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Die junge Tiffany wird mit ihren Eltern in das Dschungeldorf Ouregano verschlagen und macht dort, in dieser exotischen Umgebung, erstmals Bekanntschaft mit der Welt der Erwachsenen. In ihrem ersten Roman rechnet die bekannte französische Autorin mit ihrer abenteuerlichen Kindheit in einer schwarzafrikanischen Kolonie ab.

Produktbeschreibung
Die junge Tiffany wird mit ihren Eltern in das Dschungeldorf Ouregano verschlagen und macht dort, in dieser exotischen Umgebung, erstmals Bekanntschaft mit der Welt der Erwachsenen. In ihrem ersten Roman rechnet die bekannte französische Autorin mit ihrer abenteuerlichen Kindheit in einer schwarzafrikanischen Kolonie ab.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.1999

Ein Büschel Gras im Bauch
Paule Constant besucht den Sumpf von Ouregano

Bitte nicht gleich ans Pizzagewürz denken. Das ist ein ernsthaftes Buch. "Ouregano" bezeichnet ein verlorenes Kaff in Zentralafrika. Es erscheint immer mit Großbuchstaben, als magisch-fremde Präsenz, aber ohne jeden exotischen Reiz. Der Roman schildert das Leben in Ouregano zu Beginn der fünfziger Jahre, in der Spätzeit des Kolonialismus. Es ist der Erstling der französischen Schriftstellerin Paule Constant, der nun auf deutsch nach ihren späteren Romanen "Die Tochter des Gobernators" (1995) und "White Spirit" (1997) erscheint. Die Fülle von Detailwissen läßt einen autobiographischen Hintergrund vermuten.

In das öde Kolonialkaff Ouregano wird der Militärarzt Michel Murano mit seiner Frau Matilde und seinem Töchterchen Tiffany versetzt. Er soll dort - welch ein Abstieg für den "Krieger" mit Indochina-Erfahrung - als Chefarzt in einem Krankenhaus mit Entbindungsstation, Operationssaal und Leprastation Buschmedizin praktizieren. Im Kaff haust das übliche Personal: der Statthalter Dubois samt Gattin und der Richter Bonenfant am oberen Ende der kolonialen Hierarchie, das unglückliche Lehrer-Ehepaar Refons am unteren Ende der "weißen" Skala. Paule Constant schafft es, sie in ihrer Borniertheit und Leere zu schildern, ohne sie zu denunzieren.

Daß der heillose Kolonialismus beklagt wird, ist von Anfang an klar - doch es geschieht ohne Phrase. Der sozialen Hierarchie gegenüber steht die Skala des Rassismus, die von der plumpen bis zur subtilen Spielart reicht. Doch Mißgunst und Haß richten sich nicht nur gegen die schwarze Bevölkerung: Die Weißen hassen sich selber am besten. Der Roman hält sich an unaufgeregte, nüchterne Beschreibung und zeigt gerade darin seine stille Größe.

Die Schwarzen erscheinen kaum erwähnenswert, sie hungern und sterben lepra- oder schlafkrank dahin: "Die Weißen von Ouregano sahen nicht die krepierenden Schwarzen." Die Traurigkeit dieses Afrika spiegelt sich in den auf dem Markt ausliegenden Gütern, welche die Kolonialisten aber nicht zu konsumieren brauchen, weil es für die Verpflegung Alexandrous Kontor gibt: "Die Damen gingen nie auf den kleinen Markt, was hätten sie dort auch gefunden? Das Elend brachte hier allen Unrat aus dem Bauch der Erde zutage: Packen schmuddeliger Salatblätter, Büschel Gras, verendete Küken, halb von Ameisen abgenagte Vögel, bläuliche Haufen Schafsaugen, wie graue Fäden aussehende Schweineschwänze, auf eine Schnur aufgefädelte Wespen, und sonst nichts, grünliches Pulver, weißes Pulver, eine Kugel Ton, ein Löffel voll schwarzes Fett." Eine großartige Aufzählung, Katalog des Elends auf einem Nebenschauplatz.

In dieser fremden Welt versucht sich Tiffany zurechtzufinden, die achtjährige Tochter der Muranos. Von ihren verständnislosen Eltern ist keine Hilfe zu erwarten. Durch die Augen des kleinen Mädchens sieht die Welt der Erwachsenen noch trostloser aus. Ihre Einsamkeit wird kleiner, als sie sich in der Schule mit dem schwarzen Jungen Moïse anfreundet. Da bekommt das Leben für kurze Zeit einen Sinn, und gemeinsam lesen sie Bücher. Die Hungerrevolte der Leprakranken, ein Buschbrand - das sind die großen Ereignisse inmitten der wimmelnden kleinen. Wöchentlich wird ein Zebu geschlachtet, zweimal pro Tag kommen die Wasserträger.

Als der brutale Ex-Legionär Beretti, dem die blutjunge Mulattin Marie-Rosalie "gehört", seinen träumenden Rivalen, den schwarzen Arzt N'Diop, haßerfüllt aus dem Weg räumt, hat die kleine weiße Kolonie ihren "Unfall". Keinen Mord, keinen Schuldigen: "Man würde sich hier keine Geschichten aufhalsen, Ouregano blieb friedlich." Wo es keine Liebe gibt, kann auch keine Gerechtigkeit aufkommen. Nicht einmal die Kinderfreundschaft zwischen Tiffany und Moïse darf in dieser miserablen kolonialen Kleinhölle gedeihen. Ein feinfühliges Buch, das eine vernichtende Verdammung bereithält. RALPH DUTLI

Paule Constant: "Ouregano". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Uli Aumüller. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1998. 298 S., geb., 39,80 DM.

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