Der Autor selbst ist Oskar gewesen. Das Kind, mit dem man nicht mehr spricht, weil einem sein Gesundheitszustand Angst einjagt. Das Kind, das unter dem Schweigen seiner Nächsten leidet, unter dem Schweigen des Himmels, unter all den offen bleibenden Fragen und das dennoch nie seine unendliche Lebensfreude verliert.
Oskar und die Dame in Rosa ist eine Hymne auf das Leben.
Oskar und die Dame in Rosa ist eine Hymne auf das Leben.
Der zehnjährige Oskar hat Leukämie und weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Seine Eltern sind Feiglinge und meiden das Thema. Nur Oma Rosa, eine ältere Dame, die Kinder im Krankenhaus besucht, hat den Mut, mit Oskar über das Tabu-Thema Tod sprechen. Oma Rosa gibt ihm zwei Ratschläge: erstens sich mit seinen Sorgen an den lieben Gott zu wenden und zweitens jeden ihm verbleibenden Tag wie 10 Jahre zu erleben. Zum Weinen schön ist der zweite Roman des französischen Autors, der schon mit „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ einen Bestseller landete.
(X-Mag)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2003Rosa Prosa
Eric-Emmanuel Schmitt, Bestsellerautor aus Frankreich
Von Eric-Emmanuel Schmitt sind in kurzer Folge zwei Bücher auf deutsch erschienen: im letzten Herbst "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran", und nun "Oskar und die Dame in Rosa". Den Ammann Verlag in Zürich wird der Erfolg dieser Bücher sehr freuen. Die zwei Bände sind dünner als die normalen. Die Schrift aber ist herzensgroß, und die poetische Machart ist gemütswarm. In zwei Stunden hat man die Bändchen gelesen, ohne sich dabei mehr anzustrengen als eine Fliege beim Flügelschlagen. Erzählt wird hier und dort aus der Perspektive eines Jungen - ein Junge, wie er uns aus einem Kinderbilderbuch entgegenkullern kann.
In der neuen Erzählung heißt der kurze Held Oskar. Ein Name ohne falsches Pardon. Oskar ist zehn Jahre alt, liegt im Krankenhaus, weil er Krebs hat, und wird, das sagt ihm keiner, aber das bekommt er zwischen Tür und Angel mit, in wenigen Tagen sterben. Ein aussichtsloser Fall für die Ärzte. Ein aussichtsreicher Fall für das Mitgefühl des Lesers. Die Eltern des Jungen sind traurig, sie schweigen, sie kaufen Spielsachen, sie tun so, als sei nichts geschehen und als werde nichts geschehen: Sie reden nicht mit ihm über das Sterben und den Tod. Komische Leute sind das in den Augen des Jungen, der den nicht rosigen Tatsachen seiner Lage ins Gesicht sehen muß.
Eine Dame in Rosa, die zum rosa Krankenhauspersonal gehört, steht dem Jungen zur Seite. Sie berät ihn, wie ein Trainer seinen Schützling berät: Er solle an den lieben Gott glauben, und der werde ihn dann als Gedanke und Gefühl besuchen. Auch solle er sich auf den letzten Metern seines Daseins vorstellen, daß jeder Tag, der ihm bleibt, immer zehn Jahre seines Lebens bedeute. Der Junge schreibt darauf Briefe an den lieben Gott, in denen er ihm erzählt, was er erlebt, während er in seinen Seelensiebenmeilenstiefeln drinsteckt.
Die Dame in Rosa erklärt dem Jungen eines Tages in der Kirche, wieso Christus am Kreuz dem Menschen eine Hilfe sein kann: weil er nicht aussieht, als ob ihm etwas weh täte, weil es zwei Arten von Schmerzen gibt, den seelischen, den man gewählt hat, und den körperlichen, den man ertragen muß: "Wenn man dir Nägel in die Hände haut oder in die Füße, dann kannst du nicht verhindern, daß dir das weh tut. Das mußt du aushalten. Dagegen muß dir der Gedanke zu sterben nicht weh tun. Du weißt ja nicht, was das bedeutet. Also hängt es ganz allein von dir ab." So ist das. Der Junge wird hundertzehn Jahre alt, dann stirbt er. Neben seinem Wecker auf seinem Nachttisch liegt während der letzten drei Tage vor seinem Ende ein Zettel. Darauf steht: "Nur der liebe Gott darf mich wecken." Und das ist auch der letzte Satz der Erzählung.
Wir lassen das Buch sinken - und während die einen aus der Schar der Schmitt-Leser noch eine Weile betreten vor dem Bett stehen werden, mit Rührung an den tapferen Jungen denken und allen Kindern eine Oma Rosa ins Gepäck wünschen, fassen wir uns an den Kopf: Ist's möglich, brauchen Erwachsene in ihrer weltlosen und gedankenverlorenen Betriebsamkeit, wo sie alles vergessen und verdrängen, was sich nicht zu Geld und Glück machen läßt, wieder Kinderbücher, die ihnen dabei helfen, über den Tellerrand zu schauen, wenigstens für eine Stunde? Sie brauchen solche Rosa-Prosa-Bücher. Schmitt liefert. Wir brauchen sie nicht, sagen aber mit Oskar, der damit seine Briefe an den lieben Gott schließt: Bis morgen, Küßchen.
EBERHARD RATHGEB
Eric-Emmanuel Schmitt: "Oskar und die Dame in Rosa". Erzählung. Aus dem Französischen übersetzt von Annette und Paul Bäcker. Ammann Verlag, Zürich 2003. 105 S., geb., 13,80 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eric-Emmanuel Schmitt, Bestsellerautor aus Frankreich
Von Eric-Emmanuel Schmitt sind in kurzer Folge zwei Bücher auf deutsch erschienen: im letzten Herbst "Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran", und nun "Oskar und die Dame in Rosa". Den Ammann Verlag in Zürich wird der Erfolg dieser Bücher sehr freuen. Die zwei Bände sind dünner als die normalen. Die Schrift aber ist herzensgroß, und die poetische Machart ist gemütswarm. In zwei Stunden hat man die Bändchen gelesen, ohne sich dabei mehr anzustrengen als eine Fliege beim Flügelschlagen. Erzählt wird hier und dort aus der Perspektive eines Jungen - ein Junge, wie er uns aus einem Kinderbilderbuch entgegenkullern kann.
In der neuen Erzählung heißt der kurze Held Oskar. Ein Name ohne falsches Pardon. Oskar ist zehn Jahre alt, liegt im Krankenhaus, weil er Krebs hat, und wird, das sagt ihm keiner, aber das bekommt er zwischen Tür und Angel mit, in wenigen Tagen sterben. Ein aussichtsloser Fall für die Ärzte. Ein aussichtsreicher Fall für das Mitgefühl des Lesers. Die Eltern des Jungen sind traurig, sie schweigen, sie kaufen Spielsachen, sie tun so, als sei nichts geschehen und als werde nichts geschehen: Sie reden nicht mit ihm über das Sterben und den Tod. Komische Leute sind das in den Augen des Jungen, der den nicht rosigen Tatsachen seiner Lage ins Gesicht sehen muß.
Eine Dame in Rosa, die zum rosa Krankenhauspersonal gehört, steht dem Jungen zur Seite. Sie berät ihn, wie ein Trainer seinen Schützling berät: Er solle an den lieben Gott glauben, und der werde ihn dann als Gedanke und Gefühl besuchen. Auch solle er sich auf den letzten Metern seines Daseins vorstellen, daß jeder Tag, der ihm bleibt, immer zehn Jahre seines Lebens bedeute. Der Junge schreibt darauf Briefe an den lieben Gott, in denen er ihm erzählt, was er erlebt, während er in seinen Seelensiebenmeilenstiefeln drinsteckt.
Die Dame in Rosa erklärt dem Jungen eines Tages in der Kirche, wieso Christus am Kreuz dem Menschen eine Hilfe sein kann: weil er nicht aussieht, als ob ihm etwas weh täte, weil es zwei Arten von Schmerzen gibt, den seelischen, den man gewählt hat, und den körperlichen, den man ertragen muß: "Wenn man dir Nägel in die Hände haut oder in die Füße, dann kannst du nicht verhindern, daß dir das weh tut. Das mußt du aushalten. Dagegen muß dir der Gedanke zu sterben nicht weh tun. Du weißt ja nicht, was das bedeutet. Also hängt es ganz allein von dir ab." So ist das. Der Junge wird hundertzehn Jahre alt, dann stirbt er. Neben seinem Wecker auf seinem Nachttisch liegt während der letzten drei Tage vor seinem Ende ein Zettel. Darauf steht: "Nur der liebe Gott darf mich wecken." Und das ist auch der letzte Satz der Erzählung.
Wir lassen das Buch sinken - und während die einen aus der Schar der Schmitt-Leser noch eine Weile betreten vor dem Bett stehen werden, mit Rührung an den tapferen Jungen denken und allen Kindern eine Oma Rosa ins Gepäck wünschen, fassen wir uns an den Kopf: Ist's möglich, brauchen Erwachsene in ihrer weltlosen und gedankenverlorenen Betriebsamkeit, wo sie alles vergessen und verdrängen, was sich nicht zu Geld und Glück machen läßt, wieder Kinderbücher, die ihnen dabei helfen, über den Tellerrand zu schauen, wenigstens für eine Stunde? Sie brauchen solche Rosa-Prosa-Bücher. Schmitt liefert. Wir brauchen sie nicht, sagen aber mit Oskar, der damit seine Briefe an den lieben Gott schließt: Bis morgen, Küßchen.
EBERHARD RATHGEB
Eric-Emmanuel Schmitt: "Oskar und die Dame in Rosa". Erzählung. Aus dem Französischen übersetzt von Annette und Paul Bäcker. Ammann Verlag, Zürich 2003. 105 S., geb., 13,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Schmitts "Kinderbuch" erscheine in dieser Ausgabe in einem illustrierten Gewand aus "Pastellrosa" und "Himmelblau", beschreibt Rezensent Martin Krumbholz, wobei das Himmelblau seinen Grund in Oskars "großer Liebe Peggyblue" habe. Wie diese fröhlichen Farben komme auch die "ein wenig rührselige" Geschichte daher, in der der Erzähler mit dem lieben Gott auf "Duzfuß" stehe. Ein leukämiekranker Junge schreibt "aufmüpfige" Briefe an Gott, die er dann mit einem versöhnlichen "Küsschen" abschließt, berichtet der Rezensent. Viel mehr berichtet er allerdings nicht, auch nicht, was es auf den Illustrationen von Marcelino Truong zu sehen gibt, außer, dass der vorherrschende Eindruck von Schmitts nun illustrierter frecher Jungengeschichte einfach nur "nett" sei. "Da freut sich ein Vater!"
© Perlentaucher Medien GmbH
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