Avraham Barkai hat hier den Lebensweg von Oscar Wassermann nachgezeichnet - seine Anfänge als Bankier einer Privatbank während des Kaiserreichs, sein zionistisches Engagement, seine Berufung in den Vorstand der Deutschen Bank, zu deren Sprecher er schließlich aufstieg, bis hin zu seiner Entlassung im Jahre 1933 und seinem jähen Ende. Oscar Wassermann (1869-1934) entstammte einer alteingesessenen, wohlhabenden bayerischen Familie, deren Stammbaum sich bis ins 17. Jahrhundert hin zur jüdischen Gemeinde Regensburg verfolgen läßt. Die 1850 von ihr gegründete Bank A. E. Wassermann entwickelte sich rasch zu einer der angesehensten jüdischen Privatbanken in Deutschland. Die Erfolge Oscar Wassermanns als Leiter der Berliner Filiale bewogen den Vorstand der Deutschen Bank, ihn 1912 in ihre Chefetage zu berufen. Aufgewachsen in einem streng orthodoxen Elternhaus, führte er selbst zwar keinen orthodoxen Lebenswandel mehr, widmete sich aber bis an sein Lebensende jüdischen Studien und Interessen. Seine aktive Tätigkeit in zahlreichen jüdischen Organisationen war innerhalb der Deutschen Bank, die ihn 1923 zu ihrem Vorstandssprecher ernannte, nicht immer gern gesehen. Avraham Barkai ist in zahlreichen Archiven den Lebensspuren Oscar Wassermanns nachgegangen. Einfühlsam zeichnet er das Portrait eines Menschen, dessen vielfältiges Wirken während der Weimarer Republik durch seine Entlassung aus der Deutschen Bank und seinen vorzeitigen Tod ein jähes Ende fand.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2005Jüdischer deutscher Patriot
Und großer Mann der Deutschen Bank: Oscar Wassermann
Avraham Barkai: Oscar Wassermann und die Deutsche Bank. Verlag C. H. Beck, München 2005. 181 Seiten, 22,90 [Euro].
Oscar Wassermann war eine der drei großen Führungspersönlichkeiten der Deutschen Bank, die im Kaiserreich und in der Weimarer Republik das Profil des Geldhauses geprägt haben. Nach Georg von Siemens während der ersten drei Jahrzehnte und Arthur von Gwinner von 1909 bis 1919 war Wassermann in den Schicksalsjahren von 1923 bis 1933 Sprecher des Vorstands der Bank. Ähnlich wie seine Vorgänger vertrat Wassermann die Interessen der Bank nach außen und war gefragt als politischer Ratgeber.
Seine Jahre als Vorstandssprecher spielten sich vor dem Hintergrund der politischen Umbrüche und wirtschaftlichen Verwerfungen nach dem Ersten Weltkrieg ab. Die Inflation zerstörte damals das Geldkapital. Das Reparationsproblem erdrückte die Wirtschaft und führte zu politischen Krisen. In die ohnehin schon überbesetzte Bankenlandschaft drangen öffentliche Institute vor und verschärften die Konkurrenz. Dazu kamen die Weltwirtschaftskrise und in ihrem Gefolge die deutsche Bankenkrise von 1931.
Unter Wassermann stellte sich die Deutsche Bank rechtzeitig gut auf. Sie fusionierte angesichts der Rationalisierungszwänge 1929 mit der Disconto-Gesellschaft, ein überraschender Zusammenschluß der beiden großen Rivalen im Bankgewerbe. Wassermann und seinen Vorstandskollegen gelang es, das Geldhaus mit nur geringen Schäden durch die Bankenkrise zu bringen, vor allem ohne staatliche Stützung. Viele hatten sich damals Solidarität der Bank mit anderen notleidenden Instituten wie der Danat-Bank gewünscht und empfanden Wassermanns Haltung als "Dolchstoß", wie eine Zeitschrift schrieb.
Stoff also für eine spannende Biographie: Doch in dem Buch von Avraham Barkai ist davon nur stichwortartig die Rede. Von den rund 110 Seiten Text entfallen mehr als zwei Drittel auf Wassermanns Privatleben und sein zionistisches Engagement. Barkai ging es freilich auch nicht um eine umfassende Biographie. Wassermanns Rolle als Banker sei bereits hinreichend gewürdigt worden, schreibt er, etwa in der Geschichte der Deutschen Bank. Barkai, Mitglied der Historischen Kommission der Deutschen Bank, wollte in einer Porträtskizze vor allem dem Menschen nachspüren, der gleichermaßen deutscher Patriot und engagierter Jude war.
Das war ist angesichts der schwierigen Quellenlage nicht einfach. Wassermann war in Privatangelegenheiten sehr verschlossen gewesen. Sein Nachlaß ist verschollen. Doch vergessen wurde er nicht, wie Barkai meint. In der Festschrift der Bank von 1970 zum hundertjährigen Bestehen wird Wassermann ebensooft erwähnt wie seine großen Vorgänger, auch wenn über seine jüdische Herkunft und über seine von den Nationalsozialisten erzwungene und für die Bank beschämende Entlassung 1933 geschwiegen wird. In der 1995 erschienenen Geschichte der Bank werden Wassermanns unternehmerisches und sein jüdisches Engagement ausführlich dargestellt, ebenso die Umstände seiner Entlassung.
Wassermann wurde 1869 als eines von neun Kindern des Bankiers Emil Wassermann geboren, der in Bamberg Mitinhaber des seinerzeit bekannten Privatbankhauses A. E. Wassermann war. Die Wassermanns waren eine alteingesessene, wohlhabende jüdische Familie, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichten. Das Bamberger Stammhaus finanzierte die Industrialisierung in Oberfranken. Die 1889 in Berlin errichtete und von Oscar Wassermann und seinem Bruder Max geleitete Filiale gab Kredite für die Braunkohlegewinnung in Mitteldeutschland. Beide Häuser wurden 1938 "arisiert", die jüdischen Inhaber mußten gehen.
1912 wechselte Wassermann zur Deutschen Bank; er war dem Vorstandsmitglied und Börsenchef Paul Mankiewitz aufgefallen. Wassermann kam als reicher Mann mit einem Vermögen von vermutlich mehr als fünf Millionen Reichsmark. Ihn reizten wohl - ähnlich wie später Hermann J. Abs, der auch von einer Privatbank kam - die größeren Gestaltungsmöglichkeiten.
1923 wurde er in der Nachfolge seines erkrankten Förderers zum Vorstandssprecher berufen, galt als das "Gehirn" der Bank, beriet Reichskanzler und Minister und war Mitglied des Generalrats der Reichsbank. Er konzipierte auch den sehr interessanten Wassermann-Plan zur Lösung der Reparationsfrage, der jedoch zu spät kam und verworfen wurde. 1933 wurde er vom Aufsichtsrat in einem Akt vorauseilenden Gehorsams gegenüber dem Hitler-Regime zusammen mit einem anderen jüdischen Vorstand aus der Bank gedrängt. Danach war er ein gebrochener Mann, der ein Jahr später starb.
Der große Rabbiner Leo Baeck würdigte ihn in der Trauerrede vor allem als Persönlichkeit des deutschen Judentums, das ihm in der Tat viel verdankte. Wassermann war Vorsitzender der traditionsreichen "Gesellschaft der Freunde" in Berlin gewesen, die das inoffizielle Zentrum des jüdischen Wirtschaftsbürgertums bildete. Zusammen mit Albert Einstein gründete er den pazifistischen "Jüdischen Friedensbund". Besonders engagierte er sich in der deutschen Sektion des Palästina-Aufbaufonds, dem Finanzorgan der Jewish Agency, zur Verwirklichung der "jüdischen Heimstätte in Palästina". Wassermann gab dazu eigenes Geld und besorgte dem Fonds einen Kredit der Bank. Diese Großzügigkeit für die jüdische Sache, aber auch für andere gemeinnützige Zwecke sowie sein Repräsentationsaufwand als Bankchef trugen offenbar dazu bei, daß der bei seinem Eintritt in die Bank reiche Mann trotz ansehnlicher Bezüge und anderer Einkünfte 1933 kein Vermögen mehr besaß - ein Tatbestand, der bis heute rätselhaft bleibt.
JÜRGEN JESKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und großer Mann der Deutschen Bank: Oscar Wassermann
Avraham Barkai: Oscar Wassermann und die Deutsche Bank. Verlag C. H. Beck, München 2005. 181 Seiten, 22,90 [Euro].
Oscar Wassermann war eine der drei großen Führungspersönlichkeiten der Deutschen Bank, die im Kaiserreich und in der Weimarer Republik das Profil des Geldhauses geprägt haben. Nach Georg von Siemens während der ersten drei Jahrzehnte und Arthur von Gwinner von 1909 bis 1919 war Wassermann in den Schicksalsjahren von 1923 bis 1933 Sprecher des Vorstands der Bank. Ähnlich wie seine Vorgänger vertrat Wassermann die Interessen der Bank nach außen und war gefragt als politischer Ratgeber.
Seine Jahre als Vorstandssprecher spielten sich vor dem Hintergrund der politischen Umbrüche und wirtschaftlichen Verwerfungen nach dem Ersten Weltkrieg ab. Die Inflation zerstörte damals das Geldkapital. Das Reparationsproblem erdrückte die Wirtschaft und führte zu politischen Krisen. In die ohnehin schon überbesetzte Bankenlandschaft drangen öffentliche Institute vor und verschärften die Konkurrenz. Dazu kamen die Weltwirtschaftskrise und in ihrem Gefolge die deutsche Bankenkrise von 1931.
Unter Wassermann stellte sich die Deutsche Bank rechtzeitig gut auf. Sie fusionierte angesichts der Rationalisierungszwänge 1929 mit der Disconto-Gesellschaft, ein überraschender Zusammenschluß der beiden großen Rivalen im Bankgewerbe. Wassermann und seinen Vorstandskollegen gelang es, das Geldhaus mit nur geringen Schäden durch die Bankenkrise zu bringen, vor allem ohne staatliche Stützung. Viele hatten sich damals Solidarität der Bank mit anderen notleidenden Instituten wie der Danat-Bank gewünscht und empfanden Wassermanns Haltung als "Dolchstoß", wie eine Zeitschrift schrieb.
Stoff also für eine spannende Biographie: Doch in dem Buch von Avraham Barkai ist davon nur stichwortartig die Rede. Von den rund 110 Seiten Text entfallen mehr als zwei Drittel auf Wassermanns Privatleben und sein zionistisches Engagement. Barkai ging es freilich auch nicht um eine umfassende Biographie. Wassermanns Rolle als Banker sei bereits hinreichend gewürdigt worden, schreibt er, etwa in der Geschichte der Deutschen Bank. Barkai, Mitglied der Historischen Kommission der Deutschen Bank, wollte in einer Porträtskizze vor allem dem Menschen nachspüren, der gleichermaßen deutscher Patriot und engagierter Jude war.
Das war ist angesichts der schwierigen Quellenlage nicht einfach. Wassermann war in Privatangelegenheiten sehr verschlossen gewesen. Sein Nachlaß ist verschollen. Doch vergessen wurde er nicht, wie Barkai meint. In der Festschrift der Bank von 1970 zum hundertjährigen Bestehen wird Wassermann ebensooft erwähnt wie seine großen Vorgänger, auch wenn über seine jüdische Herkunft und über seine von den Nationalsozialisten erzwungene und für die Bank beschämende Entlassung 1933 geschwiegen wird. In der 1995 erschienenen Geschichte der Bank werden Wassermanns unternehmerisches und sein jüdisches Engagement ausführlich dargestellt, ebenso die Umstände seiner Entlassung.
Wassermann wurde 1869 als eines von neun Kindern des Bankiers Emil Wassermann geboren, der in Bamberg Mitinhaber des seinerzeit bekannten Privatbankhauses A. E. Wassermann war. Die Wassermanns waren eine alteingesessene, wohlhabende jüdische Familie, deren Wurzeln bis ins 17. Jahrhundert zurückreichten. Das Bamberger Stammhaus finanzierte die Industrialisierung in Oberfranken. Die 1889 in Berlin errichtete und von Oscar Wassermann und seinem Bruder Max geleitete Filiale gab Kredite für die Braunkohlegewinnung in Mitteldeutschland. Beide Häuser wurden 1938 "arisiert", die jüdischen Inhaber mußten gehen.
1912 wechselte Wassermann zur Deutschen Bank; er war dem Vorstandsmitglied und Börsenchef Paul Mankiewitz aufgefallen. Wassermann kam als reicher Mann mit einem Vermögen von vermutlich mehr als fünf Millionen Reichsmark. Ihn reizten wohl - ähnlich wie später Hermann J. Abs, der auch von einer Privatbank kam - die größeren Gestaltungsmöglichkeiten.
1923 wurde er in der Nachfolge seines erkrankten Förderers zum Vorstandssprecher berufen, galt als das "Gehirn" der Bank, beriet Reichskanzler und Minister und war Mitglied des Generalrats der Reichsbank. Er konzipierte auch den sehr interessanten Wassermann-Plan zur Lösung der Reparationsfrage, der jedoch zu spät kam und verworfen wurde. 1933 wurde er vom Aufsichtsrat in einem Akt vorauseilenden Gehorsams gegenüber dem Hitler-Regime zusammen mit einem anderen jüdischen Vorstand aus der Bank gedrängt. Danach war er ein gebrochener Mann, der ein Jahr später starb.
Der große Rabbiner Leo Baeck würdigte ihn in der Trauerrede vor allem als Persönlichkeit des deutschen Judentums, das ihm in der Tat viel verdankte. Wassermann war Vorsitzender der traditionsreichen "Gesellschaft der Freunde" in Berlin gewesen, die das inoffizielle Zentrum des jüdischen Wirtschaftsbürgertums bildete. Zusammen mit Albert Einstein gründete er den pazifistischen "Jüdischen Friedensbund". Besonders engagierte er sich in der deutschen Sektion des Palästina-Aufbaufonds, dem Finanzorgan der Jewish Agency, zur Verwirklichung der "jüdischen Heimstätte in Palästina". Wassermann gab dazu eigenes Geld und besorgte dem Fonds einen Kredit der Bank. Diese Großzügigkeit für die jüdische Sache, aber auch für andere gemeinnützige Zwecke sowie sein Repräsentationsaufwand als Bankchef trugen offenbar dazu bei, daß der bei seinem Eintritt in die Bank reiche Mann trotz ansehnlicher Bezüge und anderer Einkünfte 1933 kein Vermögen mehr besaß - ein Tatbestand, der bis heute rätselhaft bleibt.
JÜRGEN JESKE
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Oscar Wassermann, Jahrgang 1869, gestorben im Jahr 1934, war mal einer der bedeutendsten Finanzmänner der Weimarer Republik. Er war Vorstandssprecher der Deutschen Bank und stammte selbst aus einer Bankiersfamilie, teilt Daniel Jütte mit, der die im Umfeld einer von der Deutschen Bank eingesetzten Historikerkommission entstandene Biografie des renommierten Historikers Avraham Barkai mit Interesse und Spannung gelesen hat. Denn Wassermann war ein "nichtzionistischer Zionist", ein Paradox, das die deusch-jüdische Geschichte laut Jütte häufiger produziert hat und wofür Barkai ein ausgewiesener Fachmann sei. So war Wassermann einerseits ein Rechtskonservativer, der die politische Entwicklung der Weimarer Republik wie viele falsch einschätzte; andererseits gründete er den "Jüdischen Friedensbund" und war Vorsitzender des deutschen Palästina-Aufbaufonds, auch wenn er persönlich kein Interesse an Palästina hatte. Sein Einsatz war trotzdem "weitaus mehr als nur ein repräsentativer Gestus", bekundet Jütte. 1933 wurde Wassermann aus dem Amt gedrängt, vervollständigt der Rezensent Wassermanns Lebenslauf, seine Familie erhielt erst 1955 eine bescheidene Wiedergutmachung. Die nun entstandene Biografie würdigt das Andenken Wassermanns auf angemessenere Weise, schließt Jütte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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