Der Band "Ordnungspolitik" enthält bisher unveröffentlichte Texte von Walter Eucken, der als geistiger Vater der sozialen Marktwirschaft gilt. Es handelt sich um Gutachten, die Eucken nach 1945 für die Alliierten entworfen hat. Euckens Ordoliberalismus wird seit Ludwig Erhard von allen Bundesregierungen in Anspruch genommen. Doch Walter Eucken strebte eine andere Wirtschaftsordnung an. Er entwarf - heute in der Krise der Globalisierung hochaktuell - eine Marktwirtschaft ohne Konzernmacht. Das Bändchen enthält zudem ein Nachwort über Werk, Leben und Aktualität der Theorie der Wirtschaftspolitik Euckens.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2000Ordnung und spätes Leid
Drei Nachkriegs-Gutachten von Walter Eucken
[Bitte hierzu die Gegendarstellung beachten!]
Walter Eucken: Ordnungspolitik. Herausgegeben von Walter Oswalt, LIT Verlag, Münster 1999, 96 Seiten, 24,80 DM.
Verbitterung hatte schon die Ankündigung dieses Buches hervorgerufen. Die Weggefährten und Schüler des Freiburger Nationalökonomen Walter Eucken hatten jahrzehntelang vergeblich nach unveröffentlichten Quellen gesucht, um zusätzlichen Aufschluss darüber zu erhalten, wie sich die in der Zeit des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gereiften ordnungspolitischen Vorstellungen des geistigen Vaters der Sozialen Marktwirtschaft in den ersten Nachkriegsjahren Deutschlands konkretisierten - und wandelten. Eucken war 1950 einem Herzinfarkt erlegen. Die Gutachten, die Walter Oswalt, gelernter Gärtner, sporadischer Publizist und ehemals Grünen-Abgeordneter im Frankfurter Stadtrat, nun aus dem Nachlass seines Großvaters zusammengestellt hat, sind der Forschung bisher nicht zugänglich gewesen. In seinen Anmerkungen bezichtigt Oswalt die Wissenschaftler freilich des mangelnden Interesses.
Verärgerung kommt auch bei der Lektüre auf. Das Buch hält schon vom Umfang her nicht, was die Ankündigung versprach: Es ist ein Büchlein nur, die 96 Seiten gerade einmal gut 15 Zentimeter hoch und weniger als 10 Zentimeter breit. Bloß 58 Seiten stammen von Eucken. Sie bestehen aus drei knappen, wenig ergiebigen Texten für die französische Militärverwaltung aus dem Jahr 1946: "Über die Gesamtausrichtung der Wirtschaftspolitik", "Industrielle Konzentration" und "Über die Verstaatlichung der Privaten Banken". Wer Euckens Werk kennt, der ahnt auch Inhalt und Tenor dieser Schriften: Die beiden letzteren lassen sich schlicht mit "nein" resümieren. In der ersten, die argumentativ zwar noch am meisten in die Tiefe vordringt, dabei aber über die Monographie "Die Grundlagen der Wirtschaftspolitik" nicht hinausreicht, geht es um die Notwendigkeit einer Wirtschaftspolitik aus einem Guss, um die "Interdependenz der Ordnungen" und die Meriten der Wettbewerbsordnung.
Auf den restlichen Seiten gibt Walter Oswalt dem Leser seine von antikapitalistischem Soupçon getragene, persönliche Antwort auf die Frage "Was ist Ordnungspolitik?". Er sieht eine Verschwörung: "Was das Konzept der Ordnungspolitik tatsächlich bedeutet, wurde bisher systematisch durch Wirtschaftspolitik und Wirtschaftswissenschaften verstellt." Er wittert Heuchelei und Opportunismus: Man habe Eucken nur wegen dessen Engagement gegen den Nationalsozialismus immer wieder vereinnahmt. Und er sieht ein fundamentales Missverständnis: "Die von Eucken geforderte Grundsatzentscheidung für die Wettbewerbsordnung hat es in Deutschland nie gegeben." Denn Eucken habe, wie ein Zitat aus einem weiteren, hier aber nicht veröffentlichten Gutachten ergibt, nicht nur die Zerschlagung der Konzerne im Inland angemahnt, sondern auch die Abschottung gegen Großkonzerne aus dem Ausland. Das klingt so unglaublich, dass man es gern im Zusammenhang nachläse. Ein Rat: Man beschränke sich in der Lektüre des Büchleins auf die ersten 58 Seiten.
KAREN HORN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Drei Nachkriegs-Gutachten von Walter Eucken
[Bitte hierzu die Gegendarstellung beachten!]
Walter Eucken: Ordnungspolitik. Herausgegeben von Walter Oswalt, LIT Verlag, Münster 1999, 96 Seiten, 24,80 DM.
Verbitterung hatte schon die Ankündigung dieses Buches hervorgerufen. Die Weggefährten und Schüler des Freiburger Nationalökonomen Walter Eucken hatten jahrzehntelang vergeblich nach unveröffentlichten Quellen gesucht, um zusätzlichen Aufschluss darüber zu erhalten, wie sich die in der Zeit des Widerstands gegen den Nationalsozialismus gereiften ordnungspolitischen Vorstellungen des geistigen Vaters der Sozialen Marktwirtschaft in den ersten Nachkriegsjahren Deutschlands konkretisierten - und wandelten. Eucken war 1950 einem Herzinfarkt erlegen. Die Gutachten, die Walter Oswalt, gelernter Gärtner, sporadischer Publizist und ehemals Grünen-Abgeordneter im Frankfurter Stadtrat, nun aus dem Nachlass seines Großvaters zusammengestellt hat, sind der Forschung bisher nicht zugänglich gewesen. In seinen Anmerkungen bezichtigt Oswalt die Wissenschaftler freilich des mangelnden Interesses.
Verärgerung kommt auch bei der Lektüre auf. Das Buch hält schon vom Umfang her nicht, was die Ankündigung versprach: Es ist ein Büchlein nur, die 96 Seiten gerade einmal gut 15 Zentimeter hoch und weniger als 10 Zentimeter breit. Bloß 58 Seiten stammen von Eucken. Sie bestehen aus drei knappen, wenig ergiebigen Texten für die französische Militärverwaltung aus dem Jahr 1946: "Über die Gesamtausrichtung der Wirtschaftspolitik", "Industrielle Konzentration" und "Über die Verstaatlichung der Privaten Banken". Wer Euckens Werk kennt, der ahnt auch Inhalt und Tenor dieser Schriften: Die beiden letzteren lassen sich schlicht mit "nein" resümieren. In der ersten, die argumentativ zwar noch am meisten in die Tiefe vordringt, dabei aber über die Monographie "Die Grundlagen der Wirtschaftspolitik" nicht hinausreicht, geht es um die Notwendigkeit einer Wirtschaftspolitik aus einem Guss, um die "Interdependenz der Ordnungen" und die Meriten der Wettbewerbsordnung.
Auf den restlichen Seiten gibt Walter Oswalt dem Leser seine von antikapitalistischem Soupçon getragene, persönliche Antwort auf die Frage "Was ist Ordnungspolitik?". Er sieht eine Verschwörung: "Was das Konzept der Ordnungspolitik tatsächlich bedeutet, wurde bisher systematisch durch Wirtschaftspolitik und Wirtschaftswissenschaften verstellt." Er wittert Heuchelei und Opportunismus: Man habe Eucken nur wegen dessen Engagement gegen den Nationalsozialismus immer wieder vereinnahmt. Und er sieht ein fundamentales Missverständnis: "Die von Eucken geforderte Grundsatzentscheidung für die Wettbewerbsordnung hat es in Deutschland nie gegeben." Denn Eucken habe, wie ein Zitat aus einem weiteren, hier aber nicht veröffentlichten Gutachten ergibt, nicht nur die Zerschlagung der Konzerne im Inland angemahnt, sondern auch die Abschottung gegen Großkonzerne aus dem Ausland. Das klingt so unglaublich, dass man es gern im Zusammenhang nachläse. Ein Rat: Man beschränke sich in der Lektüre des Büchleins auf die ersten 58 Seiten.
KAREN HORN
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
"Mit Interesse nimmt Reinhard Blomert die Studie des Autors zur Kenntnis, den er als "Radikalliberalen" charakterisiert. Eucken vertrete in dem "Auftragsgutachten" die These vom "Ordoliberalismus", die besagt, dass eine Wirtschaftsordnung gebraucht wird, die die "Marktmacht" einschränkt, um die freie Konkurrenz zu ermöglichen. Der Rezensent stimmt dem Herausgeber zu, der in seinem Nachwort zu dem Buch bemängelt, dass die "Liberalen" von heute das "Grundproblem des Zeitalters der Globalisierung" nicht erkennen, denn es sei nicht möglich, den Wirtschaftsprozess durch das Preissystem zu steuern. Allerdings findet er, dass Oswald die Gemeinsamkeiten Euckens mit Vertretern der "Antimonopolbewegung", den "Antitrustbewegungen" und der "Verbraucherschutzbewegung" zu hoch ansetzt, denn seiner Ansicht nach berücksichtigt der Herausgeber Euckens Besorgnis, die Freiheit des Einzelnen könne durch private Marktmacht eingeschränkt werden, nicht genug. Dies lasse sich mit der Angst der Liberalen vor dem "demokratischen Staat" nicht vergleichen, so der Rezensent kritisch.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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