Das Jahrbuch ORDO ist seit über 50 Jahren ein Zentralort der wissenschaftlichen und politischen Diskussion aus dem Konzept der Marktwirtschaft und des Wettbewerbs heraus. Durch dieses Jahrbuch wurde der Begriff Ordoliberalismus zum festen Begriff. Er steht für ein Grundkonzept, das erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung, eine freiheitliche Wirtschaft und Gesellschaft ohne Dominanz von Staatseingriffen und das Recht auf persönliche Verantwortung in Wirtschaft und Gesellschaft in einem unauflöslichen Zusammenhang sieht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2017Freiheit als Kunstwerk
Ein Streifzug durch den Ordo-Band
Friedrich von Schiller ist als Freiheitsdichter bekannt, aber wie begründet er sein Bekenntnis zur Freiheit? Was sind seine philosophischen Grundlagen? Dieser spannenden Frage geht Ernst-Joachim Mestmäcker nach. Er zeigt, dass Schiller, der Vernunft vertrauend, vom Zustimmungsprinzip und der Überlegenheit einer Koordination durch Verträge ausgeht und dabei, was den Gesellschaftsvertrag angeht, maßgeblich von Kant und in wirtschaftlicher Hinsicht deutlich von Adam Smith beeinflusst ist. Wenn Schiller in seiner Jenaer Antrittsvorlesung sagt, dass in einer Welt der Verträge "der selbstsüchtige Mensch niedrigere Zwecke zwar verfolgen kann, aber unbewusst vortreffliche fördert", so hat er das aus "The Wealth of Nations". Als Dichter sieht er in "dem Bau einer wahren politischen Freiheit" das "vollkommenste aller Kunstwerke".
Robert Nef wird konkreter: "Je kleiner die Territorien, je kleiner die Haushaltspläne und je kleiner die Bürokratien, desto mehr Chancen für die Freiheit." Er bezweifelt Hayeks These, dass die Moral der Kleingruppen im Zeitalter der Globalisierung zunehmend untauglich sei: "Besteht die Großgesellschaft nicht aus lauter hochkomplexen, non-zentralen Netzwerken, die auf der herkömmlichen Moral unter normalen Menschen beruhen?"
"Brauchen die Deutschen ein neues Grundgesetz?", fragt Charles Blankart. Ja, ist seine Antwort, "der Grund dafür liegt aber nicht in Europa ..., sondern in den Widersprüchen ihres eigenen Regierungssystems". Er beklagt den Mangel an Gewaltenteilung, politischer Partizipation und Subsidiarität und plädiert - trotz Trump - für einen Präsidenten, der vom Volk gewählt wird.
Der Schwerpunkt des Ordo-Bandes liegt jedoch nicht auf der politischen Theorie, sondern in der praktischen Politik. Im Abschnitt "Europäische Integrationspolitik" zeigt Julian Dörr, dass die strukturpolitischen Transfers der EU immer weniger auf rückständige Gebiete in wirtschaftsschwachen Ländern abzielen und dass zahlreiche Mitgliedstaaten höhere Pro-Kopf-Transfers erhalten als andere, deren Durchschnittseinkommen niedriger ist. Peter von der Lippe nimmt das Statistik(un)wesen in Griechenland unter die Lupe.
Weitere Schwerpunkte sind Wettbewerbsprobleme des Internets, die Einkommensverteilung und die Bildungspolitik. Fabian Schleithoff und Simon Winter zeigen ökonometrisch, dass die Studiennoten in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen der Universität Münster zu 36 Prozent von den Abiturnoten prognostiziert werden und im Übrigen desto besser ausfallen, je mehr Praktika und Auslandsaufenthalte die Studenten vorweisen können.
Mustafa Coban und Sarah Sauerhammer weisen nach, dass das Einkommen des Vaters das Einkommen des Sohnes in den Vereinigten Staaten zu 49 Prozent prognostiziert, in Deutschland aber nur zu 31 Prozent. Dabei bleibt offen, inwieweit dieser statistische Zusammenhang durch genetische Vererbung, das Aufwachsen im Elternhaus oder Schenkungen und Erbschaften zu erklären ist. Unter den Beziehern niedriger Einkommen ist die "Einkommensmobilität" in Deutschland größer als unter den Besserverdienenden.
Die Autoren äußern Sympathien für ein längeres gemeinsames Lernen. Dabei werden jedoch die überdurchschnittlich Leistungsfähigen unterfordert und die weniger Leistungsfähigen wahrscheinlich überfordert. Diese Nachteile können vermieden werden, wenn jeder Schüler den Unterricht erhält, der seiner Leistungsfähigkeit entspricht, und wenn gleichzeitig eine maximale Durchlässigkeit für Spätentwickler und "Spätversager" gewährleistet wird.
Der Band ist zum ersten Mal im De-Gruyter-Verlag erschienen, weil dieser den bisherigen Verlag Lucius & Lucius übernommen hat.
ROLAND VAUBEL.
ORDO: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Band 66. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2016, 618 Seiten, 110 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Streifzug durch den Ordo-Band
Friedrich von Schiller ist als Freiheitsdichter bekannt, aber wie begründet er sein Bekenntnis zur Freiheit? Was sind seine philosophischen Grundlagen? Dieser spannenden Frage geht Ernst-Joachim Mestmäcker nach. Er zeigt, dass Schiller, der Vernunft vertrauend, vom Zustimmungsprinzip und der Überlegenheit einer Koordination durch Verträge ausgeht und dabei, was den Gesellschaftsvertrag angeht, maßgeblich von Kant und in wirtschaftlicher Hinsicht deutlich von Adam Smith beeinflusst ist. Wenn Schiller in seiner Jenaer Antrittsvorlesung sagt, dass in einer Welt der Verträge "der selbstsüchtige Mensch niedrigere Zwecke zwar verfolgen kann, aber unbewusst vortreffliche fördert", so hat er das aus "The Wealth of Nations". Als Dichter sieht er in "dem Bau einer wahren politischen Freiheit" das "vollkommenste aller Kunstwerke".
Robert Nef wird konkreter: "Je kleiner die Territorien, je kleiner die Haushaltspläne und je kleiner die Bürokratien, desto mehr Chancen für die Freiheit." Er bezweifelt Hayeks These, dass die Moral der Kleingruppen im Zeitalter der Globalisierung zunehmend untauglich sei: "Besteht die Großgesellschaft nicht aus lauter hochkomplexen, non-zentralen Netzwerken, die auf der herkömmlichen Moral unter normalen Menschen beruhen?"
"Brauchen die Deutschen ein neues Grundgesetz?", fragt Charles Blankart. Ja, ist seine Antwort, "der Grund dafür liegt aber nicht in Europa ..., sondern in den Widersprüchen ihres eigenen Regierungssystems". Er beklagt den Mangel an Gewaltenteilung, politischer Partizipation und Subsidiarität und plädiert - trotz Trump - für einen Präsidenten, der vom Volk gewählt wird.
Der Schwerpunkt des Ordo-Bandes liegt jedoch nicht auf der politischen Theorie, sondern in der praktischen Politik. Im Abschnitt "Europäische Integrationspolitik" zeigt Julian Dörr, dass die strukturpolitischen Transfers der EU immer weniger auf rückständige Gebiete in wirtschaftsschwachen Ländern abzielen und dass zahlreiche Mitgliedstaaten höhere Pro-Kopf-Transfers erhalten als andere, deren Durchschnittseinkommen niedriger ist. Peter von der Lippe nimmt das Statistik(un)wesen in Griechenland unter die Lupe.
Weitere Schwerpunkte sind Wettbewerbsprobleme des Internets, die Einkommensverteilung und die Bildungspolitik. Fabian Schleithoff und Simon Winter zeigen ökonometrisch, dass die Studiennoten in den wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen der Universität Münster zu 36 Prozent von den Abiturnoten prognostiziert werden und im Übrigen desto besser ausfallen, je mehr Praktika und Auslandsaufenthalte die Studenten vorweisen können.
Mustafa Coban und Sarah Sauerhammer weisen nach, dass das Einkommen des Vaters das Einkommen des Sohnes in den Vereinigten Staaten zu 49 Prozent prognostiziert, in Deutschland aber nur zu 31 Prozent. Dabei bleibt offen, inwieweit dieser statistische Zusammenhang durch genetische Vererbung, das Aufwachsen im Elternhaus oder Schenkungen und Erbschaften zu erklären ist. Unter den Beziehern niedriger Einkommen ist die "Einkommensmobilität" in Deutschland größer als unter den Besserverdienenden.
Die Autoren äußern Sympathien für ein längeres gemeinsames Lernen. Dabei werden jedoch die überdurchschnittlich Leistungsfähigen unterfordert und die weniger Leistungsfähigen wahrscheinlich überfordert. Diese Nachteile können vermieden werden, wenn jeder Schüler den Unterricht erhält, der seiner Leistungsfähigkeit entspricht, und wenn gleichzeitig eine maximale Durchlässigkeit für Spätentwickler und "Spätversager" gewährleistet wird.
Der Band ist zum ersten Mal im De-Gruyter-Verlag erschienen, weil dieser den bisherigen Verlag Lucius & Lucius übernommen hat.
ROLAND VAUBEL.
ORDO: Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft. Band 66. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2016, 618 Seiten, 110 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main