Wer heute aufmerksam die Ergebnisse der Reformations- und insbesondere der Müntzerforschung zur Kenntnis nimmt, der wird nicht ohne gewisses Unbehagen feststellen, wie stark wir in den letzten Jahren uns in der öffentlichen Wahrnehmung wieder jenen Denk- und Deutungsmustern angenähert haben, die zu
überwinden nicht zuletzt die Müntzerforschung vor mehr als vierzig Jahren aufgebrochen ist. Sicher…mehrWer heute aufmerksam die Ergebnisse der Reformations- und insbesondere der Müntzerforschung zur Kenntnis nimmt, der wird nicht ohne gewisses Unbehagen feststellen, wie stark wir in den letzten Jahren uns in der öffentlichen Wahrnehmung wieder jenen Denk- und Deutungsmustern angenähert haben, die zu überwinden nicht zuletzt die Müntzerforschung vor mehr als vierzig Jahren aufgebrochen ist. Sicher haben die seit 1990 zu beobachtende Rekonfessionalisierung im Verhältnis zwischen den Kirchen der reformatorischen Tradition und der römischen Kirche ebenso wie die verblassende Kenntnis der Inhalte humanistischer Bildungstradition das ihre dazu beigetragen, daß das Zerrbild der Reformationsepoche als „Zeitalter der Glaubensspaltung", in dem solche Frager und Mahner wie Thomas Müntzer (und vor ihm Jan Hus) allenfalls als Ketzer, „Schwärmer" und Aufrührer vorkommen, die bereits geleistete Pionierarbeit der historischen und theologischen Forschung wieder weithin verdecken.
Es ist deshalb nicht nur eine ehrende Erinnerung an die theologische und historische Arbeit des 2004 verstorbenen Theologen und Politikers Wolfgang Ullmann, daß seine fünf Müntzeraufsätze nunmehr vereint, vervollständigt und neu durchgesehen der Öffentlichkeit übergeben werden, sondern auch eine Mahnung zur Bewahrung und zur Weiterarbeit in einem Bereich, der angesichts heutiger Fragen und Probleme seine Aktualität unter Beweis zu stellen, kaum Mühe haben dürfte.