Das Jahrbuch ORDO ist seit über 50 Jahren ein Zentralort der wissenschaftlichen und politischen Diskussion aus dem Konzept der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs heraus. Durch dieses Jahrbuch wurde der Begriff Ordoliberalismus zum festen Begriff. Er steht für ein Grundkonzept, das erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung, eine freiheitliche Wirtschaft und Gesellschaft ohne Dominanz von Staatseingriffen und das Recht auf persönliche Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft in einem unauflöslichen Zusammenhang sieht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2009Ordnung ins Chaos
Das Ordo-Jahrbuch im Sturm der Finanzkrise
Die Finanzkrise ist eine fundamentale Herausforderung für alle Ökonomen, die den freien Markt für einen überlegenen Koordinationsmechanismus halten. Allenthalben wird derzeit Marktversagen angeprangert. Tatsächlich ging dem aber ein gigantisches Staatsversagen voraus, wie der emeritierte Wirtschaftsprofessor Alfred Schüller von der Universität Marburg im neuen Band des Ordo-Jahrbuchs darlegt. Nach Schüller trägt die Hauptschuld an dem Desaster die übermäßig expansive Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank, die mit allzu niedrigen Leitzinsen konjunkturpolitische Ziele verfolgte, damit aber starke Anreize zur Überschuldung setzte. Die nun geplatzte Kreditblase war also kein reines Produkt der Märkte.
Zwei ordnungspolitische Defizite betont Schüller: Es gebe zu viele staatliche, quasistaatliche und anderweitig privilegierte Banken, die einer wirksamen Kontrolle des Wettbewerbs entzogen seien. Insgesamt fehle es an ausreichend strengen Vorschriften für die Haftung der Manager. Weiter kritisiert er eine übermäßige Konzentration auch der Banken. Das zweite ordnungspolitische Problem, das Schüller hervorhebt, ist die ungedeckte Geldschöpfung durch Banken. Hier erinnert er an ein heute fast vergessenes Konzept von Henry Simons, einem der Väter der Chicagoer Schule, der die Möglichkeit der Buchgeldschöpfung durch Banken ausschalten wollte, indem er für eine 100-Prozent-Reserve bei der Notenbank eintrat. Das Aktivgeschäft der Banken würde zwar stark eingeschränkt, zugleich aber die Gefahr von Illiquidität bei "Bank-runs" gemindert. In den Ohren heutiger Banker wird der Simons-Plan hoffnungslos antiquiert klingen, dennoch ist er bedenkenswert. Das nächste Ordo-Jahrbuch soll einen Schwerpunkt zu den Ordnungsfragen des Banken- und Finanzmarktsystems enthalten.
Der aktuelle Band befasst sich in mehreren Aufsätzen mit dem Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. In der Globalisierung wird der Staat seine Aufgaben neu definieren müssen, legt Viktor Vanberg in seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Freiburg dar. Zum einen sei der Staat Gemeinschaftsunternehmen der Bürger, die sich über ihn mit Leistungen versorgen, die sich mit der staatlichen Organisation besser als über privatrechtliche Verträge erbringen lassen. Zum anderen setzt der Staat Rahmenbedingungen für Standortnutzer, die im globalen Wettbewerb stehen. Beide Funktionen müssten schärfer getrennt werden. Dies hat vor allem weitreichende Konsequenzen für die Besteuerung, die weniger nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit erfolgen kann, weil dies Leistungsträger vertreibt, sondern mehr auf Interessen der Besteuerten achten muss. Globalisierung und Standortwettbewerb zwingen zur Offenlegung der Kosten des Sozialstaats.
Über die Frage, wie Staaten eine höhere Steuerehrlichkeit ihrer Bürger erzielen können, schreibt der an der Humboldt-Universität lehrende Finanzwissenschaftler Charles B. Blankart. Er warnt davor, dass mehr Zwang und Strafen kontraproduktiv sind. Wenn sich der Staat wie im "Fall Zumwinkel" fragwürdiger Fahndungsmethoden bediene, werde das Vertrauen in den Rechtsstaat angekratzt, was die Steuermoral beschädigen könne. Umgekehrt seien Bürger eher bereit, ehrlich ihre Steuern zu zahlen, wenn sie über die Verwendung des Geldes mitbestimmen können - auch direktdemokratisch -, das belegen Studien aus der Schweiz.
Warum die Staatsschulden in den meisten Ländern stetig steigen, haben Norbert Berthold und Daniel Koch untersucht. Ihre Analyse ist ernüchternd: Politiker unterliegen im Wettbewerb um Wählerstimmen der Versuchung, die Kosten ihrer Wahlversprechen und Programme zu verschleiern. Das spieltheoretisch erwartbare Ergebnis (Gefangenendilemma) ist, dass es immer wieder zu Defiziten kommt. Da Selbstregulierung im politischen Wettbewerb nicht aussichtsreich ist, wäre eine strikte Budgetregel notwendig, deren Verletzung unmittelbare Sanktionen nach sich zieht. Der Aufsatz unterstreicht die traditionelle Stärke des Ordo-Jahrbuchs: die Analyse, wie falsch gesetzte Rahmenbedingungen zu einer schlechten Politik und schlechten Wettbewerbsergebnissen führen.
PHILIP PLICKERT
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Ordo-Jahrbuch im Sturm der Finanzkrise
Die Finanzkrise ist eine fundamentale Herausforderung für alle Ökonomen, die den freien Markt für einen überlegenen Koordinationsmechanismus halten. Allenthalben wird derzeit Marktversagen angeprangert. Tatsächlich ging dem aber ein gigantisches Staatsversagen voraus, wie der emeritierte Wirtschaftsprofessor Alfred Schüller von der Universität Marburg im neuen Band des Ordo-Jahrbuchs darlegt. Nach Schüller trägt die Hauptschuld an dem Desaster die übermäßig expansive Geldpolitik der amerikanischen Zentralbank, die mit allzu niedrigen Leitzinsen konjunkturpolitische Ziele verfolgte, damit aber starke Anreize zur Überschuldung setzte. Die nun geplatzte Kreditblase war also kein reines Produkt der Märkte.
Zwei ordnungspolitische Defizite betont Schüller: Es gebe zu viele staatliche, quasistaatliche und anderweitig privilegierte Banken, die einer wirksamen Kontrolle des Wettbewerbs entzogen seien. Insgesamt fehle es an ausreichend strengen Vorschriften für die Haftung der Manager. Weiter kritisiert er eine übermäßige Konzentration auch der Banken. Das zweite ordnungspolitische Problem, das Schüller hervorhebt, ist die ungedeckte Geldschöpfung durch Banken. Hier erinnert er an ein heute fast vergessenes Konzept von Henry Simons, einem der Väter der Chicagoer Schule, der die Möglichkeit der Buchgeldschöpfung durch Banken ausschalten wollte, indem er für eine 100-Prozent-Reserve bei der Notenbank eintrat. Das Aktivgeschäft der Banken würde zwar stark eingeschränkt, zugleich aber die Gefahr von Illiquidität bei "Bank-runs" gemindert. In den Ohren heutiger Banker wird der Simons-Plan hoffnungslos antiquiert klingen, dennoch ist er bedenkenswert. Das nächste Ordo-Jahrbuch soll einen Schwerpunkt zu den Ordnungsfragen des Banken- und Finanzmarktsystems enthalten.
Der aktuelle Band befasst sich in mehreren Aufsätzen mit dem Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. In der Globalisierung wird der Staat seine Aufgaben neu definieren müssen, legt Viktor Vanberg in seiner Abschiedsvorlesung an der Universität Freiburg dar. Zum einen sei der Staat Gemeinschaftsunternehmen der Bürger, die sich über ihn mit Leistungen versorgen, die sich mit der staatlichen Organisation besser als über privatrechtliche Verträge erbringen lassen. Zum anderen setzt der Staat Rahmenbedingungen für Standortnutzer, die im globalen Wettbewerb stehen. Beide Funktionen müssten schärfer getrennt werden. Dies hat vor allem weitreichende Konsequenzen für die Besteuerung, die weniger nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit erfolgen kann, weil dies Leistungsträger vertreibt, sondern mehr auf Interessen der Besteuerten achten muss. Globalisierung und Standortwettbewerb zwingen zur Offenlegung der Kosten des Sozialstaats.
Über die Frage, wie Staaten eine höhere Steuerehrlichkeit ihrer Bürger erzielen können, schreibt der an der Humboldt-Universität lehrende Finanzwissenschaftler Charles B. Blankart. Er warnt davor, dass mehr Zwang und Strafen kontraproduktiv sind. Wenn sich der Staat wie im "Fall Zumwinkel" fragwürdiger Fahndungsmethoden bediene, werde das Vertrauen in den Rechtsstaat angekratzt, was die Steuermoral beschädigen könne. Umgekehrt seien Bürger eher bereit, ehrlich ihre Steuern zu zahlen, wenn sie über die Verwendung des Geldes mitbestimmen können - auch direktdemokratisch -, das belegen Studien aus der Schweiz.
Warum die Staatsschulden in den meisten Ländern stetig steigen, haben Norbert Berthold und Daniel Koch untersucht. Ihre Analyse ist ernüchternd: Politiker unterliegen im Wettbewerb um Wählerstimmen der Versuchung, die Kosten ihrer Wahlversprechen und Programme zu verschleiern. Das spieltheoretisch erwartbare Ergebnis (Gefangenendilemma) ist, dass es immer wieder zu Defiziten kommt. Da Selbstregulierung im politischen Wettbewerb nicht aussichtsreich ist, wäre eine strikte Budgetregel notwendig, deren Verletzung unmittelbare Sanktionen nach sich zieht. Der Aufsatz unterstreicht die traditionelle Stärke des Ordo-Jahrbuchs: die Analyse, wie falsch gesetzte Rahmenbedingungen zu einer schlechten Politik und schlechten Wettbewerbsergebnissen führen.
PHILIP PLICKERT
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