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Produktdetails
  • Arbeiten zur kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B
  • Verlag: Vandenhoeck & Ruprecht
  • Seitenzahl: 641
  • Abmessung: 240mm
  • Gewicht: 1040g
  • ISBN-13: 9783525557273
  • Artikelnr.: 07772924
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.1999

Wahlpropaganda von der Kanzel
Auch die Gottlosen finden Platz in einer umfassenden Biographie des Bischofs Otto Dibelius

Vor neun Jahren legte Robert Stupperich eine Biographie des Berliner Bischofs Otto Dibelius (1880 bis 1967) vor. Diese glänzend geschriebene, umfassende Lebensgeschichte stellte uns einen leitenden Kirchenmann vor Augen, der bereits im vierten Lebensjahrzehnt kirchenleitende Entscheidungen mitverantwortete. Die frühe Beauftragung, seine große Schaffenskraft, sein Durchsetzungs- und Stehvermögen sowie ein langes Leben bewirkten, daß Dibelius während der Weimarer Republik, im "Dritten Reich" wie in der Nachkriegszeit auf den Weg seiner Kirche prägenden Einfluß nehmen konnte.

Jetzt hat Hartmut Fritz eine theologische Dissertation über Dibelius publiziert. Das Buch konzentriert sich auf die Weimarer Zeit. In einem dreißigseitigen "Epilog" geht Fritz auch auf die Zeit nach 1945 ein; gelegentlich im Text, hauptsächlich aber in Fußnoten, die häufig die Hälfte einer Seite und manchmal mehr ausmachen, greift er Vorgänge aus der Nazizeit auf. Mit großem Fleiß hat er selbst kleinste Details zusammengetragen, die das Gesamtbild der Persönlichkeit zwar nur unwesentlich ergänzen oder korrigieren, der Arbeit aber einen geradezu lexikalischen Charakter verleihen. Darin liegt ihr Wert. Das hat seinen Preis: Die Zentralfigur tritt gelegentlich hinter der historischen Darstellung ihres Umfeldes zurück. Besonders gelungen sind die Passagen, in denen Dibelius' Haltung zur Friedensfrage, zur Dialektischen Theologie und zur Gottlosenbewegung beleuchtet wird.

Vieles von dem, was Fritz' Vorläufer über die Weimarer Zeit und Dibelius geäußert haben, hält der Verfasser für "abwegig", "überzeichnend" oder "einseitig". Vor allem der Dibelius-Biograph Stupperich wird oft gerügt, weil er dies oder jenes "unterschlagen" habe. Den Verbalinjurien der DDR-Geschichtsschreibung über Dibelius tritt Fritz entschieden entgegen, spart selbst aber nicht mit deutlicher Kritik. Darüber täuscht auch das bürgerliche Vokabular nicht hinweg. So attestiert Fritz dem Theologen "moralisches Fehlverhalten" und "kirchenpolitischen Größenwahn", weil Dibelius 1918/19 mit großem Engagement Wahlpropaganda gegen die liberale DDP betrieb. Daß auch Karl Barth nach vielen anderen in Dibelius' Werk "Das Jahrhundert der Kirche" katholisierende Tendenzen entdecken konnte, ist für Fritz an sich nicht anstößig. Wohl aber, daß er dies nach dem Urteil des strengen Biographen "mit dem Hinweis auf einen einzigen aus dem Zusammenhang gerissenen und im Zusammenhang des ganzen Buches einigermaßen marginalen Satz" tat.

Doch nicht nur im Negativen, auch im Positiven beansprucht Fritz unbedingte Deutungshoheit. Wer zu erklären versucht, warum Dibelius' Aussagen mitunter mißverstanden worden sein könnten, muß sich von Fritz sagen lassen, daß "solche späte ,Ehrenrettung' . . . weder verdient noch nötig" sei, weil sie "nicht sachgemäß" wäre. Wie steht es mit den Auslassungen, "Versäumnissen" und Irrtümern des Verfassers selbst? Es fällt beispielsweise auf, daß die Literatur der letzten fünf Jahre nur ausnahmsweise Berücksichtigung fand. Formale Fehler und Wiederholungen ganzer Zeilen wurden übersehen. Eine Neigung zu Wiederholungen kann dem Leser ebenfalls nicht verborgen bleiben. Den Gesamteindruck kann das freilich nicht schmälern: Fritz hat ein instruktives und materialreiches Buch geschrieben. GERHARD BESIER

Hartmut Fritz: "Otto Dibelius". Ein Kirchenmann in der Zeit zwischen Monarchie und Diktatur. Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte, Reihe B: Darstellungen, Band 27. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998. 641 S., geb., 148,- DM.

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