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Produktdetails
  • Verlag: Parthas
  • Seitenzahl: 165
  • Deutsch
  • Abmessung: 215mm
  • Gewicht: 464g
  • ISBN-13: 9783932529740
  • ISBN-10: 393252974X
  • Artikelnr.: 25449282
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als ein exemplarisches Buch, "lehrreich, unterhaltsam und spannend", das "einer umstrittenen Persönlichkeit des Sports Gerechtigkeit widerfahren lässt", lobt Theo Rous diese Biografie des "legendären Nurmi-Bezwingers". Sorgfältig recherchiert habe der Berliner Sportjournalist das Leben eines früh als Läufer, Trainer, Sportwissenschaftler und Publizist Erfolgreichen, der für seine angebliche Homosexualität vier Jahre im KZ Mauthausen litt; und er habe dabei auch Peltzers eigene rassenhygienische Vorstellungen, die denen der Nazis durchaus ähnelten, nicht ausgelassen. Weiterhin habe Kluge Peltzers Versuche, trotz ruinierter Gesundheit nach dem Krieg als Staatstrainer in Indien und später in der DDR wieder Fuß zu fassen, sorgfältig nachgezeichnet, schreibt Rous. Er schließt mit einem uneingeschränkten Lob - auch für sorgfältig dokumentierte Quellen im Anhang, Bibliografien und Kurzbiografien anderer Persönlichkeiten aus Sport- und Zeitgeschichte: "ein Werk von großer Dichte und Authentizität ..., das über die Person Peltzers hinausweist".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.08.2000

Der Läufer, den das Sportsystem zum Opfer machte

Dr. phil. Otto Paul Eberhard Peltzer: Unter diesem zeilenfüllenden Namen findet man den legendären Nurmi-Bezwinger und einstigen Weltrekordmann über 800, 1000 und 1500 Meter der "Golden Twenties" in den einschlägigen Lexika und Statistiken. Volker Kluge, Berliner Sportjournalist und -historiker, einem breiten Sportpublikum in erster Linie als kompetenter Autor von Büchern über die Olympische Bewegung bekannt, macht es kürzer, dafür programmatisch: "Otto der Seltsame". Dieses Markenzeichen verlieh ihm einst ein Nationalmannschaftskollege, der Hürdenläufer Heiner Troßbach, und so heißt auch der Titel der Biographie eines der bekanntesten, aber auch umstrittensten Sportler seiner Zeit.

Volker Kluge hat ein Werk vorgelegt, das mit exzellenter journalistischer und historischer Sorgfalt und Sachkenntnis das Curriculum vitae dieses Otto Peltzer mit seinen Höhen, Triumphen und außergewöhnlichen Fähigkeiten, aber auch mit seinen Widersprüchen, menschlichen Schwächen und tragischen Tiefen darstellt. Es beginnt mit der Kindheit in Schleswig-Holstein, auf Gut Ellernbrook bei Drage an der Bekau, und es endet mit dem Tod auf dem Heimweg von einem Sportplatz in Eutin, wiederum in Schleswig-Holstein. Dazwischen lag der Lebensweg eines Athleten, Trainers, Sportwissenschaftlers und Publizisten, der ihn in alle Kontinente führte und ihn in seiner Glanzzeit weltweit zu einem der bekanntesten Deutschen machte.

Um diesen Weg nachzuzeichnen, wertet Volker Kluge eine Fülle an Material aus. Dazu gehört die in reichem Maße vorhandene zeitgenössische Berichterstattung der in- und ausländischen Presse über den Athleten und Trainer Peltzer (der er schon zu seiner Aktivenzeit war) in den zwanziger und dreißiger Jahren. Ausgewertet wird auch die Autobiographie Peltzers ("Umkämpftes Leben"), erschienen 1955 in der DDR, die - neben der erschütternden Darstellung der vierjährigen Leidenszeit im KZ Mauthausen - vor allem deutlich macht, wie Peltzer sich und seine Rolle als "Botschafter des Sports" gesehen hat.

Ergänzt wird dieses Bild durch seine trainingswissenschaftlichen Bücher, die Peltzer bereits in jungen Jahren geschrieben hat. Hinzu kommen Aussagen von noch lebenden Zeitzeugen, von der neunzigjährigen Einwohnerin aus Drage, die Otto noch "loopen" sah, bis hin zu seinem Schüler "Happy" Sikand aus Neu-Delhi, den Peltzer nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit den anderen legendär gewordenen "Peltzer-Boys" als Staatstrainer in Indien trainiert hat und der heute sagt, daß er alles, was er im Leben erreicht hat, Otto Peltzer verdanke.

Trotz des persönlichen Engagements und der nicht zu verkennenden Anteilnahme am Schicksal Otto Peltzers vermeidet es Volker Kluge, das idealisierte Bild eines Helden zu entwerfen. Er schildert die Vorstellungen Peltzers zur Rassenhygiene, der sogenannten "Eugenik", die in seiner Dissertation zum Ausdruck kamen, die durchaus auf demselben Boden standen wie die des Nationalsozialismus, ohne daß Peltzer allerdings dessen mörderische Konsequenzen gezogen hätte. Er hatte auch Ambitionen, nach Ende seiner Laufbahn Mitte der dreißiger Jahre eine führende Funktion im deutschen Sport zu übernehmen, und entsprechende Konzepte entwickelt. Das schloß nicht aus, daß er der Politik Hitlers, der Sportführung im Dritten Reich, verkörpert vor allem durch Diem und von Tschammer und Osten, kritisch gegenüberstand. Mit ihnen und den Sportbehörden hatte er sich schon als eigenwilliger, zuweilen auch eigensinniger Athlet ständig gerieben.

Ausgangspunkt von Peltzers Leidensweg, der ihn in die Schrecken des Konzentrationslagers Mauthausen führte und sein ganzes späteres Leben, nicht nur seine Gesundheit, ruinierte, waren die Vorwürfe der Homosexualität im Zusammenhang mit seiner Erziehertätigkeit an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf des Reformpädagogen Gustav Wyneken, an denen stets berechtigte Zweifel bestanden. Peltzer hat die Vorwürfe stets bestritten. Auch Kluge hat sie nicht endgültig klären können.

Kluge wertet auch hier Aussagen von Zeitzeugen, eigene Aussagen Peltzers und archivierte Dokumente aus aller Welt, zum Teil auch solche, zu denen bisher der Zugang verschlossen war, sachlich und unvoreingenommen aus. Aus solchen Dokumenten unter anderem des Verfassungsschutzes und des Auswärtigen Amtes geht auch die Rolle Carl Diems nach dem Zweiten Weltkrieg hervor, der mit dazu beitrug, daß Peltzers Bemühen, im Westen Deutschlands, aber auch im Ausland Fuß zu fassen, weitestgehend vereitelt wurden. Mit derselben Deutlichkeit und Objektivität dokumentiert Kluge, einst Mitglied des Nationalen Olympischen Komitees der DDR, das Scheitern Peltzers, als dieser versuchte, in der DDR akzeptiert zu werden.

Alles in allem: Kluge hat ein Buch geschrieben, dessen Sprache dem Leser unmittelbar eingeht, lehrreich, unterhaltsam und spannend, ohne daß die wissenschaftliche Korrektheit leidet. Die Quellen sind im Anhang sorgsam aufbereitet, ergänzt um Peltzers sportliche Daten, eine umfassende Bibliographie und um Kurzbiographien der im Text erscheinenden Personen der Sport- und Zeitgeschichte. Es ist ein Buch geworden, das in exemplarischer Weise einer umstrittenen Persönlichkeit des Sports Gerechtigkeit widerfahren läßt und dazu beitragen will, das Schicksal eines bedeutenden, wenn auch widersprüchlichen Menschen, der für Fehler über Gebühr bestraft wurde, vor dem Vergessen zu bewahren. Kluge ist ein Werk von großer Dichte und Authentizität gelungen, ein Dokument der Zeitgeschichte, das über die Person Peltzers hinausweist.

THEO ROUS

Besprochenes Buch: Volker Kluge: "Otto der Seltsame: Die Einsamkeit eines Mittelstreckenläufers; Otto Peltzer (1900 bis 1970)". Parthas-Verlag, Berlin. 165 Seiten, 38 Mark.

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