Der schottische Abenteurer und Shakespeare-Zeitgenosse Mark Alexander Boyd (1563-1601), dessen Sonnett Fra bank to bank in kaum einer Anthologie englischer Poesie fehlt, beweist auch in der lateinischen Dichtung großes Talent: Seine Epistulae Heroides (1592) erwecken in der Tradition Ovids Heroinen des Mythos und der römischen Geschichte zum Leben. Die vorliegende Arbeit erschließt diese Seite von Boyds Wirken erstmals der Forschung. Neben Einleitung, Edition und Übersetzung einer repräsentativen Auswahl von vier Briefen bietet die Arbeit einen ausführlichen Stellenkommentar, der zeigt, wie raffiniert, vielschichtig und anspielungsreich Boyd als erster lateinischer Autor die epischen Stoffe der Metamorphosen Ovids mit der ovidischen Gattung der Heroides vereint. Die Briefe erzählen von der Leidenschaft zwischen Atalanta und Meleager auf der kalydonischen Eberjagd, der Liebe zwischen Eurydike und Orpheus über den Tod hinaus, der Rache Philomelas an Tereus und schließlich der verzweifelten Klage der Venus an Adonis’ Grab. Dieses Schlussgedicht erweist sich als Imitation Bions und fordert den Vergleich mit Shakespeares ein Jahr später entstandener Verserzählung Venus and Adonis heraus.