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Dieser Katalog zur Ausstellung im Kunstforum Wien (14.3. bis 15.6.1991) bietet einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk Oskar Kokoschkas. Gezeigt werden 91 bedeutende Werke aus allen Schaffensperioden, darunter auch solche aus Privatbesitz, die nur selten zu sehen sind.

Produktbeschreibung
Dieser Katalog zur Ausstellung im Kunstforum Wien (14.3. bis 15.6.1991) bietet einen umfassenden Überblick über das Gesamtwerk Oskar Kokoschkas. Gezeigt werden 91 bedeutende Werke aus allen Schaffensperioden, darunter auch solche aus Privatbesitz, die nur selten zu sehen sind.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.1995

Welt hinterm Farbgespinst
Das Werk Oskar Kokoschkas in einem neuen Verzeichnis · Von Karin von Maur

Ein OEuvreverzeichnis bietet zunächst einmal Anlaß und Handhabe zur Revision, und dies um so mehr, wenn es sich um einen Künstler wie Oskar Kokoschka handelt, der - seit fünfzehn Jahren tot - ins Legendäre zu entrücken scheint. Der neue, von Johann Winkler und Katharina Erling bearbeitete OEuvrekatalog, der den seit 1956 gültigen von Hans Maria Wingler ablöst und um über hundert Gemälde erweitert, rückt das Werk wieder in den Bereich des Faktischen und macht seine Entwicklung überschaubar. Da zeigt sich zunächst, daß Kokoschka, dessen Name schon als Synonym gilt für Fülle und Facettenreichtum, nicht gerade ein fleißiger Maler war: in siebzig Schaffensjahren von 1906 bis 1976 entstanden 488 Gemälde, was eine durchschnittliche Jahresproduktion von sieben Bildern darstellt. Davon enthält der nun erschienene erste Band, der die Jahre von 1906 bis 1929 umfaßt, mit 257 Nummern mehr als die Hälfte der gesamten Lebensproduktion (an Ölgemälden), obwohl dem Künstler noch mehr als vierzig Schaffensjahre verblieben.

Doch wichtiger als solche Beobachtungen zur Produktivitätskurve sind die ikonographischen Wandlungen und stilistischen Umbrüche, die sich aus der zum Teil berichtigten Chronologie des neuen OEuvrekatalogs erschließen. Schon die Abfolge der meist farbigen Abbildungen läßt erkennen, in welch dominierendem Ausmaß Kokoschka bis 1920 als Porträtist und "Menschenbildner" tätig war, und wie er dann in den zwanziger Jahren zunehmend zur Porträtierung von Städten und Landschaften, seinen "Reisebildern", überging. Hier wie dort war Einfühlung in Wesen, Charakter und Stimmung seines Gegenübers die entscheidende Triebfeder und besondere Fähigkeit des Malers.

Die über neunzig Bildnisse namhafter Persönlichkeiten von Alfred Adler über den Grafen Montesquiou-Fezensac bis Arnold Schönberg und Anton von Webern erweisen, wie der junge Kokoschka, eingeführt durch den Architekten Adolf Loos, zum Porträtisten des Wiener Geisteslebens, aber auch des Adels und wohlhabenden Bildungsbürgertums avancierte. Dies ist um so bemerkenswerter, als Kokoschka seinen Modellen in keiner Weise schmeichelte oder ihren Wünschen hinsichtlich der Ausführung entgegenkam. Im Gegenteil - ihm ging es nicht nur um die äußere Erscheinung, sondern vor allem um die psychische Verfassung und geistige Aura eines Menschen, die er durch gebrochene, nervös geäderte Lineaturen und eine röntgenhafte Durchlichtung zu erfassen suchte. Die Auftraggeber waren davon oft nicht sehr angetan und lehnten einen Ankauf ab, so daß Loos sich genötigt sah, in solchen Fällen das Bildnis selbst zu erwerben, damit der Künstler nicht leer ausging. Dies geht aus den detaillierten Bildkommentaren der Autoren hervor, die auch eine ganze Reihe von Porträtierten identifizieren konnten, etwa das "Mädchen mit Pekineser-Hündchen" von 1912 (Kat. 85), das die sechsjährige Sonja Dungyersky darstellt, die der Dichterfreund Peter Altenberg gemalt haben wollte.

Deutlich ablesbar wird auch die tiefgreifende Erschütterung der heftigen Liebesbeziehung mit Alma Mahler, die sich in vier Doppelbildnissen spiegelt. Das berühmteste, die "Windsbraut" (Kat. 99), ist nicht, wie bisher angenommen und auch bei Wingler angegeben, erst 1914, sondern schon 1913 entstanden.

Dieses Hauptwerk der Frühzeit, dessen Provenienz für so viele Kokoschka-Bilder exemplarisch ist (1924 Ankauf durch die Hamburger Kunsthalle, 1937 als "Entartete Kunst" beschlagnahmt und in München angeprangert, 1939 vom Basler Kunstmuseum gegen Devisen erworben), zeigt das Liebespaar als Schiffbrüchige auf den stürmischen Wellen des Weltenmeeres, eine "dramatische Apotheose ihrer Liebe, in der gleichzeitig das schicksalhafte Scheitern dieser Verbindung anklingt". In den splittrig-aufgefächerten Konturen und prismatischen Farbdurchdringungen ist diese expressiv gesteigerte Bildsprache eine Chiffre des kommenden Unheils. Das Gefühl einer existentiellen Verstrickung und Katharsis verklärt das vor kurzem unter einer Tapete wiederentdeckte und inzwischen abgenommene, vier Meter breite Fresko, das Kokoschka 1914 über den Kamin des Wohnzimmers im Haus Mahler in Breitenstein am Semmering gemalt hat (Kat. 106). Es zeigt den nackten Künstler in Höllenflammen hinter der voranstürmenden Alma Mahler, die als Lichtgestalt den Ausweg zum Himmel weist. Wie verzehrend diese Liebe für den Künstler war, bekunden auch die Selbstbildnisse von 1913/14 (Kat. 95 und 112), bei denen sich unter dem Eindruck von Tintoretto Körper und Bildgrund verdunkeln, während Gesichter und Hände in glühender Rostfärbung hervorlodern.

Nach seiner Verwundung in der Ukraine (Kopfschuß und Bajonettstich in die Lunge) und mehrmonatigem Lazarettaufenthalt wird Kokoschka im Februar 1916 entlassen und beginnt in Wien wieder zu malen. Hier entsteht das Porträt "Dame mit Papagei" (Kat. 118), für das die Schriftstellerin Maria Lazar Modell saß, die später in Dänemark unter dem Pseudonym Esther Grenen mehrere Romane und Essays publizierte. Mit diesem bereits vor Kokoschkas Übersiedlung nach Dresden Ende 1916 entstandenen Bild beginnt eine deutliche Wandlung zu einer flächigen, pastos aufgetragenen Malerei in leuchtenden Farbschichten, die 1919 in die "Frau in Blau" (Kat. 136) - dem Porträt einer lebensgroßen Puppe nach dem Vorbild von Alma Mahler, die sich Kokoschka anfertigen ließ -, bald darauf in die Ansichten von Dresden-Neustadt mündete.

Ab 1925 entmaterialisiert sich sein Farbauftrag wieder, wird skizzenhaft aufgelockert und nuancenreich, was auch mit der erregten Dynamik zusammenhängt, in der Kokoschka während seiner ausgedehnten Reisen siebzig Impressionen großer europäischer Städte, von Paris über Monte Carlo bis Marseille, von Biarritz über Lissabon bis Madrid und Toledo, von London über Amsterdam nach Berlin und Hamburg, malte, bevor er 1928/29 Tunis, Biskra, Kairo, Jerusalem, Istanbul und schließlich Schottland erkundete.

Der Flucht aus der Enge Dresdens und der Lehrverpflichtung an der Akademie entsprach in seiner Malerei das Verlassen der als bedrängend empfundenen Hülle der menschlichen Gestalt und der Aufbruch in die Weite großräumiger Weltpanoramen, die er in gleichsam durchsichtigen Farbgespinsten einfing.

Johann Winkler, Katharina Erling: "Oskar Kokoschka. Die Gemälde 1906-1929". Verlag Galerie Welz, Salzburg 1995. 228 S., 257 meist farbige Abb., geb., 450,- DM.

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