichkeit oder Vertrauen zur disziplinierenden Kraft des Wettbewerbs
Ingomar Hauchler/Dirk Messner/Franz Nuscheler (Herausgeber): Globale Trends 2002. Fakten, Analysen, Prognosen. Fischer Taschenbuchverlag, Frankfurt 2001, 495 Seiten, 13,90 Euro.
Lüder Gerken/Otto Graf Lambsdorff (Herausgeber): Ordnungspolitik in der Weltwirtschaft. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2001, 233 Seiten, 78 DM.
Die Welt scheint immer unübersichtlicher zu werden. In atemberaubendem Tempo nehmen unterschiedliche, einander überlappende oder scheinbar widersprüchliche Entwicklungen ihren Lauf, die immer schwerer einzuordnen und zu bewerten sind. Wachsende Armut und aufkeimender Reichtum in unterschiedlichen Teilen der Welt, sich verdichtendes Unbehagen gegen die Macht der Märkte bis hin zu gewalttätigen Protesten, Finanzkrisen und zunehmende Umweltprobleme - die "Globalisierung" scheint der Menschheit über den Kopf zu wachsen. Da hilft es, einmal einen Schritt zurück zu tun und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Dabei sind zwei Veröffentlichungen hilfreich, deren Autoren sich in sehr unterschiedlicher Weise und aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Globalisierung auseinandersetzen.
In den "globalen Trends 2002" der 1986 von Willy Brandt ins Leben gerufenen Stiftung Entwicklung und Frieden sind Fakten und Daten zusammengetragen, die sonst in den verschiedensten Berichten internationaler Organisationen verstreut sind. In zahlreichen Tabellen und Schaubildern finden sich Informationen über Kapitalflüsse und Einkommensunterschiede in der Welt, Bevölkerungswachstum und Verstädterung, Kohlendioxydemissionen und Klimawandel. Die Autoren beschränken sich allerdings nicht auf die Präsentation und Analyse von Tatsachen. Vielmehr fordern sie eine andere "Weltpolitik" - ausgehend von der Diagnose, daß vieles von dem, was international wünschenswert wäre, häufig an nationalstaatlichen Interessen scheitert. Um diese "globale Umsetzungslücke" zu schließen, seien "Elemente globaler Staatlichkeit" nötig.
Nun kann man den Autoren wohl keinen naiven Etatismus vorwerfen. Sie versäumen nicht, zu betonen, daß "die Errichtung eines Weltstaates weder eine realistische noch eine erstrebenswerte Vision ist". Auch heben sie die Bedeutung von Subsidiarität hervor: Weltpolitik solle nur dort und in dem Maße Zuständigkeiten erhalten, wo sie Probleme besser lösen könne, als dies auf lokaler oder nationaler Ebene möglich sei. Dennoch kann sich der Leser bisweilen des Eindrucks nicht erwehren, daß das Vertrauen der Autoren zu dezentralen, spontanen Entwicklungen gering ist und daß die Möglichkeiten einer "Weltpolitik" überschätzt werden.
Das Buch deswegen wegzulegen ist freilich nicht notwendig. Statt dessen empfiehlt es sich, auch die liberale Gegenposition zu Rate zu ziehen und einen Blick in das Buch "Ordnungspolitik in der Weltwirtschaft" zu werfen. Darin sind die Beiträge einer Tagung wiedergegeben, die das Freiburger Walter-Eucken-Institut gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung veranstaltet hat. Deren Fragestellung ist letztlich die gleiche wie in den "globalen Trends": Welche Ordnungspolitik ist angesichts der Globalisierung sinnvoll, beziehungsweise ist Ordnungspolitik überhaupt noch möglich? Die Antworten indes könnten unterschiedlicher nicht sein.
So sieht der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung, Otto Graf Lambsdorff, die Ursache für die meisten Probleme in einem Versagen des Staats als des Marktes. Folglich wird aber auch eine "Weltpolitik" die Probleme nicht in den Griff bekommen, sondern sie vielmehr verschärfen. Für Lambsdorff zeigt sich dies schon darin, daß Nichtregierungsorganisationen, die häufig als Hoffnungsträger einer demokratischen Weltöffentlichkeit betrachtet werden, es "gar nicht abwarten können, vom Staat oder von supranationalen Staatsverbänden gefördert und mit Privilegien versehen zu werden". Das Problem des demokratischen Nationalstaates - seine Anfälligkeit für Sonderinteressen - zeichnet sich damit auf globaler Ebene schon ab, wo der wirtschaftlichen Globalisierung die politische auf dem Fuße folgt.
Auch andere Autoren des Bandes sehen in Harmonisierung und Zentralisierung die Bestrebung nationaler Regierungen, sich durch die Bildung von Kartellen dem Wettbewerb zu entziehen - so wie Unternehmen dies auf Gütermärkten gerne tun (oder gerne tun würden). Roland Vaubel von der Universität Mannheim kritisiert daher den "atemberaubenden Zentralisierungsprozeß" der Europäischen Union. Ähnlich kritisch diagnostiziert Charles Blankart von der Humboldt-Universität Berlin "starke Kräfte, die in Richtung einer einheitlichen europäischen Steuerordnung drängen".
Freilich sind auch die Antworten der Liberalen bisweilen unbefriedigend. Zum Beispiel schreibt der Bundesvorsitzende der FDP, Wolfgang Gerhardt: "Es gibt keine Stammplätze auf dieser Welt, es gibt Auf- und Absteiger. Die Zukunft wird denen gehören, die sich darauf vorbereiten." Solche Feststellungen stoßen mit Recht auf Kritik von Globalisierungsgegnern, die fragen, ob das denn wirklich so sein muß - und eine politische Flankierung der Marktprozesse einfordern.
Hieraus ergeben sich wiederum Berührungspunkte zwischen Globalisierungskritikern und Ordoliberalen, die Hoffnung machen. So schreibt Wolfgang Kerber von der Universität Marburg: "Genauso wie auf normalen Gütermärkten, so kann selbstverständlich auch auf Standortmärkten und damit beim Standortwettbewerb nicht davon ausgegangen werden, daß die Märkte und der Wettbewerb von vornherein problemlos funktionieren. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß auch beim Wettbewerb zwischen Gebietskörperschaften Markt- und Wettbewerbsversagen auftreten kann." Dies könne allerdings nicht bedeuten, daß der Standortwettbewerb beseitigt werden sollte. Vielmehr sei zu fragen, ob die Probleme nicht durch eine geeignete Wettbewerbsordnung für den Standortwettbewerb beseitigt werden könnten.
ROLF ACKERMANN
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dieser Sammelband ist die schriftliche Fassung einer von der Friedrich-Naumann-Stiftung mitveranstalteten Tagung. Laut Rezensent Rolf Ackermann kein Wunder, dass sich jede Menge FDP-Prominenz, von Otto Graf Lambsdorff bis Wolfgang Gerhardt, findet. Wenig überraschend auch, dass man hier wenig für den Staat übrig hat und Eingriffe in den freien Markt für eine "Bildung von Kartellen" hält. Der Rezensent sympathisiert ganz offensichtlich mit der grundsätzlichen Position, findet jedoch manche der Thesen "unbefriedigend". Wenn Wolfgang Gerhardt sozialdarwinistisch vom Leder zieht, kann Ackermann gar die Globalisierungsgegner ganz gut verstehen. Eine eher vermittelnde Position hat er im Aufsatz von Wolfgang Kerber gefunden, der immerhin vor der Möglichkeit von "Markt- und Wettbewerbsversagen" warnt. Nötig sei vielmehr, und das unterschreibt der Rezensent gerne, eine "geeignete Wettbewerbsordnung".
© Perlentaucher Medien GmbH
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