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Oskar von Miller (1855-1934) zählt zu den bemerkenswertesten Persönlichkeiten des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Dem visionären und phantasievollen Ingenieur, begnadeten Organisator und geschickten Industrie- und Wissenschaftspolitiker verdanken wir nicht nur die Grundlagen unserer modernen Energieversorgung. Insbesondere das von ihm 1903 gegründete und schnell zu Weltruhm gekommene Deutsche Museum in München machte ihn zu einer der einflußreichsten Personen seiner Zeit. Gilt allein schon seine vorausschauende Konzeption eines deutschlandweiten Stromnetzes als…mehr

Produktbeschreibung
Oskar von Miller (1855-1934) zählt zu den bemerkenswertesten Persönlichkeiten des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Dem visionären und phantasievollen Ingenieur, begnadeten Organisator und geschickten Industrie- und Wissenschaftspolitiker verdanken wir nicht nur die Grundlagen unserer modernen Energieversorgung. Insbesondere das von ihm 1903 gegründete und schnell zu Weltruhm gekommene Deutsche Museum in München machte ihn zu einer der einflußreichsten Personen seiner Zeit. Gilt allein schon seine vorausschauende Konzeption eines deutschlandweiten Stromnetzes als Meisterleistung der Ingenieurskunst, so speist sich Oskar von Millers heutige Bekanntheit wesentlich aus der Bedeutung des Deutschen Museums, zu dem Kaiser Wilhelm II. 1906 den Grundstein legte. Sein mit dem Museum hartnäckig verfolgtes Ziel, der Bevölkerung einen enzyklopädischen Überblick über alle Gebiete der Technik und der exakten Naturwissenschaften zu vermitteln, brachte ein völlig neues und einmaliges Museumskonzept hervor, das weltweit kopiert wurde und dessen Ausstrahlung bis in die heutigen Science Centers reicht. Mit Wilhelm Füßl zeichnet einer der besten Kenner das ungewöhnliche und vielseitige Leben und Wirken Oskar von Millers nach. Ein eindrucksvolles Portrait eines der wichtigsten Begründer der heutigen Kultur- und Industriepolitik und seiner Zeit.
Autorenporträt
Dr. Wilhelm Füßl ist Historiker und Leiter des Archivs des Deutschen Museums München.
Rezensionen
Es leuchten die Kirchtürme im sozialen Strom

Wilhelm Füßls gelungene Biographie über Oskar von Miller, den Ingenieur und Gründer des Deutschen Museums in München

Von Oskar von Miller, dessen 150. Geburtstag im vergangenen Jahr begangen wurde, liegt endlich eine moderne, quellengestützte, sehr gut lesbare und umfassende Biographie vor. Dass das üppig und mit klaren Reproduktionen gespickte Buch keine reine Apologetik wurde, ist dem Autor Wilhelm Füßl zu verdanken. Der Archivleiter des Deutschen Museums in München setzt dessen Gründer Oskar von Miller kein Denkmal, vielmehr hat er ihn konsequent historisiert und klug das Gewöhnliche und das Außerordentliche von Millers dargestellt. Zudem hat er die leidige Frage nach dem Zusammenhang von Leben und Werk durch die Dokumente beantworten lassen: Während die Arbeitsleistung gut rekonstruierbar ist, verschwindet die Person nahezu ganz hinter Auslandsreisen, Bauplänen, Ideen und Initiativen. Was es über den Menschen Oskar von Miller zu berichten gibt, kann man nun bei Füßl nachlesen.

Als Oskar von Miller am 7. Mai 1855 als jüngstes von vierzehn Kinder geboren wurde, hat er Glück bei der Wahl seiner Eltern. Der Vater Ferdinand von Miller hatte zu diesem Zeitpunkt in München die bronzene „Bavaria” über der Theresienwiese und die Löwen der Quadriga auf dem „Siegestor” gegossen und sollte bei seinem Tode 1887 eine der weltweit führenden Erzgießereien hinterlassen. Nebenbei: Ferdinand von Miller wartet noch auf seinen Biographen.

In der Münchner Maxvorstadt und in „Protzenhausen”, auch als Niederpöcking am Starnberger See bekannt, spielte sich Oskars bürgerliches Leben ab. Weil es mit dem humanistischen Gymnasium nichts wurde, führte sein Weg über das Realgymnasium zum Ingenieursstudium an der Polytechnischen Schule in München. Aus der Schul- und Studienzeit rührt die Bekanntschaft mit Max Planck und Rudolf Diesel her, die später seine Ambitionen unterstützen werden. Einschneidendes Erlebnis für von Miller wird die Pariser Elektrizitätsausstellung im Jahre 1881.

Vater hat jetzt Telefon

Bereits ein Jahr später kommt zur ersten Ausstellung dieser Art in Deutschland: Dem unbekannten und mittellosen von Miller gelingt es, in München das Thema Elektrizität auf die Agenda zu setzen. Die Beleuchtung der Türme der Liebfrauenkirche und die speziell für den Vater eingerichtete Telefonleitung waren Ereignisse, über die die Öffentlichkeit sprach. Banken und Industrie erkannten daraufhin von Millers Potential. Bereits im Dezember 1883 wird er Direktor in der von Emil Rathenau gegründeten Berliner „Deutschen Edison Gesellschaft”, die wenig später den Namen AEG trug. Obwohl von Miller er dort nur sechs Jahre aushielt, war vor allem durch die Kooperation mit Siemens & Halske auf Dauer erfolgreich.

Mit finanzieller Hilfe seiner in die Brauereidynastie Sedlmayr eingeheirateten Brüder gründete von Miller in München ein Ingenieursbüro. Bis zu seinem Tode wird er dieses Büro unterhalten, das zeitweise knapp vierzig Angestellte beschäftigt. Was er bei der AEG lernte, setzt er als Selbständiger konsequent um. Von Miller sieht die Zukunft der Elektrizität, ihrer Herstellung und Verbreitung, in der Beteiligung des Staates und der Kommunen und ihrer „natürlicher” Konkurrenten, der Unternehmen, an dieser rasant voranschreitenden Entwicklung. Füßl zeichnet diesen für den Erfolg von Millers wesentlichen Komplex besonders ausführlich nach. Seine Darstellung der „Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung” 1891 in Frankfurt am Main und der in der Folge entstandenen Idee des „sozialen Stroms” zeigen, dass der Biograph über den letztlich doch engen Kreis des Ingenieurs von Miller weit hinauszublicken vermag. Klar wird das Konzept des „Netzes” veranschaulicht, werden die politischen Implikationen bei der Durchsetzung des Walchensee- und Bayernwerks in ihren Verästelungen nachgezeichnet.

Gerade in diesen Abschnitten ist die Abgeklärtheit des Autors erkenntniserschließend. Denn er versucht erst gar nicht, von Miller in einer Diskurswelt zu verankern, die im späten 19. Jahrhundert ihren Siegeszug antritt. Mit dem Erscheinen von Ernst Kapps „Grundlinien einer Philosophie der Technik” aus dem Jahr 1877 beginnt eine weitgefächerte Diskussion um die „Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten”, wie es im Untertitel heißt. Später werden die Schriften Walther Rathenaus und der berühmte von Leo Kestenberg herausgegebene Sammelband „Kunst und Technik” (1930) die Diskussion um die Rolle der Technik in der Spätmoderne fortführen. An all diesen Debatten und Fragestellungen ist der Praktiker von Miller gänzlich unbeteiligt.

Das heißt nicht, dass ihm die Veränderungen der Umwelt entgingen. Seine Konzeption des Deutschen Museums, die er kurz nach der Jahrhundertwende beginnt und deren endgültige Realisierung erst 1925 gelingt, würde man heute manchem Haus wünschen: Neben der „Schaffung eines fachübergreifenden Museums”, der „Verbindung von Technik und Wissenschaft”, einem sogenannten „integrativen Sammeln” und dem erzieherischen Motiv der „Volksbildung”, steht die „internationale Ausrichtung des Museums durch den Gedanken der Entwicklungsreihe” im Vordergrund seiner Überlegungen.

Wie Füßl an den Gelenkstellen der Biographie betont, lässt in aus von Millers Leben und Denken keine „lineare” Geschichte konstruieren. So ist das Museumskonzept auf den ersten Blick fortschrittlich, was aber mit dem erklärten Monarchisten nicht unmittelbar in Verbindung zu bringen ist. Und das von Miller den Nationalsozialisten als „Roter” und „Judenfreund” galt, ließ ihn umso stärker an dem Ideal der „Überparteilichkeit” festhalten. So widersprüchlich und eigen blieb er bis zum Schluss. Als von Miller 1934 verstarb, ein Jahr nach seiner Frau Marie mit der er sieben Kinder hatte, war er bereits ein Mann, der aus Hintergrund agierte.

Nach der Lektüre des schönen Buches von Füßl versteht man gut, warum man ihn noch 2003 auf Platz 10 der beliebtesten Münchner setzte.

THOMAS MEYER

WILHELM FÜSSL: Oskar von Miller (1855-1934). Eine Biographie. Verlag C. H. Beck, München 2005. 452 Seiten, 29,90 Euro.

Elektrische Augen: Oskar von Miller (1855-1934)

Foto: Scherl

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