In this landmark work, the author of "Blink" and "The Tipping Point" asks what makes high-achievers different? Brilliant and entertaining, "Outliers" is a landmark work that will simultaneously delight and illuminate.
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"In the vast world of nonfiction writing, Malcolm Gladwell is as close to a singular talent as exists today...Outliers is a pleasure to read and leaves you mulling over its inventive theories for days afterward."-David Leonhardt, New York Times Book Review
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.01.2009Wer ein Überflieger wird – und wer nicht
Wesentlich für das Selbstverständnis der US-Amerikaner ist die Definition ihres Landes als eines der unbegrenzten Möglichkeiten: „Wer begabt und fleißig genug ist, seine Chancen zu nutzen, kann es auch heute noch vom Tellerwäscher zum Millionär bringen.” Diese Vorstellung attackiert das neue Buch des Bestsellerautors Malcolm Gladwell Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht. Die Geschichte von Selfmade-Männern ist nur ein Märchen, meint Gladwell. Er knöpft sich Unternehmer, Topanwälte, Musikstars und Software-Entwickler vor und analysiert, warum der so beliebte Mythos vom selbstbestimmten Aufstieg oberflächlich und falsch ist: „Erfolg lässt sich nicht als Ergebnis persönlicher Anstrengungen erklären. Niemand kommt aus dem Nichts.”
Schon gar nicht Profisportler. Im Eishockey etwa ist der Stichtag zur Zulassung für eine Altersgruppe der 1. Januar. Ein Junge, der im Januar zehn Jahre alt wird, spielt also in einer Mannschaft mit Jungen, von denen viele dieses Alter erst Monate später erreichen. Das Januarkind ist also einfach größer und stärker als die jüngeren Kinder, wirkt daher begabter, wird öfter aufgestellt und landet in der Fördergruppe. Die Statistik gibt Gladwell Recht: In ganz Nordamerika ist kaum ein Profi-Eishockeyspieler später als im März geboren. Ähnliche Verzerrungen herrschen in der Schule. Statistische Untersuchungen zeigen: Von zwei gleich intelligenten Kindern, von denen eines zu Beginn und das andere zum Ende seines Jahrgangs geboren wurde, erreicht das ältere zwischen 80 und 100 Prozent, das jüngere zwischen 60 und 80 des Leistungsspektrums. Das kann bedeuten, dass sich das ältere Kind für ein Förderprogramm qualifiziert und das jüngere nicht. An den Unis setzt sich das Muster fort: Die jüngste Gruppe eines Jahrgangs bleibt gegenüber der ältesten um etwa 11,6 Prozent unterrepräsentiert.
Doch nicht alles ist schicksalsbestimmt. Betrachtet man Konservatorien, so kommt heraus, dass Elitemusiker im Alter von 20 Jahren bereits etwa 10000 Stunden geübt haben. „Im Gegensatz dazu kamen die ,guten‘ Studierenden nur auf etwa 8000 Stunden Spielpraxis und die künftigen Musiklehrer auf knapp über 4000”, schreibt Journalist Gladwell. Mit dieser Erkenntnis analysiert er die Karrieren von Bill Gates, Bill Joy und den Beatles. Jeder einzelne dieser Überflieger hatte das Glück, dass er die nötigen 10000 Stunden auch leisten konnte. Wer etwa schon als Kind jobben muss, hat zum Geigespielen oder Programmieren meist keine Zeit.
Der Rest ist Erziehung: Kinder, die zu Hause Bücher vorfinden und lernen, ihre Ideen überzeugend zu formulieren, haben später die Nase vorn. Wir wollen es uns nicht eingestehen, meint Gladwell, aber Erfolg ist im Grunde nur ein akkumulierter Vorteil: „Erfolgreiche Menschen arbeiten sich nicht von allein nach oben. Es spielt eine ganz entscheidende Rolle, wo sie herkommen. Sie sind immer das Produkt ihrer Umwelt und ihrer Umstände.”
Gladwells Buch ist zutiefst unamerikanisch und dennoch oder gerade deswegen in den USA ein Bestseller. Den meisten Europäern wird die These, dass Erfolg nur auf individueller Leistung beruht, ohnehin spanisch vorkommen. Dennoch ist das Buch auch diesseits des Atlantiks lesenswert. Weil es eine gefühlte Wirklichkeit in Fakten verankert und weil es immer nutzt, über die Grundlagen eigenen und fremden Erfolgs nachzudenken. Manche Erkenntnisse wirken tröstlich, andere inspirierend, denn Überflieger sind am Ende alles andere als Überflieger. Das macht sie ein wenig menschlicher und uns Normalsterbliche ein wenig machtvoller – der Rest ist offenbar Glückssache. Barbara Bierach
Zum Thema
Die Elite von morgen
Julia Friedrichs: Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, 256 Seiten, 17,95 Euro.
Die Journalistin Friedrichs hat an Elite-Instituten recherchiert. Sie taucht ein in eine Welt, in der Menschen, die weniger als siebzig Stunden pro Woche arbeiten, „Minderleister” heißen.
Welche Werte?
Daniel F. Pinnow: Elite ohne Ethik? Die Macht von Werten und Selbstrespekt. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt, September 2007, 196 S., 24,90 Euro.
Autor Pinnow analysiert – mit Blick auf die deutsche Geschichte – das Unbehagen gegenüber Eliten und diskutiert den Anspruch, moralisch zu handeln.
Wirtschaftsbuch
Malcolm Gladwell:
Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht. Campus Verlag 2008,
256 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Wesentlich für das Selbstverständnis der US-Amerikaner ist die Definition ihres Landes als eines der unbegrenzten Möglichkeiten: „Wer begabt und fleißig genug ist, seine Chancen zu nutzen, kann es auch heute noch vom Tellerwäscher zum Millionär bringen.” Diese Vorstellung attackiert das neue Buch des Bestsellerautors Malcolm Gladwell Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht. Die Geschichte von Selfmade-Männern ist nur ein Märchen, meint Gladwell. Er knöpft sich Unternehmer, Topanwälte, Musikstars und Software-Entwickler vor und analysiert, warum der so beliebte Mythos vom selbstbestimmten Aufstieg oberflächlich und falsch ist: „Erfolg lässt sich nicht als Ergebnis persönlicher Anstrengungen erklären. Niemand kommt aus dem Nichts.”
Schon gar nicht Profisportler. Im Eishockey etwa ist der Stichtag zur Zulassung für eine Altersgruppe der 1. Januar. Ein Junge, der im Januar zehn Jahre alt wird, spielt also in einer Mannschaft mit Jungen, von denen viele dieses Alter erst Monate später erreichen. Das Januarkind ist also einfach größer und stärker als die jüngeren Kinder, wirkt daher begabter, wird öfter aufgestellt und landet in der Fördergruppe. Die Statistik gibt Gladwell Recht: In ganz Nordamerika ist kaum ein Profi-Eishockeyspieler später als im März geboren. Ähnliche Verzerrungen herrschen in der Schule. Statistische Untersuchungen zeigen: Von zwei gleich intelligenten Kindern, von denen eines zu Beginn und das andere zum Ende seines Jahrgangs geboren wurde, erreicht das ältere zwischen 80 und 100 Prozent, das jüngere zwischen 60 und 80 des Leistungsspektrums. Das kann bedeuten, dass sich das ältere Kind für ein Förderprogramm qualifiziert und das jüngere nicht. An den Unis setzt sich das Muster fort: Die jüngste Gruppe eines Jahrgangs bleibt gegenüber der ältesten um etwa 11,6 Prozent unterrepräsentiert.
Doch nicht alles ist schicksalsbestimmt. Betrachtet man Konservatorien, so kommt heraus, dass Elitemusiker im Alter von 20 Jahren bereits etwa 10000 Stunden geübt haben. „Im Gegensatz dazu kamen die ,guten‘ Studierenden nur auf etwa 8000 Stunden Spielpraxis und die künftigen Musiklehrer auf knapp über 4000”, schreibt Journalist Gladwell. Mit dieser Erkenntnis analysiert er die Karrieren von Bill Gates, Bill Joy und den Beatles. Jeder einzelne dieser Überflieger hatte das Glück, dass er die nötigen 10000 Stunden auch leisten konnte. Wer etwa schon als Kind jobben muss, hat zum Geigespielen oder Programmieren meist keine Zeit.
Der Rest ist Erziehung: Kinder, die zu Hause Bücher vorfinden und lernen, ihre Ideen überzeugend zu formulieren, haben später die Nase vorn. Wir wollen es uns nicht eingestehen, meint Gladwell, aber Erfolg ist im Grunde nur ein akkumulierter Vorteil: „Erfolgreiche Menschen arbeiten sich nicht von allein nach oben. Es spielt eine ganz entscheidende Rolle, wo sie herkommen. Sie sind immer das Produkt ihrer Umwelt und ihrer Umstände.”
Gladwells Buch ist zutiefst unamerikanisch und dennoch oder gerade deswegen in den USA ein Bestseller. Den meisten Europäern wird die These, dass Erfolg nur auf individueller Leistung beruht, ohnehin spanisch vorkommen. Dennoch ist das Buch auch diesseits des Atlantiks lesenswert. Weil es eine gefühlte Wirklichkeit in Fakten verankert und weil es immer nutzt, über die Grundlagen eigenen und fremden Erfolgs nachzudenken. Manche Erkenntnisse wirken tröstlich, andere inspirierend, denn Überflieger sind am Ende alles andere als Überflieger. Das macht sie ein wenig menschlicher und uns Normalsterbliche ein wenig machtvoller – der Rest ist offenbar Glückssache. Barbara Bierach
Zum Thema
Die Elite von morgen
Julia Friedrichs: Gestatten: Elite. Auf den Spuren der Mächtigen von morgen. Hoffmann und Campe, Hamburg 2008, 256 Seiten, 17,95 Euro.
Die Journalistin Friedrichs hat an Elite-Instituten recherchiert. Sie taucht ein in eine Welt, in der Menschen, die weniger als siebzig Stunden pro Woche arbeiten, „Minderleister” heißen.
Welche Werte?
Daniel F. Pinnow: Elite ohne Ethik? Die Macht von Werten und Selbstrespekt. Frankfurter Allgemeine Buch, Frankfurt, September 2007, 196 S., 24,90 Euro.
Autor Pinnow analysiert – mit Blick auf die deutsche Geschichte – das Unbehagen gegenüber Eliten und diskutiert den Anspruch, moralisch zu handeln.
Wirtschaftsbuch
Malcolm Gladwell:
Überflieger. Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht. Campus Verlag 2008,
256 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.02.2009Du bist gar nichts
Malcolm Gladwell schreibt über Erfolgsgeheimnisse
Immer mal wieder denkt man: Jetzt habe ich ihn. Jetzt hat er sich selbst widersprochen. Aber dann entwischt Malcolm Gladwell wieder, hinter seinen Vorhang aus faszinierenden Anekdoten, scharfsinnigen Beobachtungen und spritzigen Ideen. Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht, nicht weniger will der Kanadier und oft "Pop-Soziologe" genannte Autor in seinem Buch "Überflieger" erklären. Erfolg hat wenig mit Talent und Intelligenz zu tun, behauptet er. Du bist, was dein Umfeld und der Zufall aus dir machen.
Für diese Theorie meuchelt Gladwell manchen Mythos: die Beatles? Keine genialen Musiker, sie übten einfach mehr als andere Bands. Bill Gates? Kein Computer-Genie, er schlüpfte nur 1975 durch ein kleines Zeitfenster, das älteren und jüngeren Konkurrenten verschlossen war. Der New Yorker Spitzen-Anwalt Joe Flom? Kein juristisches Naturtalent, er nutzte wie viele jüdische Zeitgenossen eine Marktlücke: die Beratung für feindliche Übernahmen, für die sich die meisten Kollegen zu fein waren.
Das Ergebnis ist eine Theorie des sozialen Determinismus: Wie mutig, kreativ oder intelligent ein Mensch ist, spielt bei Gladwell keine große Rolle. "Die Gesellschaft ist alles, du bist nichts", ruft er allen Wunderkindern zu. Das heißt nicht, dass der Autor keine Empathie für seine Protagonisten zeigt: Wahre Krimis macht er aus ihren Lebensgeschichten. Er lässt sie schwitzen und ackern, begleitet sie in muffige Computersäle, in abgelegene Bergdörfer und in die Nähfabriken von Manhattans Lower Eastside. Er erklärt, warum Enkel jüdischer Lebensmittelhändler aus Polen überdurchschnittlich oft Anwälte wurden, die irischer Einwanderer aber nicht. Und er bringt Fluggäste auf die Idee, sich die Nationalität ihrer Piloten anzusehen: Je nach Herkunft und Muttersprache könnte es sein, dass sie eher eine Bruchlandung riskieren, als den Tower um Hilfe zu bitten.
Gladwells Geschichten sind Kino im Kopf, und sie machen nachdenklich. Aber man sollte nicht zu viel nachdenken. Denn das Erfolgsgeheimnis dieses Buches liegt in der Verpackung: Gladwell schenkt dem Leser goldene Nichtschen in silbernen Döschen. Dass es für jedes seiner Beispiele ein Gegenbeispiel gibt - Leute, die denselben Erfolg mit weniger Arbeit, einer späteren Geburt und ärmeren Eltern erzielt haben -, wischt er weg: Es gibt eben viele Erfolgsfaktoren, und sie wirken bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Also zählt am Ende vielleicht doch, was der Einzelne mit Grips und Willenskraft aus seinen Chancen macht?
Oft genug sind Gladwells Theorien auch einfach banal. Ohne Fleiß kein Preis, erklärt er uns, und beruflicher Erfolg werde stark von der sozialen Herkunft bestimmt. Eine Soziologin aus Maryland habe in "einer faszinierenden Untersuchung" herausgefunden, dass wohlhabende Eltern ihre Kinder besser fördern als arme. Nun ja.
Darf man Gladwell glauben, dass dieser Gedanke in den Vereinigten Staaten nicht so verbreitet ist wie hierzulande, wo Begriffe wie "Migrationshintergrund" schon lange die kulturelle Komponente von Karrieren erfassen? Der unbedingte Wille zum Erfolg macht eben nicht aus jedem Tellerwäscher einen Millionär, auch dieser Erkenntnis verdanken die Deutschen ein gewaltiges soziales Umverteilungssystem und Ideen wie Bafög. Und dass der Stichtag für die Einschulung eines Kindes ihm später berufliche Vor- oder Nachteile bringen kann, das wurde sicher schon vor Malcolm Gladwell an den Abendbrottischen in Ulm oder Uelzen diskutiert.
Aber mit weniger Esprit. Man merkt Gladwell an, dass er Journalist und Autor ist: Er denkt in Überschriften und Spannungsbögen und unterfüttert seine Beispiele - so selektiv sie sein mögen - stets mit der passenden Studie aus Oxford, aus dem American Journal of Human Biology, oder auch aus Wikipedia. Die unbekümmerte Art, mit der er wissenschaftliche Forschung massentauglich verbrät und als eigene Idee verkauft, darauf reagieren amerikanische Rezensenten mit wachsender Genervtheit.
Der Medienliebling Gladwell, vor allem für sein erstes Buch "Tipping Point" über Trendforschung noch gefeiert, hat an Glanz verloren. Aber warum? Seine Methode ist dieselbe, die Sprache taufrisch, und Gladwell listet brav alle Quellen auf. Seine Leistung besteht darin, all die Studien nicht nur gefunden, gelesen, verstanden und übersetzt zu haben, sondern sie auch mit Leben gefüllt zu haben.
MELANIE AMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Malcolm Gladwell schreibt über Erfolgsgeheimnisse
Immer mal wieder denkt man: Jetzt habe ich ihn. Jetzt hat er sich selbst widersprochen. Aber dann entwischt Malcolm Gladwell wieder, hinter seinen Vorhang aus faszinierenden Anekdoten, scharfsinnigen Beobachtungen und spritzigen Ideen. Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht, nicht weniger will der Kanadier und oft "Pop-Soziologe" genannte Autor in seinem Buch "Überflieger" erklären. Erfolg hat wenig mit Talent und Intelligenz zu tun, behauptet er. Du bist, was dein Umfeld und der Zufall aus dir machen.
Für diese Theorie meuchelt Gladwell manchen Mythos: die Beatles? Keine genialen Musiker, sie übten einfach mehr als andere Bands. Bill Gates? Kein Computer-Genie, er schlüpfte nur 1975 durch ein kleines Zeitfenster, das älteren und jüngeren Konkurrenten verschlossen war. Der New Yorker Spitzen-Anwalt Joe Flom? Kein juristisches Naturtalent, er nutzte wie viele jüdische Zeitgenossen eine Marktlücke: die Beratung für feindliche Übernahmen, für die sich die meisten Kollegen zu fein waren.
Das Ergebnis ist eine Theorie des sozialen Determinismus: Wie mutig, kreativ oder intelligent ein Mensch ist, spielt bei Gladwell keine große Rolle. "Die Gesellschaft ist alles, du bist nichts", ruft er allen Wunderkindern zu. Das heißt nicht, dass der Autor keine Empathie für seine Protagonisten zeigt: Wahre Krimis macht er aus ihren Lebensgeschichten. Er lässt sie schwitzen und ackern, begleitet sie in muffige Computersäle, in abgelegene Bergdörfer und in die Nähfabriken von Manhattans Lower Eastside. Er erklärt, warum Enkel jüdischer Lebensmittelhändler aus Polen überdurchschnittlich oft Anwälte wurden, die irischer Einwanderer aber nicht. Und er bringt Fluggäste auf die Idee, sich die Nationalität ihrer Piloten anzusehen: Je nach Herkunft und Muttersprache könnte es sein, dass sie eher eine Bruchlandung riskieren, als den Tower um Hilfe zu bitten.
Gladwells Geschichten sind Kino im Kopf, und sie machen nachdenklich. Aber man sollte nicht zu viel nachdenken. Denn das Erfolgsgeheimnis dieses Buches liegt in der Verpackung: Gladwell schenkt dem Leser goldene Nichtschen in silbernen Döschen. Dass es für jedes seiner Beispiele ein Gegenbeispiel gibt - Leute, die denselben Erfolg mit weniger Arbeit, einer späteren Geburt und ärmeren Eltern erzielt haben -, wischt er weg: Es gibt eben viele Erfolgsfaktoren, und sie wirken bei jedem Menschen unterschiedlich stark. Also zählt am Ende vielleicht doch, was der Einzelne mit Grips und Willenskraft aus seinen Chancen macht?
Oft genug sind Gladwells Theorien auch einfach banal. Ohne Fleiß kein Preis, erklärt er uns, und beruflicher Erfolg werde stark von der sozialen Herkunft bestimmt. Eine Soziologin aus Maryland habe in "einer faszinierenden Untersuchung" herausgefunden, dass wohlhabende Eltern ihre Kinder besser fördern als arme. Nun ja.
Darf man Gladwell glauben, dass dieser Gedanke in den Vereinigten Staaten nicht so verbreitet ist wie hierzulande, wo Begriffe wie "Migrationshintergrund" schon lange die kulturelle Komponente von Karrieren erfassen? Der unbedingte Wille zum Erfolg macht eben nicht aus jedem Tellerwäscher einen Millionär, auch dieser Erkenntnis verdanken die Deutschen ein gewaltiges soziales Umverteilungssystem und Ideen wie Bafög. Und dass der Stichtag für die Einschulung eines Kindes ihm später berufliche Vor- oder Nachteile bringen kann, das wurde sicher schon vor Malcolm Gladwell an den Abendbrottischen in Ulm oder Uelzen diskutiert.
Aber mit weniger Esprit. Man merkt Gladwell an, dass er Journalist und Autor ist: Er denkt in Überschriften und Spannungsbögen und unterfüttert seine Beispiele - so selektiv sie sein mögen - stets mit der passenden Studie aus Oxford, aus dem American Journal of Human Biology, oder auch aus Wikipedia. Die unbekümmerte Art, mit der er wissenschaftliche Forschung massentauglich verbrät und als eigene Idee verkauft, darauf reagieren amerikanische Rezensenten mit wachsender Genervtheit.
Der Medienliebling Gladwell, vor allem für sein erstes Buch "Tipping Point" über Trendforschung noch gefeiert, hat an Glanz verloren. Aber warum? Seine Methode ist dieselbe, die Sprache taufrisch, und Gladwell listet brav alle Quellen auf. Seine Leistung besteht darin, all die Studien nicht nur gefunden, gelesen, verstanden und übersetzt zu haben, sondern sie auch mit Leben gefüllt zu haben.
MELANIE AMANN
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main