Produktdetails
- Verlag: DVA
- Seitenzahl: 237
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 415g
- ISBN-13: 9783421054678
- ISBN-10: 3421054673
- Artikelnr.: 24628585
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.09.2001Nie den Streit gefürchtet
Otto Schily: Vom RAF-Verteidiger zum Anwalt des Staates
Reinhold Michels: Otto Schily - Eine Biographie. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/München 2001. 237 Seiten, 39,80 Mark.
Als Anfang dieses Jahres mehrere Minister von der deutschen Medienöffentlichkeit nochmals daraufhin geprüft wurden, ob sie ihren politischen Lebensweg auf der politischen Linken wirklich immer innerhalb des parlamentarischen Konsenses verbracht hätten, da fehlte neben den Ministern Fischer und Trittin als dritter Name der des Bundesinnenministers. Er hätte nach oberflächlicher Erinnerung dazugehören können. Auch Schily sah sich aufgerufen, durch Studentenrevolte und Vietnamkrieg politisch aktiv zu werden; später war er "RAF-Anwalt".
Militant war Schily nie, das verkürzt auf den zweiten Blick schon die Entfernung zwischen dem linken Juristen der siebziger Jahre und dem Bundesminister der Jahrhundertwende. Wesentliche andere Unterschiede - die Prägung durch das großbürgerliche Elternhaus, die stete, auch egozentrisch motivierte Suche nach Unabhängigkeit - sind jetzt von dem Journalisten Reinhold Michels in einer biographischen Beschreibung Schilys aufgeblättert worden.
Der Biograph markiert den Weg Schilys unter anderem mit dem Wort, er sei vom Strafverteidiger zum "Staats-Anwalt" gereift. Er sieht den Grund vielerlei charakterlicher Eigenheiten des älteren Ministers in den Umständen seiner Jugend; in dem aufgeklärten, anthroposophisch bestimmten Geist einer Bochumer Fabrikantenfamilie, zu deren Vorfahren Künstler, aber auch Revolutionäre zählten und deren fünf Kinder allesamt zu beeindruckenden, willensstarken Persönlichkeiten geformt wurden. Eine stärker von historischer Forschung denn von politischer Beschreibung bestimmte Studie hätte allerdings noch profundere Aussagen darüber gewagt, welche Prägungen Elternhaus, Schule und Zeitumstände Schily als Kind und Jugendlichen bestimmt haben.
Mehr Sorgfalt verwendet Michels darauf, Schilys Lebensgeschichte in ihren einzelnen Stationen nochmals zu vergegenwärtigen. Schily erscheint als politisch engagierter Anwalt der achtundsechziger Zeit in Berlin, als RAF-Verteidiger der bleiernen Siebziger in Stuttgart, als unkonventionell-konventioneller Exponent des Grünen-Protestmilieus der achtziger Jahre in Bonn. Wie sehr er sich auf den wechselnden Bühnen doch treu blieb, bestimmte Posen erhielt, Motive und Interessen zum Antrieb seines Handelns machte, davon erfährt der Leser eher in Andeutungen, als daß es der Autor zum Gegenstand einer zusammenfassenden Analyse machte.
Statt dessen bietet Michels mehrfach Persönlichkeitsvergleiche an, um die Unterschiede in Absichten und Lebenswegen zu markieren. Da steht am Anfang von Schilys politischem Leben der Vergleich zu Horst Mahler, der von der gemeinsamen Basis im Berliner "Republikanischen Club" linker Anwälte in den politischen Gegensatz eines Parteiverbots-Verfahrens führt, in dem Mahler als Anwalt und Gesinnungsgenosse der extremistischen NPD gegen den antragstellenden Bundesinnenminister agiert. Am gegenwärtigen Endpunkt von Schilys öffentlichem Wirken steht der Vergleich zwischen ihm und seinem Kabinettskollegen Fischer - bei dem wiederum Unterschiede in der Herkunft die Frage beantworten müssen, warum Schilys goldene Uhrkette an der Anzugweste zwar auffällig, aber weniger aufgesetzt wirken mag als manche Accessoires in der Ausstattung des Bundesaußenministers.
Die Summe der Rollen, die Schily stets mit Einsatz und Engagement spielte, offenbart - unabhängig von wechselnden Themen und Standpunkten - mancherlei Kontinuitäten. Schily hat auf allen Bühnen den Streit, die Auseinandersetzung mit einer selbstgewissen Macht gesucht, die er als einfallsreicherer, intelligenterer Gegenspieler in ihrer Ignoranz treffen wollte - zum Nutzen einer pluralistischen Allgemeinheit, aber auch zu eigenem Ruhm. Diese Anwaltsfunktion probierte Schily in Berlin Ende der sechziger Jahre, er testete ihre Grenzen im Stammheimer RAF-Prozeß, er nutzte ihre Möglichkeiten im Bundestagsuntersuchungsausschuß zur Flick-Affäre und suchte auch als Vorsitzender des Treuhand-Untersuchungsausschusses des Bundestags in den neunziger Jahren nach Profilierungschancen, die diese Rolle bieten könnte.
Als Bundesinnenminister, als "Staats-Anwalt", hat Schily manche Angriffsinstrumente beiseite legen müssen; der "Doyen des Kabinetts" findet jedoch in den Möglichkeiten des Amtes reiche Entschädigung. Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts entsprach seinem politischen Credo, sie wurde als progressiv oder "links" verstanden. Zum politischen Wesen Schilys gehören aber gleichermaßen konservative Elemente, die auch ganz bewußt gesetzt werden, etwa die immer wieder beiläufig geäußerten Mahnungen, Kinder gehörten von ihren Eltern aufmerksam erzogen und gebildet, musisch, körperlich und geistig. Folgt man der Idee seines Biographen Michels, so ist der Minister selber ein Beispiel dafür.
JOHANNES LEITHÄUSER
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Otto Schily: Vom RAF-Verteidiger zum Anwalt des Staates
Reinhold Michels: Otto Schily - Eine Biographie. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart/München 2001. 237 Seiten, 39,80 Mark.
Als Anfang dieses Jahres mehrere Minister von der deutschen Medienöffentlichkeit nochmals daraufhin geprüft wurden, ob sie ihren politischen Lebensweg auf der politischen Linken wirklich immer innerhalb des parlamentarischen Konsenses verbracht hätten, da fehlte neben den Ministern Fischer und Trittin als dritter Name der des Bundesinnenministers. Er hätte nach oberflächlicher Erinnerung dazugehören können. Auch Schily sah sich aufgerufen, durch Studentenrevolte und Vietnamkrieg politisch aktiv zu werden; später war er "RAF-Anwalt".
Militant war Schily nie, das verkürzt auf den zweiten Blick schon die Entfernung zwischen dem linken Juristen der siebziger Jahre und dem Bundesminister der Jahrhundertwende. Wesentliche andere Unterschiede - die Prägung durch das großbürgerliche Elternhaus, die stete, auch egozentrisch motivierte Suche nach Unabhängigkeit - sind jetzt von dem Journalisten Reinhold Michels in einer biographischen Beschreibung Schilys aufgeblättert worden.
Der Biograph markiert den Weg Schilys unter anderem mit dem Wort, er sei vom Strafverteidiger zum "Staats-Anwalt" gereift. Er sieht den Grund vielerlei charakterlicher Eigenheiten des älteren Ministers in den Umständen seiner Jugend; in dem aufgeklärten, anthroposophisch bestimmten Geist einer Bochumer Fabrikantenfamilie, zu deren Vorfahren Künstler, aber auch Revolutionäre zählten und deren fünf Kinder allesamt zu beeindruckenden, willensstarken Persönlichkeiten geformt wurden. Eine stärker von historischer Forschung denn von politischer Beschreibung bestimmte Studie hätte allerdings noch profundere Aussagen darüber gewagt, welche Prägungen Elternhaus, Schule und Zeitumstände Schily als Kind und Jugendlichen bestimmt haben.
Mehr Sorgfalt verwendet Michels darauf, Schilys Lebensgeschichte in ihren einzelnen Stationen nochmals zu vergegenwärtigen. Schily erscheint als politisch engagierter Anwalt der achtundsechziger Zeit in Berlin, als RAF-Verteidiger der bleiernen Siebziger in Stuttgart, als unkonventionell-konventioneller Exponent des Grünen-Protestmilieus der achtziger Jahre in Bonn. Wie sehr er sich auf den wechselnden Bühnen doch treu blieb, bestimmte Posen erhielt, Motive und Interessen zum Antrieb seines Handelns machte, davon erfährt der Leser eher in Andeutungen, als daß es der Autor zum Gegenstand einer zusammenfassenden Analyse machte.
Statt dessen bietet Michels mehrfach Persönlichkeitsvergleiche an, um die Unterschiede in Absichten und Lebenswegen zu markieren. Da steht am Anfang von Schilys politischem Leben der Vergleich zu Horst Mahler, der von der gemeinsamen Basis im Berliner "Republikanischen Club" linker Anwälte in den politischen Gegensatz eines Parteiverbots-Verfahrens führt, in dem Mahler als Anwalt und Gesinnungsgenosse der extremistischen NPD gegen den antragstellenden Bundesinnenminister agiert. Am gegenwärtigen Endpunkt von Schilys öffentlichem Wirken steht der Vergleich zwischen ihm und seinem Kabinettskollegen Fischer - bei dem wiederum Unterschiede in der Herkunft die Frage beantworten müssen, warum Schilys goldene Uhrkette an der Anzugweste zwar auffällig, aber weniger aufgesetzt wirken mag als manche Accessoires in der Ausstattung des Bundesaußenministers.
Die Summe der Rollen, die Schily stets mit Einsatz und Engagement spielte, offenbart - unabhängig von wechselnden Themen und Standpunkten - mancherlei Kontinuitäten. Schily hat auf allen Bühnen den Streit, die Auseinandersetzung mit einer selbstgewissen Macht gesucht, die er als einfallsreicherer, intelligenterer Gegenspieler in ihrer Ignoranz treffen wollte - zum Nutzen einer pluralistischen Allgemeinheit, aber auch zu eigenem Ruhm. Diese Anwaltsfunktion probierte Schily in Berlin Ende der sechziger Jahre, er testete ihre Grenzen im Stammheimer RAF-Prozeß, er nutzte ihre Möglichkeiten im Bundestagsuntersuchungsausschuß zur Flick-Affäre und suchte auch als Vorsitzender des Treuhand-Untersuchungsausschusses des Bundestags in den neunziger Jahren nach Profilierungschancen, die diese Rolle bieten könnte.
Als Bundesinnenminister, als "Staats-Anwalt", hat Schily manche Angriffsinstrumente beiseite legen müssen; der "Doyen des Kabinetts" findet jedoch in den Möglichkeiten des Amtes reiche Entschädigung. Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts entsprach seinem politischen Credo, sie wurde als progressiv oder "links" verstanden. Zum politischen Wesen Schilys gehören aber gleichermaßen konservative Elemente, die auch ganz bewußt gesetzt werden, etwa die immer wieder beiläufig geäußerten Mahnungen, Kinder gehörten von ihren Eltern aufmerksam erzogen und gebildet, musisch, körperlich und geistig. Folgt man der Idee seines Biographen Michels, so ist der Minister selber ein Beispiel dafür.
JOHANNES LEITHÄUSER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Annette Ramelsberger räumt zwar ein, dass es durchaus schwierig ist, an einen so verschlossenen Menschen wie Otto Schily heranzukommen. Doch etwas mehr hätte sie sich von dieser Biografie schon erhofft. Zwar habe der Autor zahlreiche Freunde, Verwandte und Weggefährten befragt, doch viele wesentliche Fragen bleiben nach Ramelsberger unbeantwortet, etwa wie Schily "Politik organisiert", wie er zu seiner Aussage (damals noch als Ensslin-Verteidiger) gekommen ist, die "Anschläge der RAF seien eine Form des Widerstandes gegen den Völkermord in Vietnam gewesen" oder auch wie bzw. ob sich Schily durch seine Ehefrauen verändert hat. Was Schilys Gefühlsregungen betrifft, so findet die Rezensentin zahlreiche Äußerungen des Autors nicht ausreichend belegt, Schily zugeschriebene Reflektionen gar spekulativ. Und nicht zuletzt findet sie es unnötig, "auf jeder Seite" zu lesen, dass Schily - schon seit seiner Jugend - großen Wert auf elegante Kleidung legt. Summa summarum meint die Rezensentin: "Schily bleibt hinter einer Milchglasscheibe verborgen".
© Perlentaucher Medien GmbH
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